Flucht: "Für junge Männer
sollte man dankbar sein"

"Last Shelter"-Regisseur Gerald Igor Hauzenberger im Interview über Flucht und Asyl

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Fakten - Flucht: "Für junge Männer
sollte man dankbar sein"

News.at: Herr Hauzenberger, „Last Shelter“ entstand ja zum Großteil vor der aktuellen Flüchtlingssituation. Was denken Sie sich heute, wenn Sie Ihren Film ansehen?
Gerald Igor Hauzenberger:
Eigentlich war die damalige Protestbewegung ein Preludium zur gegenwärtigen Flüchtlingssituation. Der Film zeigt, welche großen Probleme es in Asylzentren mit ein paar Tausend Menschen gibt und was passiert, wenn die in den Protest gehen. Das war die Situation 2012 und das hätte sich 2015 in Traiskirchen sicher wiederholt, wenn nicht mittlerweile das Durchgriffsrecht eingesetzt hätte. Im Sommer haben die AsylwerberInnen auch gesagt, für uns ist das wichtigste Recht nicht mehr das auf ein faires Asylsystem, sondern das „Right to be transferred“, also das Recht, endlich woanders hinzukommen.

An einer Stelle im Film sagt einer der Flüchtlinge, „die Behörden machen uns zu Kriminellen und Terroristen.“ Was läuft da in der Kommunikation zwischen Behörden und Flüchtlingen schief?
Man muss Menschen im Asylverfahren den Eindruck vermitteln, dass die Situation in ihrem Herkunftsland ausreichend erforscht wird und sich das auch im Asylbescheid widerspiegelt. Wenn sich die Menschen aber nicht ernst genommen bzw. ungerecht behandelt fühlen, bekommt man ein Problem. Wenn du zum Beispiel aus einer Region im Norden Pakistans kommst, in der sie dein Haus niedergebombt haben, weil du einer religiösen Minderheit entstammst, du aber nach wenigen Wochen einen negativen Asylbescheid bekommst, ist das persönlich schwer nachvollziehbar.

Last Shelter
© Stadtkino Filmverleih Die Polizei wollte die Votivkirche gleich zu Beginn räumen

Wie können solche Frustrationen verhindert werden?
Entscheidend ist die Frage der Staatendokumentation, also ebendieser Erforschung der Situation in den Herkunftsländern. Man muss viel schneller aktualisieren, wo es aktuell Krisensituationen gibt. Und man muss über einzelne Dörfer wissen, wie die Situation dort ist. Dschihadkämpfer ziehen ja herum, immer dorthin, wo der wenigste Widerstand wartet. Und dort terrorisieren sie dann die Bevölkerung.

Ist das denn realistisch, Staatendokumentationen bis hinein ins letzte Dorf zu erstellen?
Das ist natürlich ein extremer Aufwand, auch wenn es mittlerweile viel besser geworden ist. Man muss sich vorstellen, in Österreich sitzt eine Abteilung mit etwa einem Dutzend Leuten und die muss für die ganze Welt bestimmen, wo Krieg herrscht und wo nicht. Für die ist das natürlich eine unglaubliche Aufgabe. Darum wäre es sehr wichtig, dass die europäischen Asylbehörden bei den Staatendokumentationen zusammenarbeiten. Denn so wie es jetzt ist, dass alle Staaten diesen Aufwand betreiben und die Ergebnisse dann noch unterschiedlich auslegen, geht es nicht. Denn das ist den Geflüchteten gegenüber nicht fair.

Wichtig sind aber auch Resettlement-Programme: Man muss schauen, wo Krieg herrscht und dann versuchen, die Leute so schnell wie möglich aus diesen Krisenzentren nach Europa zu bringen. Einer der schiitischen Flüchtlinge erzählt, in seinem Bezirk sind mittlerweile 12.000 Menschen zum „Islamischen Staat“ gegangen. Die Schiiten sind eigentlich die Opfer des IS, kämpfen aber trotz der Gefahr, enttarnt und getötet zu werden auf deren Seite, damit sie ihrer Familie irgendetwas geben können, weil ihre Dörfer komplett zerstört wurden und es sonst Null gibt.

