Dominik Nepp: Aus
Straches Schatten

Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp über den Fall Strache und den freien Fall seiner Partei. Vom Mitregieren in Wien träumt er trotzdem.

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Straches Schatten © Bild: Ricardo Herrgott

Als großer blauer Elefant schwebt Heinz-Christian Strache bei der FPÖ noch immer im Raum herum. Man will eigentlich nicht mehr über ihn reden, noch weniger mit ihm zu tun haben -hilft aber nichts: Der langjährige, nun in Ungnade gefallene Parteichef bleibt ein Thema. Seine Frau Philippa Strache wurde wegen parteischädigenden Verhaltens hinausgeworfen. Er selbst ist suspendiert, die Vorwürfe rund um seine Spesen und seinen Lebensstil harren der finalen Prüfung, die FPÖ selbst gibt sich durch die Umstände leidgeprüft: Bei der Nationalratswahl setzte es eine herbe Niederlage, für die nächsten Landtagswahlen in der Steiermark sieht es nicht besser aus. Und nächstes Jahr folgt die wichtige Wahl in Wien. Schon schwebt wieder der blaue Elefant -diesmal durch die FPÖ-Räume im Rathaus. Wird Strache mit einer eigenen Partei gegen die Blauen antreten? Und wie geht man mit der Tatsache um, dass sich laut einer Umfrage für den "Standard" ein Drittel der FPÖ-Anhänger "den HC" zurückwünschen?

"Verlieren Vertrauen der Wähler"

Der Chef des nunmehr einfachen, suspendierten Parteimitglieds Heinz-Christian Strache ist Dominik Nepp. Nach dem Ibiza-Skandal und den Rücktritten der bisherigen starken Männer in der Wiener Landespartei, Strache und Johann Gudenus, muss er nun um Bekanntheit kämpfen und Funktionäre und Wähler bei Laune halten. Mit seinem früheren Mentor sei er noch in Kontakt, sagt Nepp: "Immer wieder einmal -das letzte Mal vor drei Wochen." Zu etwa diesem Zeitpunkt hatte Strache den Rückzug aus der Öffentlichkeit verkündet. Dennoch tut er regelmäßig seine Meinung via Facebook kund und kokettiert mit einer Rückkehr. Zuletzt mahnte er die Ex-Kollegen: In der FPÖ gehe es zu "wie im Kindergarten". Mit Streit gewinne man keine Wahlen. Hat er Recht?

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"Das ist auch meine Meinung: Je mehr man streitet, desto mehr verliert man das Vertrauen der Wähler. Aufgabe der Politik ist es, Probleme zu lösen, da helfen Streitereien überhaupt nicht weiter", sagt Nepp. Die Geduld der Wähler ist ohnedies schon sehr ausgereizt. Sah es anfangs noch so aus, als könnte die FPÖ den Ibiza-Skandal aussitzen, sorgten das üppige Spesenkonto Straches, Mietzuschüsse aus Parteigeldern und das Gehalt seiner Frau für heftige Absetzbewegungen. Doch Nepp übt sich in Zweckoptimismus: "Das Video hat bei vielen Wählern ein Bauchgefühl ausgelöst, das ist dann durch die Ereignisse der letzten Wochen vor der Wahl bestätigt worden und es haben viele gesagt: Diesmal wähle ich nicht die FPÖ. Doch wir arbeiten an strengen Compliance-Regelungen. Und wir hatten nie ein Positionierungsproblem. An unseren Themen: Sicherheit, Integration, soziale Gerechtigkeit hat sich nichts geändert. Ich bin optimistisch, dass wir die größte Wählerrückholaktion der Zweiten Republik starten."

"Ich hoffe, dass nichts dran ist"

Was auffällt: Nepp geht mit seinem einstigen Förderer milder um, als es etwa der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner tut, der den Ausschluss Straches fordert. Der Wiener FPÖ-Mann sagt: "Da muss man einiges geraderücken: Die Spesen sind nicht für private Ausgaben getätigt worden, sondern für Repräsentation im Sinne der Obmannschaft. Und auch die 10.000 Euro pro Monat stimmen nicht. Es gab ein Spesendarlehen und wenn das aufgebraucht war, dann wurde es wieder aufgefüllt. Manchmal nach einem Monat, manchmal erst nach einem halben Jahr." Diese Regelung reiche bis Jahr 2006/2007 zurück. Die FPÖ habe alle Belege den ermittelnden Behörden übergeben und auch selbst intern geprüft, erklärt Nepp: "Fakt ist, dass wir dabei keine Belege für Handtaschen und Luxusartikel gefunden haben. Aber falls ein Betrug stattgefunden hat und private Rechnungen kaschiert wurden, gilt es, das durch die Justiz aufzuarbeiten und wir kooperieren voll." Die FPÖ hätte, sagt Nepp, vor der Wahl "noch stärker erklären sollen, dass das keine Spesen für Luxusartikel waren. Aber das war in diesem Komplettchaos nicht mehr kommunizierbar."

