Grasser: "Ich habe einen
Totalschaden erlitten“

Der ehemalige Finanzminister erhebt schwere Vorwürfe gegen die Justiz

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die Staatsanwaltschaft in einem demokratischen Rechtsstaat einen unbescholtenen Bürger so lange verfolgen kann. Teilweise jenseits oder unter Beugung des Rechtsstaats. Das ist umso schlimmer, wenn man persönlich weiß, nichts Falsches getan zu haben. Die letzten sieben Jahre waren eine unglaubliche Belastung für mich und meine Familie. Das wünscht man seinem ärgsten Feind nicht. Das kann sich nur jemand vorstellen, der durch die gleiche Hölle gehen musste.

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Fakten - Grasser: "Ich habe einen
Totalschaden erlitten“

Herr Grasser, seit knapp sieben Jahren wird gegen Sie ermittelt. Wie konnte es aus Ihrer Sicht zu dieser langen Verfahrensdauer kommen?
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die Staatsanwaltschaft in einem demokratischen Rechtsstaat einen unbescholtenen Bürger so lange verfolgen kann. Teilweise jenseits oder unter Beugung des Rechtsstaats. Das ist umso schlimmer, wenn man persönlich weiß, nichts Falsches getan zu haben. Die letzten sieben Jahre waren eine unglaubliche Belastung für mich und meine Familie. Das wünscht man seinem ärgsten Feind nicht. Das kann sich nur jemand vorstellen, der durch die gleiche Hölle gehen musste.

Warum passiert das ausgerechnet Ihnen?
Meine Überzeugung ist, dass das alles mit parteipolitischer Rache begonnen hat. Ich bin überzeugt davon, dass der große Erfolg der Regierung Schüssel-Grasser vielen ein Dorn im Auge war. Wir haben richtungsweisende Reformen umgesetzt. Zu unserer Zeit haben deutsche Medien geschrieben, Österreich sei das bessere Deutschland. Deshalb haben mich Abgeordnete der Grünen mehrere Male bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und eine Kampagne in den Medien losgetreten. Es war diese Mischung aus Parteipolitik und unglaublicher medialer Vorverurteilung, die auf die Staatsanwaltschaft hohen Druck ausgeübt hat. So ist dann eine gewisse Eigendynamik in der Verfolgung meiner Person entstanden. Ich möchte auf einen Umstand hinweisen, den ich für äußerst bedenklich halte: Wenn ich richtig informiert bin, war es Staatsanwalt Walter Geyer, der die Korruptionsstaatsanwaltschaft gegründet hat. Geyer saß als grüner Abgeordneter früher auch im Parlament. Wenn dann Grün-Abgeordnete wie Pilz und Moser Anzeigen gegen mich einbringen, und dann der Leiter Geyer für die Verfolgung dieser Anzeigen zuständig ist, dann sieht man doch eine ganz klare parteipolitische Verfolgung, die nichts mit Objektivität zu tun hat.

Sind sieben Jahre umfassender Ermittlungen nicht eine zu lange Zeit, um ausschließlich parteipolitische Motive ins Treffen zu führen?
Anders ist es aber nicht zu erklären. Das Verfahren läuft seit Beginn auf einer schiefen Ebene. Nach sieben Jahren steht nur eines schwarz auf weiß fest: dass sich Ermittler und Staatsanwalt gegen mich mehrfach ins Unrecht gesetzt haben.

Wann?
Es gibt Urteile des Oberlandesgerichts Wien, die festgestellt haben, dass die Staatsanwaltschaft mich nicht hätte abhören dürfen. Es gibt ein Urteil des Landesgerichts Wien, wonach die Einladung der Journalisten zu meiner Hausdurchsuchung ein Gesetzesbruch war. Knapp sieben Jahre spielt man ganz bewusst und vorsätzlich alle wesentlichen Aktenteile an die Öffentlichkeit und erreicht damit eine Vorverurteilung, wie sie im deutschsprachigen Raum in den letzten 50 Jahren noch nie da war.

