Luft und Liebe

Psychischer Stress und Selbstzweifel, aber auch anatomische Besonderheiten führen dazu, dass Menschen buchstäblich die Luft ausgeht. Bei Marion äußert sich das in schier grundloser Panik und Atemnot, bei Peter hingegen darin, dass er, wenn er sich unter Druck gesetzt fühlt, hechelnd nach Luft ringt

von Dr. Monika Wogrolly © Bild: Matt Observe/News

In Beziehungen ist es ein Alarmsignal, wenn man die ja geliebte Person auf einmal nicht mehr atmen hören kann, von Schnarchen ganz zu schweigen. Verliebte kuscheln hingegen so leidenschaftlich, dass der Atem auf der Haut erregend und wohltuend wirkt. Im Folgenden fünf erstaunliche Erkenntnisse zum Fluss des Lebens:

1. Ausdruck von Emotion

Der Vorstand der Universitätsklinik für Pulmologie Horst Olschewski stellt den etablierten Irrtum, man würde im Schlaf langsamer atmen, richtig: „Die Atemarbeit im Schlaf wird sozusagen optimiert. Wir atmen im Schlaf ein wenig flacher und ein bisschen schneller als im Wachzustand. Und das wird gesteuert von ganz tief sitzenden Reflexen in unserem Hirnstamm. Und wir verlieren ja im Schlaf komplett die Kontrolle darüber, aber das funktioniert immer fantastisch, außer bei Patienten, bei denen ein Schlafapnoesyndrom vorliegt.“

2. Liebeskiller Atemaussetzer

Viele Paare arrangieren sich mit getrennten Schlafzimmern, weil einer im Schlaf zunächst förmlich zu atmen aufhört, dann nach Luft ringt, alarmierende Geräusche erzeugt und so die Nachtruhe empfindlich stört. Universitätsprofessor Olschewski: „Das obstruktive Schlafapnoesyndrom liegt vor, wenn im Schlaf die Zunge zum Rachen hin rutscht und die Atemwege verlegt, sodass der Betroffene keine Luft mehr durch diesen verschlossenen Atemweg saugen kann. Er kann zwar ausatmen, aber rein geht die Luft nicht, weil die Zunge im Weg ist.“ Dabei erschlafft die Kiefer- und Zungenmuskulatur, was dazu führt, dass die Zunge wie ein Pfropf in den Atemwegen sitzt. Der Betroffene aktiviert dann diese Muskulatur, hat ein paar hektische Atembewegungen, dann sackt die Zunge wieder ein und der Pfropf sitzt wieder fest. Das wiederholt sich mithin Tausende Male in einer Nacht. Dadurch wird der Schlaf fragmentiert, die Schlaftiefe schlechter, und der erholsame Wert des Schlafes geht verloren. Konzentrationsstörungen, Leistungsabfall und eine niedrige Reizschwelle sowie Stimmungsschwankungen können die Folgen sein. Als Lösung gelten Masken, die einen Überdruck erzeugen, so dass die Zunge nach vorne gedrückt wird und dadurch die Atemwege frei bleiben.

3. Keine verlangsamte Atmung im Schlaf

Die Atmung zeigt an, ob eine Person freudig erregt, aufgeregt, traurig, ängstlich, wütend oder leidenschaftlich ist. Bei der Verliebtheit schlägt nicht nur das Herz schneller, auch die Atmung kann in der Erregtheit flacher und hektischer werden. Bei Stress, Angst – oder wie bei Peter – unter Erwartungsdruck geht der normale regelmäßige Atemrhythmus verloren, was schließlich zu körperlichen Symptomen führen kann wie Zittern, Mundtrockenheit, Benommenheit, Schwindel, Angst vor Kontrollverlust.

4. Kommunikationsmittel

Man sieht die kommunikative Funktion der Atmung sehr gut auch bei Tieren. Ein Hund spricht sozusagen mit seiner Atmung, um etwa mit einem ganz bestimmten Hecheln seiner Freude Ausdruck zu verleihen. Die Atmung ist bei Menschen auch ein wichtiges Ausdrucksmittel, das man bewusst oder unbewusst einsetzt.

5. Rhythmus des Lebens

Menschen wie Marion leiden am Hyperventilationssyndrom. Das ist eine Störung, bei der jemand komplett aus dem Takt kommt und gefühlt dem eigenen Körper entschwebt, es entsteht ein Tunnelblick. Die Betroffenen sind in dem Zustand nicht mehr in der Lage, ihre Umgebung wahrzunehmen und müssen über direkte Ansprache und einfühlsame Kontaktaufnahme, manchmal auch durch Berührungen ins Hier und Jetzt zurückgeholt werden.

Der Schlüssel zu vielen psychisch bedingten Atemproblemen liegt im Selbstvertrauen und in einer „ganz normalen Atmung“. Damit nehmen wir ausreichend viel Sauerstoff auf, versichert Horst Olschewski. Und nicht vergessen: Zum Leben braucht es nicht nur Liebe, sondern auch die einfühlsame Gabe, sich selbst und dem Partner Luft zu lassen.

Haben Sie noch Fragen? Schreiben Sie mir bitte: praxis <AT> wogrollymonika.at