Airbag für Ski-Asse vor Premiere:
Neuerung bringt aber auch Kritik

Ab Jänner ist "D-air" erlaubt - Aerodynamische Nachteile nur ein Grund für Skepsis

Seit dem Horrorsturz von Hans Grugger im Jänner 2011 auf der Kitzbüheler Streif tüftelt man im alpinen Ski-Weltcup intensiv an der Einführung des Airbags. Vier Jahre später steht das Projekt nun vor der Umsetzung. Im Rahmen der letzten beiden Abfahrten des Jahres in Gröden und Santa Caterina läuft in den Trainings die letzte Testphase, ab Jänner 2015 darf das "D-air"-System im Rennen getragen werden.

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Ski Alpin - Airbag für Ski-Asse vor Premiere:
Neuerung bringt aber auch Kritik

Olympiasieger Matthias Mayer und Co. könnten damit bereits bei den Klassikern in Wengen (17. Jänner) und Kitzbühel (24. Jänner) die vom Motorradsport abgekupferte und rund 800 Gramm schwere Sicherheitsinnovation tragen. Allerdings nur, wenn sie wollen. Denn ab Wengen können die Athleten die Airbags, die sich im Notfall bei Kontrollverlust innerhalb von hundert Millisekunden aufblasen, auf freiwilliger Basis auch im Wettkampf benutzen. Dementsprechend sind noch einige entscheidende Fragen offen.

Aerodynamik verändert?

Vor allem jene, ob der Airbag-"Buckel" am Rücken des Athleten aerodynamische Nachteile oder vielleicht sogar Vorteile bringt. Wenn es nach "D-air"-Hersteller Dainese geht, dann soll sich diese Frage gar nicht stellen. "Unser Ziel ist es, dass der Airbag neutral ist. Das heißt, dass er weder Vor- noch Nachteile bringt. Bis Wengen wollen wir das schaffen", sagte Dainese-Vertreter Marco Pastore in Gröden im Gespräch mit der APA. Zu diesem Zweck wurde sogar im Ferrari-Windkanal in Maranello getestet.

In Gröden hat Dainese zwölf Prototypen des Luftsacks dabei, die in den Trainings getestet werden können. In Wengen hofft Pastore - sehr optimistisch - auf bis zu 25 Athleten, die den "D-Air" tragen werden. Pastore ist sich nämlich sicher, dass das System dank jahrelangem Datensammeln mittlerweile perfekt unterscheiden kann, ob es sich um einen normalen Sprung oder einen bevorstehenden Crash handelt. Fehlauslösungen seien trotz Befürchtungen einiger Athleten nicht zu erwarten.

ÖSV testet in Gröden noch nicht

Die ÖSV-Abfahrer hatten eigentlich vor, den Airbag schon im Mittwoch-Training zu testen. Da aufgrund der prekären Schneelage auf der Saslong-Strecke eventuell aber nur ein Training über die Bühne gehen wird, wollen die Österreicher dieses mit dem gewohnten Material absolvieren und auf einen Einsatz verzichten. Die Österreicher wollen das "D-Air"-System dann bei nächster Gelegenheit bei ÖSV-Trainings abseits des Weltcups testen.

"Dieser Airbag soll und wird kommen. Und zwar nicht nur in den Rennen, sondern auch in den Sommertrainings", meinte ÖSV-Speed-Chef Florian Winkler. "Wir stehen der Sache alle miteinander sehr positiv gegenüber." Allerdings glaubt Winkler, dass es eben noch einige Zeit dauern wird, bis der Großteil der Athleten das letzte Vertrauen in den Airbag entwickelt und diesen dann auch in den Rennen trägt. Die Kosten sollen pro Stück zwischen 1.500 und 2.000 Euro betragen.

Fehlender Kopfschutz kritisiert

Kommt es zu einem Crash, soll der Airbag mehr als 60 Prozent der Aufprallwucht absorbieren. Dass der Airbag zwar den Oberkörper, aber nicht entscheidend den Kopf schützt, stellt für manche Piloten die Sinnhaftigkeit für den Skirennsport infrage. Schließlich haben Grugger, Daniel Albrecht und Scott McCartney bei ihren wilden Stürzen allesamt Schädel-Hirn-Traumata erlitten.

Wer den Airbag in Wengen benutzen möchte, muss dies laut Pastore aus organisatorischen Gründen wohl spätestens bis Ende Dezember melden. Im Falle des ÖSV-Teams scheint das auf jeden Fall unrealistisch. Denn die Österreicher sind zwar schon in den Anzug samt Airbag geschlüpft und grundsätzlich positiv gestimmt, sind damit allerdings noch nicht skigefahren.

Kritische Blicke aus der Schweiz

Auch in der Schweiz mehren sich kritische Stimmen. Beat Feuz etwa stellt im "Blick" die richtige Auslösung in Frage: "Das System ist angeblich mit fünf Sensoren ausgestattet. Wenn drei davon auf einen Sturz deuten, soll es auslösen." Stabilisiert sich ein Athlet gerade noch rechtzeitig, könnte der Airbag schon längst aktiv geworden sein. Und dann könnte der Läufer aufgrund des Schocks ob des lauten Knalls doch ins Netz fliegen.

Jörg Roten, Trainer der Schweizer, sieht auch in den Anforderungen an die schnellen Rennanzüge ein Problem. "Wir haben im Sommer im Windkanal getestet. Deshalb müssten unsere Rennhäute zuerst angepasst werden, damit das 27 Millimeter dicke Ding überhaupt Platz im Anzug hätte." Ein weiterer Grund also, warum es mit der Etablierung des neuen Sicherheitsstandards wohl doch noch dauern wird.

Reichelt und Jansrud für Airbag

Kitzbühel-Sieger Hannes Reichelt hat den Airbag in Gröden am Dienstagabend im ÖSV-Teamquartier zur Probe angelegt und war begeistert. "Bei mir sitzt er perfekt, dieser Airbag ist eine ganz wichtige Sache", sagte Reichelt.

Auch Kjetil Jansrud, der bisherige Speed-Dominator in diesem Winter, bezeichnete das Projekt als "sehr interessant". Ebenso interessant werde es sein, ab wann sich der Airbag durchsetzen wird. "Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder jemand stürzt mit dem Airbag schwer und verletzt sich nicht, dann werden ihn alle tragen. Oder es stürzt jemand ohne Airbag und verletzt sich, dann werden ihn auch alle tragen. Leider muss vorher immer etwas passieren."

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