Amtsmissbrauch ist ein schwerer Vorwurf. Wenn dem so wäre, hätte doch das Justizministerium längst reagiert. Ist es nicht angesichts der Vielzahl an Beschuldigten und Privatbeteiligten wahrscheinlicher, dass Aktenteile über diese den Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben?
Nicht wirklich. Ein Schlüsselerlebnis für mich war ein Gespräch mit dem gegen mich ermittelnden Staatsanwalt, schon Jahre her. Wir sollten Akteneinsicht haben, bekamen sie aber nicht. Der Akt war unter Verschluss. Bezeichnenderweise wurde genau aus diesem Akt in dieser Woche exklusiv von einem Medium zitiert. Wir haben eine Amtsmissbrauchsanzeige gemacht, und natürlich ist nichts dabei herausgekommen, weil angeblich so viele Leute Zugang zum Akt hatten. Aber es ist zumindest ein ganz konkreter Beweis dafür, dass Aktenteile nur von Ermittlungsorganen rausgegangen sein können. Auch bei meiner Hausdurchsuchung haben wir den Staatsanwalt angezeigt. Der ermittelnde Staatsanwalt hat festgestellt, dass objektiv Amtsmissbrauch begangen wurde, das Verfahren aber trotzdem eingestellt. Überraschende Begründung: Man könne dem Staatsanwalt angeblich keinen subjektiven Tatvorsatz unterstellen. Für mich ist diese Begründung an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Dann kann man jedem Staatsbürger, der mit dem Gesetz in Konflikt kommt, sagen: Objektiv hast du betrogen, hast du gestohlen oder was auch immer, aber es steht bei dir kein Vorsatz: Du wolltest das ja eigentlich nicht tun.

»Ich hatte in den letzten Jahren den Eindruck, dass man mich als Freiwild betrachtet«

Hängen Sie sich da nicht zu sehr an einem Detail auf? Kann nicht auch einem Staatsanwalt ein Fehler passieren?
Wenn ein Staatsanwalt objektiv Amtsmissbrauch begeht, dann muss es auch subjektiv so sein. Der Staatsanwalt müsste besser als jeder Bürger die Gesetze kennen. Aber in der Staatsanwaltschaft hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus. So wird leider Gottes in der Staatsanwaltschaft oder im Ministerium mit den Verfehlungen der Staatsanwaltschaft umgegangen. Ich meine: Das ist kein faires Verfahren. Und es entspricht auch nicht der Strafprozessordnung, laut der alle Richter und Staatsanwälte ihr Amt unparteiisch und unvoreingenommen auszuüben haben. Und: Sie haben die zur Belastung und Entlastung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln.

Was werfen Sie diesbezüglich der Staatsanwaltschaft vor?
Bei mir hat die Staatsanwaltschaft in diesen sieben Jahren nichts getan, um auch entlastende Umstände zu ermitteln. Im Gegenteil: Man hat in einem Verfahren wie auf einer schiefen Ebene versucht, ausschließlich belastende Umstände gegen mich zu finden. Und damit evident gegen das Objektivitätsgebot verstoßen. Wir reden von einer geradezu unerträglich langen Verfahrensdauer. Als mich vor etwa einem Jahr ein Journalist anrief und sagte: "Herr Grasser, Sie sollen angeklagt werden“, habe ich zu meinem Anwalt Manfred Ainedter gesagt: Jetzt reicht’s, es ist zwar nicht meine Aufgabe, meine Unschuld zu beweisen, aber jetzt stellen wir Beweisanträge, um meine Unschuld zu beweisen. Bezeichnenderweise hat die Staatsanwaltschaft eine Reihe dieser Beweisanträge und Zeugeneinvernahmen einfach abgelehnt. Wir haben Beschwerden gemacht. Meine Überzeugung ist: Würde man unsere Zeugen hören und die Schriftsätze beachten, kommt ein Rechtsstaat zu dem Schluss: Es kann keine Anklage gegen Grasser geben, weil dafür jede Substanz fehlt.

