ORF. Wie wir es uns richten

Leitartikel: Eva Weissenberger über den Einfluss der Politik auf den ORF

von Eva Weissenberger (Editorial) © Bild: NEWS/Ian Ehm

Was zuletzt geschah: Die ORF-Redakteure warnten öffentlich davor, dass es in dem guten halben Jahr bis zur Bestellung der künftigen Geschäftsführung zu "politischen Tauschgeschäften und Absprachen bei der Bestellung von zukünftigen Führungskräften“ kommen könnte.

Und versäumen Sie nicht die nächste Folge in der öffentlich-rechtlichen TV-Serie: ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wird wohl in den nächsten Wochen bekannt geben, dass er für eine weitere Amtszeit zur Verfügung steht.

ORF. Wie wir - es uns richten. Gemeint ist die Politik. Die Redakteurssprecher wissen, wovon sie reden, es war noch bei jeder ORF-Wahl so. Und wird auch nächsten Sommer so sein. Das ist nicht die Schuld Wrabetz’. Hier gilt der Spruch: Don’t hate the player, hate the game. Schlag nicht den Sack, wenn du den Esel meinst. Anders gesagt: Wer da nicht mitspielt, kommt nicht einmal in die Nähe der Chefetage am Wiener Küniglberg. Die Politik, allen voran die jeweils regierenden Parteien, haben kein Interesse daran, dies zu ändern. Der legendäre, heuer verstorbene ORF-Generalintendant Gerd Bacher sagte einmal: "Die Politiker interessiert nicht, wie es dem ORF geht, sondern nur, wie es ihnen im ORF geht.“ Das gilt heute wie damals.

Man darf nicht einmal auf die Opposition hoffen. Nur die Neos sind hier frei von Schuld - noch.

Nach dem Leitartikel von letzter Woche mahnten Leser einen Lösungsvorschlag oder wenigstens einen Funken Hoffnung ein. Ein Problem nur zu benennen und zu kritisieren, das sei zu wenig. Nun, man muss nicht gleich die Sinnhaftigkeit eines öffentlich-rechtlichen Medienhauses in Österreich überdenken. Man könnte zuerst die Zusammensetzung des Aufsichtsorgans, des ORF-Stiftungsrats, ändern oder die Art, wie er beschickt wird, oder die Stiftungsräte für ihr Handeln zur Rechenschaft ziehen; den Generaldirektor auf unbestimmte Zeit bestellen; die Auswahlverfahren für Spitzenjobs im Rundfunk transparent machen.

ORF-Reformen gab es freilich schon viele. Nach 1967, als die damalige ÖVP-Alleinregierung den Schwitzkasten als Folge des von mehreren Tageszeitungen getragenen Rundfunkvolksbegehrens etwas gelockert hatte, brachte aber kaum eine Gesetzesänderung tatsächliche Verbesserungen. Die Redaktionen kamen dabei meist vom Regen in die Traufe.

Trotzdem genießen die Redakteurinnen und Redakteure des ORF heute weit mehr Freiheiten als vor bald 50 Jahren, natürlich sendet der ORF deutlich mehr Journalismus und viel weniger Propaganda als seinerzeit. Das liegt an Ihnen, dem werten Publikum, und an der Konkurrenz: In Zeiten, in denen sich jeder jederzeit jede Information aus dem Netz fischen kann (und jene, die das Gegenteil besagt), in Zeiten, in denen sich jeder jederzeit via Social Media öffentlich zu Wort melden kann (und sei seine Meinung auch noch so jenseitig), in denen die Produktion von Bewegtbild so billig und einfach ist, dass sie jeder Schüler zusammenbringt, in diesen Zeiten werden die Bürger mündiger und lassen sich nicht mehr mit Regierungs-PR abspeisen. Andernfalls schalten sie einfach um. Es liegt an Ihnen. An uns. ORF. Wie wir.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: weissenberger.eva@news.at

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