Gestern Mittelstand Heute mittellos

Wie Tausenden Österreichern trotz Job und Bildung das Geld zum Leben ausgeht

Teure Mieten, unsichere Jobs. Die Preise für Wohnen, Energie und Nahrungsmittel steigen – im Gegensatz zu den Gehältern –monatlich. Selbst Mittelstandsfamilien, die früher ein finanziell sorgenfreies Leben führten, müssen nun den Sparstift ansetzen, um überleben zu können.

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  • Familie Bencza in ihrere Wohnung
    Bild 1 von 3 © Bild: News/ Deak MArkus

    Familie Bencza: Haushaltsrechnung

    Einnahmen: 2800,- Euro

    Ausgaben: 2769,- Euro ( Miete, Auto, Monatsticket, Kinderbetreuung, Handy, Internet, Kredit, GIS, Versicherungen, Lebensmittel, Windeln, Kosmetika, Gewand)

    31,- Eurobleiben am Monatsende übrig

  • Familie Emeka hat wenig Geld
    Bild 2 von 3 © Bild: News/ Deak MArkus

    Familie Emeka: Haushaltsrechnung

    Einnahmen: 1602,- Euro

    Ausgaben: 1580,- Euro ( Für Miete, Strom, Gas, Kredit, Fernsehen, Handy, Monatsticket, Kinderbetreuung, Versicherungen, Lebensmittel)

    Am Monatsende bleiben 22,- Euro übrig

Daniela Emeka hat zwei Jobs. 30 Stunden wöchentlich arbeitet sie als Verkäuferin, sieben zusätzliche Stunden geht die Alleinerzieherin putzen. Zwei Jobs, aber trotzdem reicht das Geld nicht aus. Die monatlichen Fixkosten fressen die Einnahmen auf. Übrig bleiben der Mutter des 5-jährigen Jeremiah jeden Monat von 1.602 gerade einmal 22 Euro. „Ich habe kein Auto, wir fahren nicht auf Urlaub, und neues Gewand kann ich mir nicht leisten“, erzählt die 27-jährige Niederösterreicherin. Eine kaputte Waschmaschine, eine defekte Therme, das sind „Horrorszenarien“, an die Frau Emeka „lieber nicht denken will“.

„Mussten Auto verkaufen.“

Daniela Emeka ist mit ihren Sorgen nicht alleine. Eine abgeschlossene Ausbildung, ein Job – alles längst kein Garant mehr für ein finanziell sorgenfreies Leben. Mittlerweile sind immer mehr Angehörige der sogenannten Mittelschicht pleite: 596.000 Menschen in Österreich sind bereits mit ihren Zahlungen im Rückstand. Denn ein Gehalt über der Grenze zur Armutsgefährdung bedeutet nicht mehr automatisch, dass sämtliche Rechnungen problemlos bezahlt werden können.. Eine Entwicklung, die Reinhold Russinger, Experte der Arbeiterkammer, wenig verwundert: „Die Kosten fürs Wohnen stiegen in den vergangenen zehn Jahren um 39 Prozent, die Lebensmittelpreise erhöhten sich um ein Drittel, und Diesel ist heute sogar um 65 Prozent teurer als noch im Jahr 2000.“ Die Löhne seien im Vergleich dazu in viel geringerem Ausmaß gestiegen. Eine Diskrepanz, die jetzt viele, die früher problemlos über die Runden kamen, am eigenen Konto deutlich spüren.

Eine der Folgen der rasant steigenden Kosten: Rund eine halbe Million Österreicher kann sich kein Auto mehr leisten. So auch Familie Steiner, eine typische Mittelstandsfamilie mit zwei Jobs (30 und 40 Stunden) und zwei Kindern (neun und 13 Jahre). „Wir haben unser Auto bereits vor einiger Zeit verkauft“, erzählt Barbara Steiner, die 42-jährige Mutter, die im Pflegebereich tätig ist. „Das war der erste große Einschnitt, als uns bewusst wurde, wir müssen jetzt sparen.“ Nun ist die gesamte Familie öffentlich und per Rad in Wien unterwegs.

Doch selbst nach Verkauf des Autos war das Finanzproblem noch lange nicht gelöst. Die Familie machte also, was derzeit so viele beschäftigt: Sie durchforstete ihre Versicherungen und kündigte alle, die nicht unbedingt notwendig sind. Frau Steiner kauft Lebensmittel nur mehr gezielt ein und achtet penibel auf Angebote. Gewand gibt es fast ausschließlich aus dem Secondhand-Laden, und wann die Familie das letzte Mal gemeinsam in einem Restaurant essen war, daran kann sich die 42-Jährige „nicht mehr erinnern“. Und dennoch: „Egal, wie sehr ich spare und auf was ich zusätzlich verzichte, es geht sich jeden Monat nur knapp aus.“ Als besonders „schlimm“ empfindet Barbara Steiner jene Monate, in denen sie entscheiden muss, „leiste ich mir ein Zugticket, um meine Mutter in Oberösterreich zu besuchen, oder gehe ich zum Friseur“. Geld wegzulegen sei „gar nicht mehr drinnen“.