Der Kernvorwurf bezüglich der langen Verfahrensdauer lautet, Sie hätten nichts dazu getan, das Verfahren zu beschleunigen, sondern dieses - im Gegenteil - verzögert. Was sagen Sie dazu?
Die Behauptung, dass ich das Verfahren bewusst in die Länge gezogen hätte, ist eine häufig kolportierte, dessen ungeachtet unrichtige Behauptung, um diese unglaubliche Verfahrensdauer zu rechtfertigen. Erster Beweis dafür: Ich erfahre aus den Medien, dass ein Verfahren gegen mich läuft, schicke Dr. Ainedter zur Staatsanwaltschaft und bitte um meine Einvernahme, damit ich zur Aufklärung beitragen kann. Und dann braucht es ein Dreivierteljahr, bis ich erstmals einvernommen werde.

»Man hat versucht, den Eindruck zu erwecken: Wenn wir die Unterlagen aus Liechtenstein haben, dann haben wir die Smoking Gun«

Das wird wohl ermittlungstaktische Gründe gehabt haben.
Zweiter Punkt: In dieser ersten Einvernahme hat der Staatsanwalt gefragt, ob ich freiwillig meine gesamten Konten und Stiftungen offenlege. Und meinem Anwalt eine Liste über alle gewünschten Unterlagen übergebe. Ich habe gesagt: Selbstverständlich bin ich gerne bereit, das alles zu liefern. Also habe ich meinen Steuerberater, meinen Anwalt beauftragt, diese Unterlagen aufzutreiben. Ich selbst habe unzählige Stunden an Arbeit damit verbracht, mit den Banken telefoniert, wo ich Konten hatte - es geht ja auf viele Jahre zurück und hat viel Geld gekostet. Dr. Ainedter hat dann höchstpersönlich dem Staatsanwalt drei dicke Aktenordner mit allen Unterlagen laut Liste auf den Tisch gelegt. Mit dem Ergebnis, dass ich zwei Jahre später trotzdem eine Hausdurchsuchung bekommen habe, die im Beisein meines Sohnes durchgeführt wurde. Ich kann nur sagen: Ich habe alles getan, um zur raschen Aufklärung und damit Entkräftung der gegen mich erhobenen Vorwürfe beizutragen.

Die Justiz rechtfertigt die Dauer der Ermittlungen mit der Komplexität von Wirtschaftsstrafverfahren. Wenn es viele Einsprüche gibt, dauere es eben, bis teilweise im Ausland sichergestellte Daten verwertet werden dürfen. Hätten Sie Ihre Stiftungsräte in Liechtenstein nicht bitten können, alles offenzulegen?
Ich konnte die nicht anweisen, weil es unabhängige Stiftungsräte sind, die ich auch nicht kannte, bevor sie auf Vorschlag meines Steuerberaters eingesetzt wurden. Die haben mir von Beginn an gesagt: Wir sind Rechtsanwälte, gehören einer prominenten Kanzlei an und haben unsere Regeln zu wahren. Liechtenstein hat einfach andere Gesetze als Österreich. Diese Stiftungsräte haben mir immer gesagt, sie müssen sich an ihre Gesetze halten. Aber diese Geschichte ist insofern durchaus interessant, als in Österreich eine riesige mediale Aufregung rund um die Unterlagen Liechtensteins erzeugt wurde. Man hat versucht, den Eindruck zu erwecken, wenn wir die Unterlagen haben, dann haben wir den Grasser. Dann haben wir die Smoking Gun, dann können wir ihn endlich anklagen. Schon lange hat der Staatsanwalt alle Unterlagen. Und auch da ist nichts dabei, was mich belastet.

Um das abzuschließen: Haben Sie Einfluss darauf genommen, dass Daten aus Ihrer Einflusssphäre nicht verwendet werden dürfen?
Nein, ganz im Gegenteil. Als irgendein Medium behauptet hatte, ich müsste mehr als eine Million Euro pro Jahr zum gemeinsamen Lebensunterhalt beitragen und sei sinngemäß deshalb korrupt geworden, habe ich sogar meinen Ehevertrag vorgelegt. Und damit bewiesen, dass das wieder einmal eine falsche Behauptung war.

War es wirklich notwendig, eine Stiftung in Liechtenstein zu errichten?
Keine Frage: Die Stiftung hat mir nur Probleme bereitet. Das Konstrukt wurde mir damals von dem Stiftungsexperten von Deloitte zum Schutz der Privatsphäre genau so vorgeschlagen. Daher ist das ein besonders unerquicklicher Teil des gegen mich anhängigen Finanzstrafverfahrens, das wie der sprichwörtliche Blitz aus dem Himmel im Jahr 2011 gegen mich eröffnet wurde.

