Masken - "Es geht nicht nur um den eigenen Schutz"

Infektiologe Heinz Burgmann über den Sinn von Masken und die zunehmende Sorglosigkeit vieler Menschen

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Seit Wochen liegt die Zahl der Neuinfektionen in Österreicher immer wieder im kritischen dreistelligen Bereich. Doch je größer die Zunahme, desto schwieriger wird es, Kontaktpersonen und damit potenziell Infizierte ausfindig zu machen.

Urlaubsreisen verschärfen die Situation zusätzlich, da nicht mehr festgestellt werden kann, wo genau sich ein Erkrankter mit Sars-CoV-2 angesteckt hat. Um einen weiteren Anstieg der Fallzahlen zu verhindern, verschärfte die Regierung die Maßnahmen wieder. So muss künftig österreichweit in Supermärkten, Banken und Post-Filialen ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, und die Grenzkontrollen werden verstärkt. Kurz zuvor begannen bereits Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel, etwa ÖBB und Wiener Linien, Masken-Verweigerer zu strafen.

© News/Matt Observe

Heinz Burgmann, Infektiologe am Wiener AKH, über die wieder eingeführten Maßnahmen und darüber, warum Österreichs einstiges Vorbild Israel bereits mit einer zweiten Welle zu kämpfen hat.

News: Israel galt immer als Vorbild Österreichs. Nun gibt es dort bereits eine zweite Welle mit über 2.000 Neuinfektionen pro Tag. Warum ist die Situation in Israel mittlerweile so viel schlechter als bei uns?
Heinz Burgmann: Was man anhand der Zahlen und Daten sieht, ist, dass in Israel seit Ende Mai die Infektionsraten deutlich steigen. Es sind vor allem jüngere Leute, die sich in Israel infizieren. Das zeigt: Das Virus ist nicht weg. Mit dem Lockdown konnte zunächst die Ausbreitung unterbrochen werden, aber nach den Lockerungen wurden viele Menschen nachlässig. Die Maßnahmen wurden nicht mehr so umgesetzt, die Menschen waren zu eng beisammen, und das Virus begann wieder zu zirkulieren. In Israel wurde eine Zeitlang auch kaum getestet, da konnte sich das Virus unbemerkt verbreiten.

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Ist es möglich, dass die Situation in Österreich bald jener in Israel ähneln wird?
Natürlich kann sich die Lage bei uns auch verschlechtern, wenn die Maßnahmen zu leger gehandhabt werden. Auch klar ist, dass mit der Zahl der sozialen Kontakte die Wahrscheinlichkeit einer Infektion steigt. Wichtig wäre, dass die täglichen Neuinfektionen unter 100 bleiben. Dann ist Contact Tracing möglich. Steigt diese Zahl, wird das unmöglich, und das Virus kann sich schnell ausbreiten. Mittlerweile funktioniert das Contact Tracing bei uns sehr gut, und so können Cluster sehr schnell wieder trockengelegt werden.

Warum gibt es in Israel zwar sehr viele Infizierte, aber nur relativ wenige Menschen müssen ins Spital oder sterben am Coronavirus?
Das liegt an der Bevölkerungsstruktur. Die ist in Israel anders als bei uns, und sehr viele junge Menschen erkranken. In Italien etwa ist die Situation eine andere. Da leben drei Generationen unter einem Dach. Bringt das Enkerl das Virus nach Hause und steckt die Oma an, erkrankt diese oft schwer oder stirbt sogar. Denn die meisten Ansteckungen passieren im privaten Umfeld.

Die Infektionszahlen liegen auch in Österreich seit einiger Zeit immer wieder über 100...
Sie können auch einmal höher sein, wenn etwa in einem Cluster 50 Personen erkranken. Entscheidend ist immer die schnelle Nachverfolgung. Je rascher die Kontaktpersonen, die sich möglicherweise angesteckt haben, gefunden werden, desto besser.