Haben Sie eigentlich Verständnis für die häufig zu hörende Kritik, dass vorwiegend junge Männer flüchten?
Meine These ist, dass man dem Krieg die jungen Männer entziehen muss. Deshalb sollte man dankbar sein, wenn viele junge Männer zu uns kommen anstatt sich zu radikalisieren. Im zweiten Schritt muss man aber schauen, dass sie schnell eine sinnvolle Beschäftigung bekommen. Damit sie merken, dass sie eine echte Chance haben und nicht nur einem System kafkaesk ohnmächtig ausgeliefert sind. Dann werden sie sich nicht nur anpassen, sondern sie werden auch reifen. Wenn wir sie aber ohne Ausbildung in irgendwelchen Lagern lassen, ohne Chance auf Beruf und Karriere, werden sie sich unter Umständen radikalisieren, das ist klar. Im ungarischen Rözske haben die Salafisten schon auf die Flüchtlinge gewartet und versucht, sie in ihre Moschee zu locken. Man muss die Leute also relativ schnell in Integrations-Schnupperkurse bringen und sie fragen: Was wollt ihr lernen, was habt ihr mit eurem Leben vor? Denn dadurch sind sie schon im Asylverfahren beschäftigt. Auch mit sich selbst, was auch ganz gut ist.

Last Shelter
© Stadtkino Filmverleih Die Flüchtlinge traten mehrfach in den Hungerstreik

In einem Punkt bin ich durch die Dreharbeiten aber auch konservativer geworden: Man muss von Anfang an religiöse Toleranz verlangen. Es kommen Verfolgte, es kommen aber auch die Menschen, die sie verfolgt haben. Das Wesentliche ist nun, dass sie hier keine Stellvertreterkriege beginnen. Dass sie nicht die Feindbilder weiterleben, die in ihrer Kultur aufgebaut wurden. Darum muss man das Feuer und den Eifer, die teilweise in religiösen Schriften transportiert werden, durch zeitgemäße Interpretation entschärfen.

Kann man bei so einem Projekt eigentlich noch Distanz zu den Menschen wahren, die man dokumentiert?
Es ist wichtig, keine Komplizenschaft einzugehen, sondern einen kritischen Dialog zu führen. Ich war zum Beispiel einer von den wenigen, der lesen wollte, was in den Asylbescheiden geschrieben stand. Und ich habe von Anfang an gesagt: dass ich keinen eindimensionalen ideologischen Film machen möchte, der nur schwarz-weiß Bilder hervorbringt. Ein politischer Film muss ein breiteres Spektrum aufmachen. Der soll auch zeigen, was mit Menschen passiert, die im Kampf sind, die sich selbst als Revolte, als revolutionären Aufruhr sehen. Und die natürlich auch Fehler machen und auch einmal zu weit gehen.

Auch die Rolle der Caritas ist nicht unumstritten. An einer Stelle des Films sagt ein Flüchtling, „die Caritas will uns nur kontrollieren.“ Wie viel Wahrheit steckt in dieser Wahrnehmung?
Die Caritas macht sehr wichtige Flüchtlingsarbeit, bekommt aber natürlich die meisten Gelder vom Innenministerium. Das heißt, sie ist auch in Entscheidungsprozesse eingebunden. Von daher war der Draht zwischen Caritas und Flüchtlingen ständig angespannt, weil die Flüchtlinge gesagt haben, wir möchten unser freies Leben leben. Die Caritas hat sie demgegenüber sehr paternalistisch behandelt. Die Kritik der Bevormundung war also sicher berechtigt, ich glaube aber, dass auch die Caritas viel aus der Geschichte gelernt hat, was Krisen- und Konfliktvermittlung betrifft.

