Was ist Föderalismus und welche Bedeutung hat er?

Wenn hierzulande politisch etwas nicht nach Plan läuft, ist der Schuldige oft schnell gefunden: der Föderalismus. Mag diese Kritik im Einzelfall berechtigt sein oder auch nicht – der Föderalismus ist einer der zentralen demokratischen Säulen des politischen Systems in Österreich.

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Föderalismus © Bild: Elke Mayr

Inhaltsverzeichnis:

Was bedeutet Föderalismus? Definition.

In einem föderalistischen Staat, wie zum Beispiel Österreich oder Deutschland, teilen sich der Gesamtstaat (z.B. die Bundesrepublik Österreich) und verschiedene Gliedstaaten (in Österreich die Bundesländer) politische Aufgaben untereinander auf. Dabei wird den Gliedern eine gewisse Unabhängigkeit und Eigenständigkeit vom Gesamtstaat gewährt. Zum Beispiel haben Glieder meist eine eigene Gesetzgebung, eine eigene Vollziehung und eine eigene Finanzwirtschaft. Sie verfügen also über ein eigenes Budget und können Steuern erheben.

Der Föderalismus wird daher auch als Ordnungsprinzip oder politische Ordnung bezeichnet, mit welcher bestimmt werden soll, wie staatliche Aufgaben zwischen einzelnen Gliedern aufteilt werden. Damit einher geht auch eine Aufteilung staatlicher Macht, die sich dem föderalistischen Prinzip folgend nicht nur im Bund oder der Bundeshauptstadt konzentrieren soll. Diese Aufteilung wird im Fachjargon auch als vertikale Gewaltenteilung bezeichnet.

Definition von Föderalismus: In einem föderalistischen Staat teilen sich der Gesamtstaat (Österreich) und verschiedene Gliedstaaten (Bundesländer) politische Aufgaben bzw. Macht untereinander auf. Dabei dürfen die Gliedstaaten in bestimmten Bereichen unabhängig und eigenständig regieren.

Föderalismus und Subsidiaritätsprinzip

Föderalistische Staaten bzw. Föderalstaaten besitzen eine föderale Verfassung und sind nach dem Bundesstaatsprinzip aufgebaut. Eine wichtige Grundkomponente des Föderalismus ist das das sogenannte Subsidiaritätsprinzip. Das bedeutet, die politische Willensbildung und Entscheidungsfindung werden auf mehrere Ebenen verteilt (siehe Kapitel „Vor- und Nachteile des Föderalismus“) .

Welche Bedeutung hat Föderalismus in Österreich?

Österreich wird gemeinhin als Vertreter eines unitarischen Föderalismus bezeichnet. Das bedeutet, dass föderalistische Prinzipien in Österreich nur schwach ausgeprägt sind und die Gliedstaaten wenig reale politische Macht besitzen. Die Machtverteilung unterlag historischen Veränderungen und ist immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen. So war in der Österreichischen Bundesverfassung von 1920 das föderalistische Prinzip nur schwach ausgeprägt. Eine Novelle von 1974 führte zu einer Neuaufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.

Wie ist der Föderalismus in Österreich geregelt?

Im Art. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) heißt es:

(1) Österreich ist ein Bundesstaat.
(2) Der Bundesstaat wird gebildet aus den selbständigen Ländern: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien
“.

Aus diesem Artikel ergibt sich das bundesstaatliche bzw. föderalistische Prinzip Österreichs.

Wappen Bundesländer Österreich
© Elke Mayr

Welche Kompetenzen haben Österreichs Bundesländer?

Welche Kompetenzen und Autonomierechte haben die österreichischen Bundesländer gegenüber dem Bund? Hierzu zählen unter anderem die Kompetenz, eigene Gesetze zu erlassen und diese auch zu exekutieren. Außerdem können Bundesländer eigene Steuern einheben. Durch die Vertretung der Länder im Bundesrat können die Bundesländer an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken. Über was Länder selbständig entscheiden können und über was nicht, ist in den sogenannten Kompetenzartikeln des B-VG festgelegt.

Alleinig entscheiden dürfen die Bundesländer etwa über:

  • Abfallwirtschaft
  • Kindergärten
  • Raumordnung
  • Natur- und Landschaftsschutz

Insgesamt sind die Kompetenzen der Länder in Österreich (im Vergleich zu anderen Föderalstaaten) allerdings relativ schwach ausgeprägt. So besitzt der Bundesrat, in welchem Vertreter:innen der Länder sitzen, lediglich ein suspensives Veto. Das bedeutet, der Bundesrat kann vom Nationalrat beschlossene Gesetze lediglich aufschieben, jedoch nicht verhindern (absolutes Veto).

Eine Art österreichische Besonderheit ist die sogenannte Landeshauptleutekonferenz. Diese ist in der Verfassung nicht verankert, trifft jedoch regelmäßig wichtige und weitreichende Entscheidung. Das Gremium wird auf der Parlamentshomepage als „wesentlicher Machtfaktor in der politischen Realität“ beschrieben.


