Schauspieler Hans Sigl: "Ich hoffe, dass wir daraus lernen"

Wie erlebt "Bergdoktor"-Darsteller Hans Sigl die Corona-Krise? Was macht die Situation mit Künstlern und Künstlerinnen, was macht sie mit uns?

von In Zeiten von Corona - Schauspieler Hans Sigl: "Ich hoffe, dass wir daraus lernen" © Bild: www.angi.pictures/ZDF/Andrea Leichtfried

Das Coronavirus bringt turbulente Zeiten mit sich. Da sehnt sich der ein oder andere vielleicht nach einem wie Dr. Martin Gruber; Arzt aus Ellmau, der besonnen, aber nicht weniger energisch, nach Lösungen sucht und Diagnosen stellt. "Der Bergdoktor" ist Fiktion, betont der, der ihn verkörpert, Hans Sigl.
News.at sprach mit dem Schauspieler genau über diesen Spagat zwischen Fiktion und Realität, über die Auswirkungen der Krise auf die Kulturszene und stellt die Frage: Hat die Krise auch etwas Gutes?

News.at: Herr Sigl, Sie sind Schauspieler und vielen als der "Bergdoktor" bekannt. Wie haben Sie den Ausbruch von Corona erlebt?
Hans Sigl: Das ging eigentlich auf vielen Ebenen los. Man kriegt Wuhan mit und denkt sich "aha", stetig neue Meldungen und auf einmal ist es da und plötzlich überschlagen sich die Dinge. Das war dann ein neues Momentum, wie man solch eine Nachricht aufnimmt.

Die Kulturschaffenden hat es auch getroffen. Absagen und Verschiebungen legen den Kunst- und Kulturbetrieb nahezu lahm. Inwiefern sind Sie betroffen?
Ganz ehrlich, ich bin aktuell "The lucky one". Das Winterspecial für den "Bergdoktor" haben wir abgedreht und die neue Staffel sollten wir Mitte Juni drehen. Ich hatte dazwischen eigentlich nur eine Lesung, die ich leider absagen musste. Einen Ersatztermin haben wir aber schnell gefunden. Eigentlich ist genau dieser Zeitraum jetzt mein Urlaub. Ich bin halt noch in der Warteschleife, wann unsere Staffel wieder losgeht. Jetzt heißt es erst einmal abwarten.

»Ich bin grundsätzlich optimistisch«

Sie sind aber optimistisch, dass heuer noch gedreht werden kann?
Wir werden dieses Jahr bestimmt noch die ein oder andere Folge vom "Bergdoktor" drehen.
Ich bin grundsätzlich optimistisch, dass die Menschheit im 21. Jahrhundert eine solche Krise in den Griff kriegen wird. Auch wenn es momentan an manchen Ecken und Enden etwas seltsam aussieht und die Überforderung vor der Tür steht. Aber man sieht ja auch - ob das nun klug ist oder nicht -, dass manche Daily-Formate wieder die Produktion aufnehmen. Mit Sicherheitsabstand, versteht sich.
Wir werden alle neu denken müssen. Der große Satz "danach wird nichts mehr so sein wie davor" hat Berechtigung. Ich glaube, dass die Krise mit uns als Menschen etwas macht. Aber natürlich ist das aktuell sehr bitter für jene Kollegen, die von Live-Auftritten leben, wie beispielsweise die Theaterschauspieler.

Passend dazu: Wie uns die Krise verändert

Da tut sich ja aktuell auch einiges. Aufführungen werden in den digitalen Raum verlegt, Lesungen via Webcam durchgeführt. Welche Rolle nehmen Künstler und Künstlerinnen in solch einer herausfordernden Zeit ein?
Vielen wird jetzt bewusst, welchen Stellenwert die Kunst und die Kultur im sozialen Miteinander haben. In den letzten Jahren hat man immer mehr von Budgetkürzungen, von Subventionen, die gestrichen wurden, gehört. Jetzt fällt auf, was eigentlich verloren geht, wenn Kultur nicht stattfindet. Diese Einsicht finde ich wichtig und sehr wohltuend; auch wenn die derzeitige Situation natürlich sehr schmerzhaft für viele Kollegen ist.

»Ich hoffe, dass wir daraus lernen«

Wird diese Einsicht auch nachhaltig anhalten? Den sogenannten "systemerhaltenden Berufen" wird aktuell Mut zugesprochen, den Menschen im Einzelhandel wird zugeklatscht. Aber schlägt sich das auch auf das Gehalt nieder, wird das positive Konsequenzen haben?
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir sind jetzt an einem Punkt, den viele Künstler und Künstlerinnen nutzen, um genau darauf aufmerksam zu machen. Und ich hoffe, dass es dann auch so bleiben wird. Dass die Leute ins Theater gehen, weil sie genau diesen Stellenwert unterstreichen wollen. Ich hoffe inständig, dass der Kulturbereich als genauso wertvoll empfunden wird wie beispielsweise die Industrie. Ich hoffe, dass wir daraus lernen.