Im Jahr 2012 meinte Christian Pilnacek, der Sektionschef im Justizministerium, im TV, es gebe bei Ihnen Hinweise in Richtung "korruptiven Verhaltens“. Hätte er sich so weit aus dem Fenster gelehnt, wenn es nichts Belastendes gäbe?
Das war mir damals und ist mir bis heute völlig unerklärlich. Offensichtlich hat man in den seither vergangenen vier Jahren auch nichts Belastendes gegen mich gefunden, da es sonst schon längst eine Anklage geben müsste. Da kann man noch zehn Jahre ermitteln. Man wird nichts finden, weil: Wo nichts ist, das kann man auch nichts finden.

Schuldig also, jedoch nur im Sinne der Schlagzeile?
Der Grundsatz der Unschuldsvermutung, der in der Menschenrechtskonvention verankert ist, wurde in meinem Fall vielfach gebrochen. Und die "Unschuldsvermutung“ - unter Anführungszeichen - geradezu ins Gegenteil pervertiert. Es gibt wohl im gesamten deutschsprachigen Raum keine dermaßen eklatante Vorverurteilung wie meine. Der Wettermoderator Kachelmann wurde ebenfalls massiv vorverurteilt, hatte aber das Glück, dass das in seinem Fall nicht so lange dauerte. Sieben Jahre durch diese Hölle der Vorverurteilung zu gehen, Zigtausende Medienartikel zu bekommen, in einer einseitigen Verzerrung, in einer teilweise hetzerischen Art, hatte weder etwas mit seriösem Journalismus, schon gar nicht mit Objektivität und sicherlich nicht mit dem Prinzip der Unschuldsvermutung zu tun.

»Vranitzky hat von einem Investmentbanker eine Million Schilling für eine telefonische Euro-Beratung bekommen. Selig, der das glaubt«

Ist aus Ihrer Sicht überhaupt noch ein faires Gerichtsverfahren möglich?
Ein faires Verfahren, wo ein Richter und Schöffen sich völlig unbefangen, unvoreingenommen und unparteilich mit der Frage auseinandersetzen sollen, ist aus meiner Sicht gar nicht mehr möglich. Es gibt zigtausende Berichte über mich, in denen ich vorverurteilt wurde. Da muss man schon auch einmal sagen: Ein Staat hat auch einen Bürger zu schützen, Verfassungsrecht ist einzuhalten. Ich hätte als Minister sicher nicht zugesehen, wenn vielfach Amtsmissbrauch begangen worden wäre, indem über Jahre hinweg Akten Medien zur Verfügung gestellt werden. Das ist glatter Rechtsbruch.

Fordern Sie also eine Weisung des Justizministers?
Ja, wenn das heftig umstrittene Weisungsrecht irgendeinen Sinn haben soll. Ein Justizminister hat die Staatsanwaltschaft zur Ordnung zu rufen und zu sagen: Das geht so nicht. Ihr habt das Gesetz zu befolgen.

Jetzt ist der Vorhabensbericht der Korruptionsstaatsanwaltschaft angeblich fertiggestellt und auf dem Weg ins Ministerium. Müssen Sie nach so langer Verfahrensdauer nicht mit einer Anklage rechnen?
Nein, ich rechne nach wie vor mit der Einstellung des Verfahrens. Sollte das nicht der Fall sein und es trotz des Fehlens jeglicher Beweise eine Anklage geben, fordere ich den Justizminister auf, sich den Akt selbst anzusehen und sich nicht damit zu begnügen, die Verantwortung an den Weisungsrat abzuschieben.