Gerald Igor Hauzenberger
© Stadtkino Filmverleih Kritischer Dialog statt Komplizenschaft: Regisseur Hauzenberger

Gibt es noch weitere Folgen der Votivkirchen-Besetzung?
Ich glaube, dass es viel Positives bewirkt hat. Alle Beteiligten haben voneinander gelernt. Zum Beispiel war die Wiederaufnahme einiger Asylverfahren durch das Innenministerium sicher sehr positiv. Vor allem hat man aber systemisch viel darüber gelernt, wie man mit Protest umgeht und wie man verzweifelten Menschen angemessen gegenübertritt. Es braucht einen Krisenstab, der eine gemeinsame und deeskalierende Politik verfolgt. Teils gab es vor der Votivkirche eine bewusste extreme Eskalation, hervorgerufen durch wenige Hardliner. Dass bei dieser Zuspitzung keiner in Folge eines Hungerstreiks gestorben ist, ist reiner Zufall.

Last Shelter
© Stadtkino Filmverleih

Last Shelter
Regie: Gerald Igor Hauzenberger
A 2015
103 Minuten
VÖ: 27.11.2015

Kommentare

Gerri melden

Viel dümmer geht's ja jetzt wirklich nicht mehr...junge Männer rein??? Diese Aussagen von offensichtlich hohlköpfigen Menschen müssten sofort gelöscht werden! Ich empfehle diesen Leuten Mal nach D zu gehen... meine Bekannte traut sich ab 18:00 Uhr icht mehr aus dem Haus.. aber das wird ja alles totgeschwiegen! In diesen Kriegslänern zählt eine Frau...nichts... und hier?für diese jungen Männer?

neusiedlersee melden

1) Syrische Muslime denken+leben anders. Das wird sich auch bier nicht ändern, auch nicht innerhalb der nächsten Generationen.. Jedenfalls bei 99,9% nicht.
2) Türken holen Bräute a.d. Türkei. Es wird i.d. extrem konservativen +nur von Religion geprägten Gesellschaft nicht anders sein.
Mit einer solchen Gesellschaft gibt es kein Zusammenleben. Beispiel Paris, Vororte Damit bleibt uns der Untergang

Nudlsupp melden

Der Untergang wird ein anderer sein. Wir legen auch ohne Zuwanderung und ohne Asyl uns und unseren kommenden Generationen so viele Tretminen in den Weg, daß wir bald schon nicht mehr ausweichen können werden, und irgendwo drauftreten.

neusiedlersee melden

Gemeinsam sollten wir den Untergang schneller schaffen.

Ivoir
Ivoir melden

Frei nach dem Motto: "Gestern standen wir noch vor einem Abgrund, heute sind wir schon einen großen Schritt weiter!"

Michael Schmithausen
Michael Schmithausen melden

Also dümmer geht es in meinen Augen wirklich sehr sehr schwer. Nichts kapiert und lieber weiter Erpressen lassen von den Zuwanderern. Man sollte eventuell mal das Augenmerk auf die eigene arme Bevölkerung richten und nicht probieren die Jungen Männer welche zu 1000 ankommen willkommen zu heißen. Aber wie sagte Kara Mustafa seinerzeit, die dritte wird gelingen.

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Wenn es um die eigene arme Bevölkerung ging, gäbe es viel effizientere Stellschrauben. Ca. 1000 Milliarden Euro Steuerhinterziehung jedes Jahr in der EU beispielsweise. Damit könnte man vielen helfen. Interessiert es jemanden? Nein, weil es zu wenig polarisiert und nicht geeignet ist Dampf abzulassen. Schauen Sich sich unser Budget und unsere Verschuldung an... das sagt schon alles.

neusiedlersee melden

Die wahren Zahlen über Österreichs Verschuldung kennt niemand. Denn es gibt keine Gesamtstatistik. An die 1.000 Milliarden kommen wir heran. Wir können ruhig und konsequent weiter Kredite aufnehmen. Niemand wird die mehr zurückzahlen können. Da spielen die paa Milliarden f.d. Zu- und Durchwanderer keine Rolle.

