Leitartikel
Hättest du doch geschwiegen
Wie ein aus der SPÖ kommender Verfassungsrichter der FPÖ dabei hilft, den Rechtsstaat zu unterminieren
Alle sagen, der Johannes Schnizer, das ist ein ausgesprochen kluger Kopf, ein exzellenter Jurist, unter den Richtern am Verfassungsgerichtshof einer der besten, wenn nicht der beste. Doch dann gibt Schnizer plötzlich Interviews. Dass er als einfaches Mitglied des Verfassungsgerichtshofes die Entscheidung desselben, die Bundespräsidentenstichwahl aufzuheben, öffentlich verteidigt, ist für Österreich ungewöhnlich, bleibt aber im Rahmen.
Doch dann wird Schnizer geschwätzig: Er gibt seinen „Eindruck“ wieder, die FPÖ hätte die Anfechtung von langer Hand geplant für den Fall, dass ihr Kandidat, Norbert Hofer, verlieren sollte. Beweise legt er keine vor, die Indizien sind nicht wahnsinnig stichhaltig. Die FPÖ tobt und stilisiert sich wieder einmal zum Opfer des „Systems“, wie sie es nennt.
Si tacuisses, philosophus mansisses, wie es im Lateinischen heißt. Hättest du geschwiegen, hätte man dich weiterhin für einen Philosophen gehalten.
Die Freiheitlichen arbeiten seit Jahrzehnten daran, den Rechtsstaat zu unterminieren. Auf den Verfassungsgerichtshof hat es die FPÖ besonders abgesehen. Passte dem mittlerweile verstorbenen Parteichef Jörg Haider ein Urteil nicht – und es passten ihm viele nicht –, beschimpfte er wahlweise das Gericht („Islamistenlobby“) oder den damaligen Präsidenten („Wenn einer schon Adamovich heißt, muss man sich fragen, ob er eine aufrechte Aufenthaltsberechtigung hat“). Ziel solcher Attacken war und ist es, staatliche Institutionen so lange zu diskreditieren, bis das Volk mehrheitlich nach einem Anführer, einem starken Kanzlerpräsidenten verlangt. Denn die anderen, die Demokratie-Kasperln, die bringen ja nichts zusammen. Nicht einmal Kuverts können sie gescheit zupicken.
Nun hat Schnizer der FPÖ in die Hände gespielt. Natürlich nicht absichtlich, in seinen Interviews erzählt er als Draufgabe ja auch noch, dass er Ende Mai Alexander Van der Bellen gewählt habe und dies Anfang Dezember wieder tun werde. Da hätte er sich gleich einen Zettel auf den Rücken heften können, auf dem steht: „Ich will ein Feindbild der FPÖ sein, bitte, bitte! Alle auf mich!“
Hoffentlich konnte sich Schnizer damit wenigstens bei befreundeten Verfassungsjuristen und linken Intellektuellen rehabilitieren, denn seine Karriere als Verfassungsrichter nahm schweren Schaden. Keine 48 Stunden nach dem „ZIB 2“-Interview musste er sich bei einer Verhandlung, bei der die Tiroler FPÖ eine Rolle spielt, für befangen erklären und vertreten lassen.
Auch dem brillantesten Kopf unterläuft einmal ein Fehler im Umgang mit Medien, könnte man einwenden. Schnizer arbeitete jedoch lange im Parlament, war Kabinettschef eines Bundeskanzlers, er kann nicht überrascht sein über die Wirkung seiner Worte.
Eines ist Schnizer gelungen: Er lenkte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wieder auf die Frage, warum die FPÖ-Spitze den ersten Wahlgang nicht anfocht, vor der Stichwahl vor möglichen Ungereimtheiten warnte, die von der Partei nominierten Wahlbeisitzer und -zeugen mit einer einsamen Ausnahme bei der Auszählung der Briefwahlstimmen aber nicht Alarm schlugen. Bemerkenswert ist auch, dass die FPÖ sagt, sie werde Schnizer dafür nicht verklagen.
Dieses Thema anzuheizen wäre freilich ein Job für PR-Berater, nicht für einen Verfassungsrichter.