Lassen Sie uns über die konkreten strafrechtlichen Vorwürfe reden: Da gibt es zum einen das Konto 400.815, das "auf dem Papier“ Meischberger gehört, laut Staatsanwalt jedoch Ihnen zuzurechnen ist. Können Sie diesen Vorwurf entkräften?
Obwohl es nicht meine Aufgabe ist, Vorwürfe zu entkräften, habe ich Dr. Ainedter damit beauftragt, diese ebenso beharrliche wie falsche Unterstellung mit einer ganzen Reihe von Argumenten zu falsifizieren. Diese Anträge wurden von der Staatsanwaltschaft mit der Begründung vom Tisch gewischt, man gehe ohnedies davon aus, dass ich mit diesem Konto nichts zu tun habe, dessen ungeachtet sei es mir zuzurechnen. Wenn man als Bürger sieben Jahre derart massiv verfolgt wird, hat man aus meiner Sicht das Recht, zu sagen: Vernehmt doch einmal die gesamten Bankmitarbeiter. Wenn das mein Konto gewesen sein soll, dann muss mich ja irgendjemand einmal gesehen haben; dann muss ich mal telefoniert haben; dann hat es vielleicht eine Zeichnungsberechtigung oder sonst etwas gegeben. Gab es nicht. Ich war nie wirtschaftlich berechtigt, habe nie über eines dieser Konten verfügt, wusste ja nicht einmal, dass Meischberger seit 2001 dieses Konto 400.815 dort hatte.

»Vorher war das immer in Ordnung. Auf einmal, bei Meischberger, ist dies ausschließlich aufgrund seiner Freundschaft zu mir Korruption?«

Der zweite zentrale Vorwurf gegen Sie lautet: Es hätte im Jahr 2000 anlässlich der Übernahme der Regierungsverantwortung der FPÖ einen Tatplan gegeben, wonach man bei den Privatisierungen mitschneiden wollte.
Auch dieser Vorwurf, der lediglich von einem damaligen Kabinettsmitarbeiter des Infrastrukturministeriums erhoben wurde, ist vollkommen falsch. Abgesehen davon, dass dieser Vorwurf den Tatsachen entsprechend bis dato von niemandem bestätigt wurde, hat man sich ja mittlerweile alle Privatisierungen in unserer Regierungszeit angesehen. Und nichts gefunden. Zuletzt musste die Staatsanwaltschaft entgegen jahrelanger anderer Berichte auch das Verfahren Brehmstraße gegen mich einstellen. Ich habe auch diesbezüglich einen Beweisantrag gestellt, der von der Staatsanwaltschaft abgeschmettert wurde. Sowohl zu meinen Beweisanträgen zum Konto 400.815 als auch zum "Tatplan“ sind im übrigen Beschwerden beim Oberlandesgericht anhängig, über die bislang nicht entschieden wurde.

Herr Meischberger und andere haben Millionenprovisionen erhalten. Das muss Sie doch zumindest getroffen haben, wenn das in Ihrem engsten Umfeld passiert?
Das hat mich höchst irritiert und sehr verärgert. Andererseits war ich ebenso negativ überrascht, dass man sofort unterstellt hat: Weil Walter Meischberger eine Provision von der Immofinanz erhalten hat, ist der Grasser korrupt. Ich meine die Leichtigkeit, mit der man das behauptet hat. Wenn ich mich umsehe: Der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky hat vom Investmentbanker Flöttl eine Million Schilling für Telefonate im Zuge der Euro-Umstellung erhalten. Ich meine: Selig ist, der das glaubt. Vranitzky ist im Flugzeug einer Bank (WestLB, Anm.) permanent durch die Gegend geflogen - der Herr Grasser hätte dafür schon ein Finanzstrafverfahren wegen der Annahme eines vermögenswerten Vorteils gehabt. Und Vranitzkys ehemaliger Kabinettschef, Karl Krammer, soll in weiterer Folge - habe ich gehört - bei der Privatisierung der Telekom Austria, bei der Teile an die Telecom Italia gegangen sind, Millionen an Fees für Beratung bekommen haben.

Sie verteidigen also Lobbyisten?
Ich verteidige sie nicht. Aber Lobbyisten gab es in der SPÖ, in der ÖVP und genauso in der FPÖ, oder am Rande dieser Parteien. Vorher war das immer in Ordnung. Auf einmal, bei Walter Meischberger, ist dies ausschließlich aufgrund seiner Freundschaft zu mir Korruption? Diese Einseitigkeit in der Beurteilung ist bezeichnend.