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Vorteile des Föderalismus

Wie beschrieben ist eine Kernkomponente des Föderalismus das sogenannte Subsidiaritätsprinzip. Demnach soll eine höhere Hierarchie-Ebene (z.B. der Bund) nur dann eingreifen, wenn die Kompetenzen der niedrigeren Hierarchie-Ebene (z.B. eines Bundeslandes) nicht ausreichen. Etwas konkreter: Für den Bau eines Radwegs in einer Tiroler Gemeinde muss nicht der Nationalrat angerufen werden; genau so wenig kann jene Tiroler Gemeinde über die Handelsbeziehungen Österreichs mit der Schweiz mitstimmen.

Das Prinzip der Subsidiarität soll also eine gewisse Flexibilität und Nähe zu einzelnen politischen Entscheidungen gewährleisten. Diese Nähe sorgt im Regelfall für eine größere Identifikation der Bürger:innen und mehr politische Partizipationsmöglichkeiten. Dies gilt gemeinhin als großer Pluspunkt eines Föderalstaates.

Damit einhergehend betonen Befürworter:innen des Föderalismus einige weitere Vorteile. Zu nennen ist zuvorderst die Aufteilung politischer Macht und damit die Beschränkung der Macht des Bundes. Damit soll verhindert werden, dass Letzterer einfach „durchregiert“. Aus der Soziologie ist bekannt, dass Föderalstaaten besser in der Lage sind, die Interessen von ethnischen, sprachlichen oder religiösen Minderheiten zu integrieren.

Vorteile des Föderalismus

  • niedrigere Hierarchie-Ebenen können flexibler agieren
  • Bürger:innen fühlen sich politischen Entscheidungen näher
  • Die Macht im Staat ist besser verteilt, der Bund kann nciht "durchregieren"

Nachteile des Föderalismus

  • Entscheidungen sind teils schwer nachzuvollziehen, weil Bürger:innen oft nicht wissen, wer zuständig ist
  • Es entsteht oftmals ein "Fleckerteppich an Verordnungen" im Land
  • Entscheidungen sind komplexer und dauern länger

Nachteile des Föderalismus

Gleichzeitig ist diese Flexibilität oftmals Gegenstand von Kritik, da politische Entscheidungen und Kompetenzverteilungen für Außenstehende teils schwierig nachzuvollziehen sind. „Ein Flickenteppich an Verordnungen“ ist eine Kritik, die im Zusammenhang mit dem Föderalismus häufig vorgebracht wird.

Die Aufteilung von Entscheidungen auf mehrere Ebenen führt im Regelfall auch dazu, dass politische Prozesse und Entscheidungen mehr Zeit in Anspruch nehmen. Die Kritik am Föderalismus ähnelt daher der Kritik an demokratischen Verfahren im Allgemeinen. Demokratische Prozesse sorgen – im Idealfall – dafür, die Interessen möglichst vieler gesellschaftlicher Gruppen miteinzubeziehen; sie sollen für mehr Partizipationsmöglichkeiten von Bürger:innen sorgen, für Transparenz, für Kontrolle und für die Aufteilung von Macht. Aber diese Prozesse sind oftmals komplex, brauchen Zeit und kosten Geld.

Beispiele für föderalistische Staaten und Typen

Als modernes rechtsstaatliches Prinzip geht der Föderalismus auf die Zeit der Aufklärung zurück. Hier insbesondere auf einflussreiche Theoretiker wie Montesquieu oder Pierre-Joseph Proudhon. Deren Verständnis von Föderalismus unterscheidet sich teils vom heutigen Verständnis. Neben einem nur schwach ausgeprägten unitarischen Föderalstaat in Österreich unterscheiden Politikwissenschafter:innen eine ganze Reihe weiterer föderalistischer Staatentypen.

So wird das politische System der USA gemeinhin als Wettbewerbsföderalismus bezeichnet. Die Schweiz gilt als Vertreter eines Symmetrischen Föderalismus, in welchem sämtliche Teilstaaten gleiche Rechte besitzen. Deutschland zählt zu den typischer Vertretern eines Kooperativen Föderalismus.
Die genannten Föderalismen unterscheiden sich, grob gesagt, in ihrer Verteilung von Kompetenzen und Rechten zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten. Eine trennscharfe Unterteilung einzelner Föderalismustypen ist dabei in den seltensten Fällen möglich.

Verschiedene Ausprägungsformen des Föderalismus:

  • unitarischer Föderalismus: Rechte der Teilstaaten sind schwach ausgeprägt
  • Wettbewerbsföderalismus Teilstaaten haben in großen Bereichen einen eigenen Entscheidungsspielraum
  • Symmetrischer Föderalismus: Gleiche Rechte für alle Teilstaaten
  • Kooperativer Föderalismus: Gegenteil von Wettbewerbsföderalismus. Teilstaaten sollten möglichst zusammenarbeiten

Was ist das Gegenteil von Föderalismus?

Im Gegensatz zum föderalen, bundesstaatlichen Prinzip gilt Frankreich als typischer Vertreter eines zentralistischen Staates. Die wesentlichen politischen Entscheidungen werden in der Hauptstadt Paris getroffen.