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Natürlich werden die Kredite mal zurück bezahlt. Im worst case im Rahmen einer Währungsreform, bei der alle Sparguthaben de facto entwertet werden, und Immobilieneigentümer mit einer Strafsteuer belegt werden. Das wäre nicht das erste Mal in der Geschichte des Geldes. Die Rechnung zahlt immer wer... selbst bei unsinnigen Erfindungen wie schuldgeschöpftes Giralgeld.

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Im best case, geht es über eine erhöhte Inflation, aktuell werden die Guthaben kaufkraftbereinigt ja auch schon weniger. Zahlen tun wir es alle so oder so.

Lautgedacht melden

Wenn Menschen andere als Ungläubige betrachten, dann mutet es schon sehr seltsam an, diese um Hilfe und Unterstützung zu bitten oder besser gesagt zu fordern.

neusiedlersee melden

FORDERN! Das sollt sich jeder merken, der mit Bananen und Mannerschnitten bewillkommnet.
Er wird bald selbst nicht mehr in der Lage sein diese zu kaufen.

Martin Kraemer

Was soll dieser Film bezwecken, außer, dass er zu einer weiteren Polarisierung in der Bevölkerung beiträgt? Das, was vor drei Jahren in der Votivkirche passiert war, ärgert noch heute viele Österreicherinnen und Österreicher-warum wird dieses Thema daher gerade jetzt wieder aufbereitet? Auch so etwas könnte man als Hetze, besser als Aufhetze bezeichnen.....gaaanz schlechter Zeitpunkt

"Integrations-Schnupperkurse".........toller Lösungsvorschlag !!
Wie stark müssen all diese Gutmenschen doch an Hirnschwund leiden wenn sie das alles wirklich glauben ?? Oder sie werden damit reicher und reicher durch staatliche Förderung (= Steuergeld).
Reine Linkspropaganda............

ach ja.... DER film für alle linken :D die freuen sich eine goldene nase ab :D :D

undnoch was: es gibt aktuell KEINE industrie, die MEHR geld umsetzt als die asylindustrie. das problem dabei: WIR ALLE zahlen die. denn wo bleibt der gewinn?? es werden millionen hineingesteckt-und was kommt dabei raus? vielleicht, aber nur vielleicht, ein paar gut integrierte. aber keinesfalls tausende, die das auch wollen.und was sollen diese menschen arbeiten? wieviel haben wir gleich?????

..... die damalige protestbewegung wurde von einigen menschn in gang gebracht, die IMMER NOCH die moralische deutungshoheit haben. wann kapiert das endlich wer?und sorry .... es interessiert mich nicht, was am anderen ende der welt passiert, man möge die probleme bitte dorthin verfrachten, wo sie hingehören->zu denen, die kriege BEGINNEN!!! ich bin daran nicht schuld

Jene die immer wieder behaupten: "Das Boot ist noch nicht voll" verdienen sich mit Flüchtlinge eine goldene Nase. (Oder glaubt jemand die NGO´s machen das alles gratis?)

11223344 melden

sicher, aber nur für die unternehmer. diese typen bringen den arbeitsmarkt um denn die hackeln für viel weniger als ein österreicher und die sind dann weiterhin arbeitslos. es leben die flüchtlinge und deren relegion

Elcordes melden

Bravo vollkommen richtig. Wir wollen diese Typen nicht. Wann werden unsere Regierungsbonzen das endlich verstehen.

christian95 melden

Stimmt schon: 75% der Flüchtlinge sind junge Männer - und nicht wie unsere Medien immer wieder auf Fotos zeigen, - Mütter mit Kindern.
Für jeden dieser jungen Männer kann man den Faktor 5 (oder höher) nehmen. Sie haben das Recht ihre gesamte Familie nachzuholen.

Oberon
Oberon melden

@christian95, stimmt, Frauen und Kinder sind bei den Flüchtlingen nach wie vor in der Minderheit. Inzwischen kommt mir sogar der Gedanke, dass in den Medien, um Mitleid zu erregen, gezielt Bilder von Frauen und Kindern gezeigt werden. Wenn kleine Kinder weinen, dann muss es nicht mit den gegebenen Umständen zu tun haben, es können auch andere Gründe sein. Wirksam sind die Bilder auf jeden Fall.

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