Herr Plech war Aufsichtsratschef der Buwog, die um 961 Millionen Euro privatisiert wurde und bei deren Privatisierung für einen Tipp knapp zehn Millionen geflossen sind.
Genau deshalb saß Plech nicht in der Vergabekommission. Auch bei Herrn Meischberger galt: Wir waren so gut befreundet, dass eigentlich selbstverständlich war, dass er mich nicht nach Dingen meiner Amtsführung befragt hat und ich ihm niemals eine Antwort darauf gegeben hätte. Der ehemalige Vorstand der Immofinanz hat doch mehrfach in der Öffentlichkeit gesagt, dass halb Wien den Preis gewusst hat, den die CA-Immo für das Buwog-Paket bieten wollte, zumal der Kaufpreis fremdfinanziert werden sollte. Ich habe in jeder Phase als Politiker korrekt gehandelt und penibel darauf geachtet, mich nicht Vorwürfen der Freunderlwirtschaft auszusetzen. Man darf nicht vergessen, dass die Privatisierungen von der Opposition heftig kritisiert wurden und daher umso mehr auf die Korrektheit der Abwicklung geschaut wurde.

Ihr Zorn auf Walter Meischberger hält sich offenbar in Grenzen. Hielten Sie seine Geschäfte für legitim?
Das vermag ich nicht zu beurteilen. Mit Hochegger bin ich schon vor dieser Geschichte wirtschaftlich und privat im Unfrieden auseinandergegangen. Mir tut aus eigener Erfahrung jeder leid, der jahrelang durch eine derartige tiefe Krise muss wie Hochegger, Plech, Petrikovics oder Meischberger. Unser Gesetz sieht einfach vor: Erst wenn ein richterlicher Schuldspruch erfolgt ist, hat jemand die Verantwortung dafür zu tragen. Und außerdem: Es wäre etwas anderes gewesen, hätte die Republik Österreich eine Provision bezahlt. Dann hätten wir einen anderen Sachverhalt. Faktum ist aber, dass ein privates Unternehmen einem Lobbyisten Geld bezahlt hat. Warum ich als ehemaliger Finanzminister dafür zum Handkuss kommen soll, verstehe ich nicht.

Wie geht es Ihnen heute beruflich?
Es ist unglaublich schwierig, nicht nur, weil meine Kosten für Rechtsanwälte, Steuerberater, Gutachter jenseits der Million Euro liegen. Ich musste meine Wohnung verkaufen, wirtschaftlich sind diese Verfahren absolut existenzbedrohend. Ich habe quasi einen Totalschaden erlitten, in Österreich wurde mir jede Geschäftsgrundlage entzogen. Der Finanz war es nicht zu blöd, einen präsumtiven Auftraggeber zur Einvernahme vorzuladen, um ihn zu fragen: Wo war Grassers Leistung? Da hat man schon den Eindruck systematischer Zerstörung.

Wie begegnet man Ihnen in der Öffentlichkeit? Hat sich Ihr Freundeskreis verändert?
In so einer fundamentalen Krise trennt sich Spreu vom Weizen, es bleibt ein kleiner harter Kern echter Freunde übrig. Ansonsten hatte ich leider Gottes in den letzten Jahren den Eindruck, dass man mich als Freiwild betrachtet. Wenn ich sehe, dass ein Medium Faschingsmasken mit meinem Konterfei produziert hat, oder jetzt unrühmlicherweise ein Spiel KHG vorgestellt wurde mit dem angeblich sinnigen Titel " Korrupte haben Geld“, und ich auf Coverseiten mitabgebildet war, dann ist das ein weiteres Beispiel einer einzigartigen Vorverurteilung, die in anderer Weise in Deutschland Kachelmann, Ex-Präsident Wulff und Ex-Minister Guttenberg auch erleben mussten. Ich habe den Eindruck, dass es eine gewisse Schadenfreude gibt. Die Unschuldsvermutung hat für mich definitiv nie gegolten.