Keine Zuschüsse

Vor allem die letzten drei Jahre seien, so Steiner, eine finanzielle Durststrecke gewesen, da sie gerade eine Zusatzausbildung zur „Mal- und Gestaltungstherapeutin“ macht, die sie zur Gänze selbst finanzieren muss. Schließlich verdient sie zu viel, um eine Förderung dafür zu erhalten. Verzichten möchte Barbara Steiner aber in Zeiten des angespannten Arbeitsmarktes auf diese Zusatzqualifikationen keinesfalls.

Was es bedeutet, „zu viel“ zu verdienen, musste Daniela Emeka ebenfalls am eigenen Leib erfahren. Nach der Karenz war sie zunächst arbeitslos und machte eine Umschulung. In dieser Zeit erhielt sie einen Wohnzuschuss von 330 Euro. Wichtiges Geld für die junge Mutter, sind doch Alleinerziehende besonders gefährdet, in die Armutsfalle zu tappen. Doch als Frau Emeka schließlich anfing zu arbeiten, wurde der Zuschuss reduziert. Um 250 Euro im Monat, exakt um den gleichen Betrag, den sie in ihrem Zweitjob als Putzfrau verdient. „Ich liebe meine Jobs und bin dankbar, Praxiserfahrung sammeln zu können, aber wenn ich das gewusst hätte, hätte ich die Samstage lieber zusammen mit meinem Sohn verbracht“, sagt Emeka.

Auch Thomas Fiala, 30, verbringt viele Samstage ohne seine geliebte Familie. Als Elektriker arbeitet er bis zu 60 Stunden pro Woche. Seine Lebensgefährtin Agnes Bencza, 33, ist 30 Stunden als Zahnarztassistentin beschäftigt. Gemeinsam haben die beiden ein Einkommen von 2.800 Euro. „Das ist eigentlich viel Geld“, sagt Bencza. Doch ausreichen würde es nicht. „Wir haben das Glück, für die Genossenschaftswohnung im 22. Bezirk relativ wenig zu bezahlen. Leistbar ist sie für uns aber nur, weil wir das gesamte Erbe meines Vaters als Eigenmittelanteil verwendet haben, damit die Miete geringer wird.“
Ein „Glück“, wie Bencza sagt, denn gerade die Preisexplosion im Wohnungssektor treffe viele ihrer Bekannten finanziell sehr hart. Und noch ist kein Ende der Mietpreis- Explosion in Sicht: Allein in den vergangenen drei Monaten stiegen die Mieten in Wien um drei Prozent an.

„Unsichere Jobs nehmen zu“

Doch trotz finanzieller Schwierigkeiten: Als wirklich arm empfindet sich weder Familie Emeka noch Familie Bencza oder Steiner. Wirklich arm sind sie per Definition auch nicht. Sie können im Gegensatz zu 313.000 anderen Österreichern ihre Wohnung heizen und sich ausreichend Nahrungsmittel kaufen.. Sie können sich ein Ticket für den Bus leisten und die Handyrechnung bezahlen.

Dennoch, gibt Sozialexperte Martin Schenk zu bedenken, ist „die untere Mittelschicht massiv gefährdet, in die Armut abzurutschen“. Neben der Teuerung sei dies vor allem auf die Zunahme an unsicheren Jobs zurückzuführen. So könne ein gut ausgebildeter, passabel verdienender Mensch morgen schon arbeitslos sein, gibt Schenk zu bedenken.

Ein Problem, das sich in den kommenden Monaten noch weiter verschärfen dürfte. Kritik übt Schenk an den Politikern, die das Problem des zunehmend mittellosen Mittelstands „nicht erkennen“ würden. Wichtig wäre für den Sozialexperten, dass man von Arbeit leben kann. Das würde sich auch Alleinerzieherin Daniela Emeka wünschen: „Ich bin eine Person, die wirklich gerne arbeitet und sich gerne anstrengt. Aber wenn ich trotz zweier Jobs meinem Sohn nicht ab und zu Spielzeug kaufen kann, dann stimmt mich das traurig.“

Kommentare

Ja das haben wir alle unseren super politikern zu verdanken,die uns bei der goldenen eu verkauft haben.den nes wird ja alles so super haben sie damals gesagt wenn wir das tolle europa haben.lauter scheisse haben wir sonst gar nix.ich hoffe die leute wissen was sie bei den nächsten wahlen zu tun haben um es diesen polit verbrechern heim zu zahlen.

Familie Steiner hat's gut: die machen 78€ Schulden und das wird ihnen gut geschrieben und bleibt somit über...

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