Brexit - Irland sieht Friedensprozess und Grenzregime herausgefordert

Austritts-Verhandlungen so bald wie möglich beginnen

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Der Nordirland-Friedensprozess "steht nun mit dem Rückzug des Vereinigten Königreichs aus der EU vor einer Herausforderung", betonte Flanagan nach einem Treffen mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) vor Journalisten. Die EU als Friedensprojekt an sich, spiele auch für den Nordirland-Friedensprozess eine wichtige Rolle. Im Kontext des Brexit pochte der Chefdiplomat darauf, dass die Regelungen des Karfreitagsabkommens "voll anerkannt und gewürdigt" werden.

Das Abkommen von 1998 beendete Jahrzehnte der Gewalt zwischen pro-irischen und pro-britischen Kräfte im zu Großbritannien gehörenden Nordirland, das weitgehende Selbstverwaltungsrechte erhielt. Nach dem Willen der EU und Irlands soll die Grenze zu Nordirland offen bleiben. Nach den Worten des irischen Premierministers Enda Kenny haben Dublin und London bereits vereinbart, dass es "keine harte Grenze" mit Zollkontrollen und Grenzposten geben werde.

Außenminister Flanagan strich nochmals hervor: "Es ist absolut notwendig (...) in der neuen Post-Brexit-Regelung, dass wir eine offene Grenze und freien Personenverkehr (...) beibehalten." Zugleich zeigte sich der konservative Politiker erfreut, dass den irischen Prioritäten in den Richtlinien, mit denen die EU in die Brexit-Verhandlungen geht, Rechnung getragen worden sei. Erfreulich sei auch, dass die "irische Frage" speziell in den Richtlinien erwähnt werde.

"Ich will so bald wie möglich einen Beginn der (Brexit-)Verhandlungen sehen", sagte Flanagan mit Blick auf die britischen Unterhauswahlen am 8. Juni, nach der eine neue Regierung gebildet werden muss. Die konservative britische Premierministerin Theresa May hatte die vorgezogene Wahl angesetzt, um ihre Mehrheit auszubauen und so ihre Position bei den Brexit-Verhandlungen mit der EU zu stärken. Umfragen zufolge könnte dieses Kalkül aber nicht aufgehen und eine unklare Mehrheit im britischen Parlament herauskommen. May will am 19. Juni mit den Brexit-Verhandlungen beginnen.

"Ich freue mich, so bald und so intensiv wie möglich mit der neuen britischen Regierung zusammenzuarbeiten - an erster Stelle beim Brexit", sagte Flanagan. Die neue britische Regierung müsse aber auch frühest möglich an der Bildung einer neuen nordirischen Regionalregierung arbeiten, forderte der irische Außenminister: "Die Institutionen gemäß Machtteilung im Einklang mit dem Karfreitagsabkommen müssen wiederhergestellt werden."

Laut Vereinbarung müssen die jeweils stärksten Parteien aus beiden konfessionellen Lagern in Nordirland eine Koalition bilden. Die bisherige Koalition zwischen der katholisch-republikanischen Sinn-Fein-Partei und der protestantisch-unionistischen DUP zerbrach im Jänner im Streit. Aus den darauf folgenden Wahlen am 2. März ging Sinn Fein gestärkt hervor und konnte bis auf einen Parlamentssitz zur DUP aufschließen. Die Bildung einer neuen Koalition scheiterte bisher aber.

Kurz schloss sich an, dass die irisch-nordirische Grenzfrage gelöst werden müsse. Zugleich betonte er: "Es ist im Interesse aller 27 (verbleibenden EU-Staaten), nach dem Brexit eine gute Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich zu haben."

Flanagan beglückwünschte Kurz auch vor den Journalisten im Namen der irischen Regierung und der regierenden Fine-Gael-Partei, die wie die ÖVP zur Europäischen Volkspartei (ÖVP) gehört, zu dessen Kür zum ÖVP-Bundesobmann.

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