Werden Sie gegen die aus Ihrer Sicht unerträglich lange Dauer des Verfahrens etwas unternehmen? Überlegen Sie den Gang zum Europäischen Gerichtshof, eine Schadenersatzklage gegen die Republik?
Zum gegebenen Zeitpunkt sicher. Meine absolute Priorität ist, dass diese Verfahren möglichst schnell eingestellt werden und dieses Damoklesschwert nicht mehr über mir schwebt. Sobald ich das erreicht habe, werde ich natürlich über Schadenersatz und den Gang zum EUGH nachdenken. Am Ende des Tages haben mir sieben Jahre währende Ermittlungen diese Jahre gestohlen. Wozu gibt es ein Weisungsrecht des Ministers? Wenn man Justizminister ist und Verantwortung trägt, dann kann man diese heiße Kartoffel nicht weiterschieben und sagen: Ja, der Grasser, das ist so ein populärer und prominenter Fall, mit dem möchte ich nichts zu tun haben. Nur ja keine Weisung geben. Entschuldigung, aber: Die Gesetze gelten auch für den Grasser. Die Menschenrechtskonvention gilt auch für den Grasser. Objektiv und unvoreingenommen ermittelt werden sollte auch gegen den Grasser. Alles andere ist für mich Amtsmissbrauch.

Kommentare

Wir wissen nicht, was er unrechtes getan hat. Aber, und das steht fest, er soll vernichtet werden. Und das ist gelungen.
Der Grund: bei einem Prozess würde es zu Anschuldigungen gegen einige feine Herren d.öst. Politik geben. Das will man nicht.
So war es auch b.d. Bawag gemacht. Die Schuldigen durften nicht bekannt werden. So hat man das Leben anderer zerstört - und tut es weiter.



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Also ich kenne Herrn Grasser nicht persönlich, auch seinen Fall kenne ich nur aus den Medien und ich kenne ich niemand der mir dazu Insider Infos geben könnte. Daher kann ich auch nicht behaupten zu wissen ob Herr G. nun lügt oder die Wahrheit sagt. Wenn manche User hier mehr wissen, dann sollten sie das doch einfach mitteilen und zur Wahrheitsfindung beitragen. Alles andere sind Vermutungen.

neusiedlersee melden

Ich kenne Hrn. G. auch nicht. Aber er darf lügen so viel er will. Er ist Beschudigter, nicht Zeuge.
Und ein Gericht hat ihm evtl. Lügen od. Strafbares nachzuweisen., Aber das tut man nicht. Man setzt auf außergerichtliche Vernichtung.
Seine Hauptschuld ist, er weiß von Machalojkes anderer - und er hat keine Freunde in der versauten öst. Politik.


Oliver-Berg

Man muss sich die Chuzpe vorstellen. Verlangt der ehemalige Finanzminister von derzeitigen Justizminister die Weisung der Einstellung des Verfahrens. Unser Herr Justizminister hat in der Causa BUWOG um die es sich handelt Grasser's Spezis vertreten. Völlig abgehoben. Wahrscheinlich sieht der vor lauter Kristallen die Realität nicht.

Unschuldsvermutung hin oder her: wenn man ihm nach sieben Jahren nichts nachweisen kann, ist er anscheinend klüger als unser ganzer Justizapparat.

Wer wohl für diese Belastung verantwortlich ist????? So ein Unschuldslamm!!! Tut mir richtig leid!!!

Der Arme ist schon so fertig, daß er von sich dauernd in der dritten Person spricht.

So etwas kommt eben heraus, wenn man sich nicht getraut, einen ehemaligen Politiker bei einem im Ausland verhafteten Sachverhalt - dazu noch in Liechtenstein und Schweiz - wegen Verdunkelungsgefahr und Verabredungsgefahr einzusperren. Da fehlt offensichtlich der Justiz das know how der Finanzverwaltung.

Der hat jeden Realitätsbezug verloren wie so viele Politiker. Er sollte sich Gedanken machen, wie er den Schaden, den er der Republik als Minister zugefügt hat (ca. 20 Mio/Jahr) wieder gutmacht.

Dass er mit dem Lügenbaron zu Guttenberg in einem Atemzug zu nennen ist, hat jetzt er selbst gesagt...

Laleidama

der Arme un der Meischi kann sich auch nicht mehr erinnern von wem er den Tip damals bei der BUWOG bekommen hat.Wenn er nicht soviel Geld für seine Verteidigungsstrategie verwendet hätte, würde er schon seit Langem eine andere Seife benutzen.

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