Angela Merkel ist neue deutsche Kanzlerin: Machtkampf um Große Koalition entschieden.
Schröder gibt auf: Rückzug aus der Politik!

<b>Union, SPD einig:</b> Konsens bei Gipfeltreffen erzielt. <b>Amts-Poker:</b> SPD bekommt acht Ministerposten!

Die Union (CDU/CSU) hat sich im Machtpoker mit der SPD durchgesetzt und den Weg für Angela Merkel als erste deutsche Bundeskanzlerin freigemacht. Beide Seiten vereinbarten am Montag in Berlin die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen, die kommende Woche beginnen und bis zum 12. November dauern sollen. Die SPD erhält in der neuen Regierung acht Ministerien, die Union neben dem Kanzleramt und Kanzleramtsminister sechs Ressorts.

Der bisherige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) will dem neuen Kabinett nicht angehören und kündigte seinen Rückzug an. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), dessen Nachfolge CSU-Chef Edmund Stoiber antreten wird, kritisierte die Verhandlungsstrategie der SPD. SPD-Chef Franz Müntefering ließ einen Wechsel ins Kabinett offen.

Nach Unionsangaben erhält die CDU/CSU neben dem Wirtschaftsministerium die Ressorts Innen, Verteidigung, Bildung und Forschung, Familie und Senioren sowie Verbraucherschutz und Agrar. Die SPD bekommt die Verantwortung für das Auswärtige Amt sowie die Ministerien für Finanzen, Arbeit, Gesundheit, Justiz, Arbeit, Verkehr, Entwicklung und Umwelt. Stoibers Wirtschaftsressort wird wie bislang die Zuständigkeit für Technologie umfassen. Außerdem soll es in der Europapolitik um Kompetenzen in der Industriepolitik erweitert werden.

Clement sagte dem Sender N24, die Zerschlagung seines Ministeriums in die Ressorts Wirtschaft und Arbeit sei "grundfalsch". "Ich hätte eine andere Verhandlungsstrategie für richtig gehalten", kritisierte Clement insgesamt das Ergebnis der Spitzentreffen. Es dürfe nicht sein, dass der innovative Sektor mit Ressorts wie Forschung, Bildung und Familie an die Union gehe und die SPD für den "sehr, sehr schweren Reparaturbetrieb" verantwortlich sei.

"Führen und regieren"
Merkel sagte am Abend im ZDF, ihr Ziel werde sein, "zu führen und zu integrieren". Sie wolle "alle mitnehmen". Die CDU-Chefin räumte ein, dass in den Koalitionsverhandlungen "ein hartes Ringen" bevorstehe. Zu der geplanten Mehrwertsteuererhöhung sagte Merkel dem Sender RTL, das Thema stehe "weiter auf der Tagesordnung. Da ist nichts vom Tisch genommen". Dagegen werde es eine Besteuerung von Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen nicht geben.

Müntefering warnte im ZDF davor, schon jetzt davon auszugehen, dass eine Große Koalition unter Merkel bereits stehe. Die Verhandlungen würden "sehr anstrengend" sein. "Solange nicht alles beschlossen ist, ist nichts beschlossen", sagte er mit Blick auf eine Kanzlerschaft Merkels. Zu seiner eigenen Rolle sagte er: "Ich habe die Tür für das Kabinett nicht definitiv zugemacht." Er ist als möglicher Arbeitsminister und Vize-Kanzler im Gespräch. Für das Außenministerium wurde SPD-Kreisen zufolge der bisherige Verteidigungsminister Peter Struck genannt. Kanzleramtsminister könnte der bisherige Unionsfraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen werden. Den Bundestagspräsidenten stellt die Union; vorgesehen hierfür ist der bisherige Parlamentsvizepräsident Norbert Lammert.

Rückzugsankündigung von Schröder
Schröder kündigte nach Angaben aus Teilnehmerkreisen im SPD-Vorstand seinen Rückzug aus einem Kabinett an. Müntefering bestätigte später gegenüber RTL, dass Schröder gesagt habe, seine Lebensplanung sehe anders aus.

Die Vorstände von CDU und CSU billigten das Ergebnis der Spitzengespräche einstimmig, bei der SPD gab es zwei Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen. CDU, CSU und SPD wollen auf Parteitagen am 14. November endgültig entscheiden. Inhaltlich besteht die Union nicht mehr auf Einschränkungen beim Tarifrecht. In einem gemeinsamen Papier von Union und SPD heißt es zudem, das Einkommensteuerrecht solle vereinfacht und Ausnahmen reduziert werden.

Positive Reaktionen im Ausland
Im Ausland wurde die Einigung auf eine Große Koalition positiv aufgenommen. Die USA hätten eine enge Beziehung zu Deutschland, an deren Ausbau sie unter Schröder gearbeitet hätten, sagte Außenamtssprecher Tom Casey am Montag: "Wir freuen uns darauf, diese Beziehung mit der neuen Regierung fortzusetzen." Das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland hatte durch die Ablehnung der US-Invasion durch die Bundesregierung im Irak im März 2003 einen starken Dämpfer erlitten. Seither verbesserten sich die Beziehungen jedoch allmählich wieder.

Der französische Präsident Jacques Chirac begrüßte die Einigung auf Merkel ebenfalls und wünschte der zukünftigen Regierung Erfolg für ihre Arbeit. Ähnliches verlautete aus dem Büro des britischen Premiers Tony Blair.

(apa/red)