Nepp ist auch zurückhaltender, wenn es um den Parteiausschluss des Ex-Chefs geht. "Strache ist suspendiert, hat also keine Rechte und keine Pflichten als Mitglied. Es gibt jetzt eben diese Vorwürfe im Raum und da hoffen wir, dass nichts dran ist." Jedes Mitglied werde in so einem Fall gleich behandelt, Straches Aussagen würden derzeit "juristisch bewertet, denn wenn es einen Ausschluss geben soll, muss er statutenkonform sein, vereinsrechtlich halten und allenfalls vor einem Zivilgericht. Für parteischädigendes Verhalten gibt es ein Schiedsgericht, das alles bewertet, aber bis jetzt hat das Schiedsgericht noch nichts gefunden."

Ein Comeback in Wien?

Dass Nepp versucht, den Ball flach zu halten, ist kaum verwunderlich. Denn für 14 Prozent der FPÖ-Wähler ist Strache noch immer "ganz sicher" wählbar, für 35 Prozent "möglicherweise", zeigt eine Umfrage von Peter Hajek für ATV. Diese Strache-Fans will Nepp nicht verprellen. Ob er damit rechnet, dass ihm Strache bei der Wien-Wahl 2020 mit einer eigenen Liste die Wähler abjagt? "Das kann natürlich passieren, aber so, wie ich ihn kenne und er selber bei der Pressekonferenz gesagt hat -nämlich, dass er sich aus der Politik zurückzieht, bis alles aufgeklärt ist, nehme ich nicht an, dass er in die Arena steigt." Denn: "Ich glaube, es wird noch mehrere Jahre dauern, bis alles aufgeklärt ist."

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Bei der letzten Wahl in Wien, 2015, kam die FPÖ noch auf 30,8 Prozent der Stimmen. 2020 wäre Dominik Nepp schon froh, wenn er es über die 20-Prozent-Hürde schafft. Die Wahlkampfthemen sind klar, es sind die gleichen wie in den letzten Jahrzehnten: "Wir werden auf unseren beinharten Positionen draufbleiben: dem Kampf für mehr Sicherheit und für mehr soziale Gerechtigkeit. Wir fordern zum Beispiel einen Staatsbürgerbonus im sozialen Wohnbau, der weiter geht als der Wien-Bonus von Michi Ludwig, bei dem es nur nach Meldedauer geht." Doch dass die SPÖ das Sicherheitsfeld ebenfalls bespielt, könnte die Sache für die FPÖ schwieriger machen: "Bis jetzt gibt es ja noch nichts vom Michi Ludwig zu diesem Thema, außer dem Alkoholverbot am Praterstern -und das ist noch von Michael Häupl", bemüht sich Nepp um Abgrenzung. Seine Partei fordere einen Sicherheitsstadtrat, der alle Wiener Ordnungsdienste bündelt und beim Innenministerium um mehr Planstellen für die Wiener Polizei kämpft. "Da war Herbert Kickl auf dem richtigen Weg, das ist von der Übergangsregierung wieder gestoppt worden. Wenn nun Schwarz-Grün kommt -und so sieht es ja aus -lässt das für die Sicherheit Wiens nichts Gutes erahnen."

Nepps beste Wahlhelfer im Zeitalter nach Strache wären also offenbar Sebastian Kurz und Werner Kogler, so sie sich denn auf eine Koalition einigen: "Die werden andere Schwerpunkte setzten als Sicherheit und das Abschieben von kriminellen Ausländern oder bei Asylmissbrauch. Da wird es keine Härte geben. Kurz wird ein Problem haben, die Linie, die er mit uns gehabt hat, kann er nicht mehr umsetzen. Dass er überhaupt Gespräche mit den Grünen führt, zeigt ja, dass Kurz, Gernot Blümel und diese junge, angeblich türkise Partei nur noch Marionetten der altschwarzen Landeshauptleute sind, die sich Schwarz-Grün wünschen und Türkis-Blau immer torpediert haben." Und dann, so hofft Nepp, "sind jene, die uns bei der letzten Wahl nicht mehr wählen wollten, schneller wieder da, als man glaubt".

Mitregieren in Wien?

Ob sich die FPÖ aus Sicht des Wiener Wahlkämpfers noch einmal mit Kurz an den Verhandlungstisch setzen sollte? "16 Prozent sind kein Regierungsauftrag. Und bei diesem Ergebnis für uns wird Kurz sicher nicht sagen, wir machen mit dem gleichen Regierugsprogramm weiter, sondern er wird sich die Schlüsselressorts holen und bei unseren Anliegen, direkte Demokratie und GIS-Abschaffung, keine Zugeständnisse machen."

In Wien aber säße Dominik Nepp gerne als "echter" Vizebürgermeister am Regierungstisch, nicht bloß als ein dem Proporzsystem geschuldeter. Doch in Wien nimmt die SPÖ den Parteigrundsatz "Nicht mit der FPÖ" besonders ernst: "Ludwig wird ein großes Problem haben, dass er sich entscheiden muss zwischen den Flügeln: Macht man weiter mit Rot-Grün oder öffnet man sich zu den Freiheitlichen und schließt nicht 30 Prozent der Wähler aus."

Der Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (44/2019) erschienen.