In Österreich halten sich viele Menschen nicht mehr an den empfohlenen Mindestabstand. Kann man sagen: Österreich hat bisher einfach Glück gehabt, dass die Fallzahlen nicht noch höher sind?
In gewisser Weise ja. Aber das Contact Tracing funktioniert in bei uns mittlerweile sehr gut. Allerdings wird es schwierig, wenn bei Einzelnen das Verständnis für die Maßnahmen nicht mehr da ist. Auch bei uns erkranken derzeit mehr junge Leute. Und einige von ihnen auch schwer. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf geringer als bei älteren Menschen, aber sie ist nicht null. Doch es geht nicht nur um den eigenen Schutz, sondern jeder ist dafür verantwortlich, dass das Virus nicht weitergegeben wird.

Macht die Wiedereinführung der Maskenpflicht für Sie Sinn?
Ja, dort, wo der Abstand nicht eingehalten und die Luft nicht zirkulieren kann und wenn mehrere Menschen gemeinsam in einem Raum sind. Das Virus wird durch Tröpfchen und Aerosole übertragen, und es kann jeden treffen. Tragen beide Maske, reduziert sich das Infektionsrisiko um 80 Prozent. Das Problem ist: Ein Infizierter ist nicht erkennbar, da er schon Tage vor dem Auftreten der ersten Symptome ansteckend ist. Die Maske macht aber nicht nur im Supermarkt Sinn, sondern zum Beispiel auch bei Meetings mit mehreren Personen in Büros.

»Ich schließe nicht aus, dass sich Dutzende Menschen in einem Flugzeug anstecken werden«

Fürchten Sie, dass durch Urlaubsreisen die Infektionszahlen Ende des Sommers noch stark ansteigen werden?
Natürlich befeuert das Unterwegssein das Virus. Im Sommer sind die Menschen viel draußen. Da ist die Gefahr geringer als indoor. Aber auch im Urlaub gilt: Abstand halten und Menschenansammlungen meiden.

Beim Fliegen ist es nicht möglich, Abstand zu halten. Wie groß ist da die Gefahr einer Ansteckung?
Das war die große Diskussion, und mittlerweile weiß man, das mit den Filtern stimmt so nicht ganz. Denn sie tauschen die Luft nur alle paar Minuten aus. Sitzt etwa ein Infizierter im Flieger, und die Stewardess geht mit dem Essenswagen durch, verteilen sich die Viren äußerst gut. Es gibt Berichte und Versuche, die gezeigt haben, dass trotz Filter Ansteckungen möglich sind. Zwar hat es bisher die ganz großen Übertragungen noch nicht gegeben, aber ich schließe mit zunehmender Reiseaktivität nicht aus, dass eine Ansteckung von Dutzenden Menschen in einem Flugzeug vorkommen wird. Allerdings ist es auch am Flughafen mit dem Abstand schwierig und die Gefahr einer Ansteckung hier gegeben.

Gibt es Länder, die derzeit als Vorbild für Österreich dienen könnten?
Nein. Es läuft bei uns derzeit ganz gut. Aber wir müssen uns auf den Herbst vorbereiten, wenn Infektionen mit ähnlichen Symptomen auftreten. Wir haben im Augenblick nur eine Pause, in der entsprechende Maßnahmen bezüglich Schulunterricht oder Kulturveranstaltungen entwickelt werden müssen. Denn so schnell kommt kein Impfstoff, und daher müssen wir uns gut auf die nächsten Monate vorbereiten.

Dieses Interview erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 30/20

Kommentare

Die Maskenpflicht hätte automatisch bis Ende des Jahres "überall" zur Pflicht gehört! Auf Eigenverantwortung zu setzen ist grob fahrlässig, denn viele (vor allem Junge!!) haben sich von Beginn an nicht daran gehalten! Die meisten wissen ja nicht einmal wieviel 1,5 Meter sind! Denen müßte man einen Maßstab mitgeben, denn sie haben in der Schule geschlafen! Dummköpfe wohin man schaut!!!

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