Kultur ist keine Verschubmasse

Heinz Sichrovsky über die Zukunft des Kulturressorts in der Wiener Stadtregierung

von Heinz Sichrovsky © Bild: News

Leidvoller Erfahrung nach gelangt die Kulturaffinität der Parteien an ein rasches Ende, wenn Verschubmasse für Regierungsverhandlungen benötigt wird. Deshalb gestatte ich mir die vorsorgliche Anmerkung, dass ich den Verzicht der Wiener SPÖ auf das Kulturressort katastrophal fände. Abgesehen davon, dass sich an seiner Verwaltung durch Andreas Mailath-Pokorny nichts aussetzen lässt, sind auch die Nachfolgeszenarien nicht geeignet, mich in Euphorie zu versetzen oder auch nur meinen unbeeinträchtigten Nachtschlaf sicherzustellen. Die Wiener ÖVP hat sich ihres letzten wahrnehmbaren Kultursprechers, Andreas Salcher, vor Langem entledigt. Ein wirtschaftsliberaler Kulturpolitiker, wie er dem Selbstbildnis der Neos entspräche, ist im klugerweise auf Subventionen begründeten System ein Paradoxon, dessen Bekanntschaft ich mir ersparen möchte. Bei den Grünen, deren fachlich zumindest einholbarer Kultursprecher nächstens aus dem Gemeinderat ausscheidet, waltet das umgekehrte Prinzip: ein fundamentales Misstrauen gegen Eliten. Um die aber geht es in der Kunst. Kunst ist undemokratisch, ungerecht und nicht basisaffin. Sie ist die Angelegenheit Höchstbegabter, gleich, in welcher Disziplin sie sich verwirklicht. Man kann ihr die Mittel entziehen und damit Grätzelfeste ausrichten. Aber Naturgesetze treten nicht per Fraktionsbeschluss außer Kraft.

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