100 Jahre juckende Augen und rote Pusteln:
Wiener Arzt prägte den Fachbegriff 'Allergie'

Entdeckung der allergischen Erkrankung war Zufall Berlin: Ausstellung zum Thema 100 Jahre Allergie

Die Augen jucken, die Nase läuft und auf der Haut bilden sich unansehnliche rote Pusteln - Allergien sind nicht nur lästig, sondern führen auch oft zu erheblichen Einschränkungen im alltäglichen Leben. Allein in Deutschland leiden rund 20 Prozent der Menschen an Allergien. Viele haben Heuschnupfen, andere wiederum vertragen bestimmte Nahrungsmittel oder Tierhaare nicht.

Dabei sind Allergien keine moderne Erscheinung der vergangenen Jahrzehnte. Schon vor rund 100 Jahren prägte ein Wiener Arzt das Wort "Allergie" als medizinischen Fachbegriff. Aus diesem Anlass wird am 15. August im Medizinhistorischen Museum Berlin eine Ausstellung zum Thema 100 Jahre Allergie eröffnet.

Entdeckung der Allergie war Zufall
Die Entdeckung der Krankheit war wie so oft in der Geschichte der Medizin ein Zufall: Der junge Kinderarzt Clemens von Pirquet (1874- 1929) beobachtete bereits in seinen ersten Berufsjahren, dass seine kleinen Diphtherie-Patienten auf Injektionen mit Pferdeserum unterschiedlich reagierten, wie der Allergologe Karl-Christian Bergmann vom Allergie-Centrum-Charite berichtet. "Während die Injektion bei den meisten Kindern die gewünschte Genesung vorantrieb, löste sie bei anderen schwerste Nebenwirkungen aus, die teilweise sogar zum Tod führten", erläuterte Bergmann, der Mitorganisator der Allergie-Ausstellung ist.

Pirquet bemerkte außerdem, dass der Körper bei einer zweiten Impfung schneller und mitunter heftiger reagierte. Der Mediziner schlussfolgerte: Ein wiederholter Kontakt mit dem gleichen Stoff führt zur Reaktion mit dem bereits gebildeten Gegenstoff. "Damit hatte Pirquet den Wirkungskreislauf von Allergien entdeckt, der sich noch heute in den medizinischen Lehrbüchern findet", sagt Bergmann.

Reaktion auf eigentlich ungefährliche Substanzen
Bei einer Allergie stuft das Immunsystem eigentlich ungefährliche Substanzen als gefährlich ein. Dadurch werden gegen bestimmte Stoffe (Allergene) körpereigene Waffen (Antikörper) gebildet. Die Folge: Die betroffenen Zellen schütten das Hormon Histamin aus, das im umliegenden Gewebe allergische Reaktionen verursacht.

Diese Überreaktion beschrieb der gebürtige Wiener Pirquet 1906 in der "Münchener Medizinischen Wochenzeitschrift" erstmals als "Allergie". "Allos" heißt auf Griechisch "anders" oder "fremd" - eine Allergie ist folglich eine veränderte Reaktionsfähigkeit des Körpers.

Medikamente und Tests als Linderung<
Seit der Entdeckung der Krankheit durch Pirquet hat sich einiges getan. In den Regalen der Apotheken stapeln sich heute die entsprechenden Medikamente, Tests können zahlreiche Allergien voneinander unterscheiden, und mit Hilfe einer so genannten Hyposensibilisierung gewöhnt sich der Körper schrittweise an ein bestimmtes Allergen wie etwa Insektengift. So können die Beschwerden zumindest bei den meisten Patienten reduziert werden.

"Allerdings werden Allergien heute noch häufig zu wenig beachtet und bagatellisiert", sagt Bergmann. Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie werden nur zehn Prozent der Betroffenen mit Atemwegsallergien korrekt therapiert. Die Folge: Allergien wie der Heuschnupfen verschlimmern sich mit der Zeit und führen zu chronischen Erkrankungen. (apa/red)