Wie steht es um Ihr Vertrauen in die Politik? Oder vertrauen Sie eher den Virologen?
Ich höre beiden Seiten zu und beide sind gefordert. Wenn man sich umschaut, beispielsweise nach Ungarn oder in die USA, können wir uns glücklich schätzen, dass wir in einem Sozialstaat leben. Der Virologe Hendrik Streeck hat vor Kurzem gesagt: "Wir (die Virologen, Anm.) können nur Empfehlungen aussprechen, die Entscheidungen treffen die Politiker." Und die Politiker sind in einer schwierigen Situation. Sie müssen abwägen: Welche Maßnahmen sind umsetzbar? Welche sind notwendig, ohne die Bevölkerung gleich zu verschrecken? Österreich macht da scheinbar, mit Herrn Anschober, eine sehr gute Figur. Und in Deutschland ist man auch sehr bemüht, es richtig zu machen.

Sie haben Ungarn angesprochen. Dort wurde das Parlament faktisch entmachtet. Machen Sie sich Sorgen, dass jetzt die Grundrechte in Gefahr geraten?
Es gibt gewisse rote Linien, die nicht zu überschreiten sind. Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir in einer funktionierenden Demokratie leben und das nicht passieren wird.

Machen wir einen Sprung: Trockener Husten, hohes Fieber. Hätte Dr. Gruber das Coronavirus gleich erkannt?
Natürlich, natürlich (lacht).
Auch wenn sich das im Laufe der Zeit gewandelt hat und ich nicht mehr um Diagnosen gebeten werde, gab es einige Kommentare auf meiner Facebookseite – mit großem Augenzwinkern – "Hätte Dr. Gruber das schon in den Griff bekommen?"
Aber das ist Fiktion und das andere ist die Realität.

Und dennoch möchte ich kurz bei dieser Figur bleiben. Der Bergdoktor ist einer, der ruhig und besonnen agiert. Er kommt nicht zur Ruhe, ehe er eine Lösung gefunden hat. Wünscht man sich nicht genau so jemanden in Zeiten wie diesen?
Dieser Gedanke begleitet mich tatsächlich schon über die ganze Zeit des Bergdoktors. Ich höre immer wieder "So einen Arzt müsste man haben". Da geht es aber um andere Themen ...

Um welche genau?
Die Überlastung der Ärzte, keine Zeit für ihre Patienten, die Unterversorgung der Ärzte am Land ... Dr. Martin Gruber - mit seiner einsamen Praxis in den Bergen - ist natürlich ein überhöhtes Wunschbild. Der Wunsch, dass der Patient einen Arzt möchte, der Zeit hat, der ihm zuhört. Natürlich kann ich es dann verstehen, dass der Gedanke aufkommt, so jemanden haben zu wollen. Einer, der mir pausenlos hinterherfährt und mir sagt, was ich zu tun habe.

Der "Bergdoktor" ist ja auch so etwas wie ein Psychologe. Er nimmt sich Zeit, hört den Menschen zu. Wenn nun jemand in seine Praxis kommen würde – in Zeiten wie diesen – und sagen würde, dass ihm die ganz Situation Angst macht, was würde Dr. Gruber antworten?
Man sollte die Fiktion und die Realität nicht vermischen. Dennoch hört man die Tage vermehrt von Experten, dass die Menschen besonnen und ruhig ihrem Tagesablauf nachgehen müssen. Dass sie Struktur brauchen, um sich, in dieser wirklich sehr seltsamen Zeit, nicht zu verlieren. Man sollte jetzt schauen, dass wir besonnen und ruhig agieren und die Kurve abflachen, Neuinfektionen vermeiden. Das finde ich sinnvoll und das würde vermutlich auch Dr. Gruber raten.

"Bergdoktor": Das Quiz zur Erfolgsserie

Welche Vorkehrungen treffen Sie eigentlich selbst? Gehen Sie gar nicht mehr außer Haus?
Ich wohne am Land. Das heißt, ich hab das Glück, dass ich noch spazieren gehen kann, ohne dass ich auf jemanden treffe. Natürlich werde ich dann, sobald ich in Kontakt mit anderen trete, Schutzmaske und Handschuhe anziehen. Den Kontakt mit anderen versuche ich aber momentan, soweit es geht, zu vermeiden.

»Das Hamsterrad steht aktuell still«

Hat die Krise für Sie auch etwas Gutes?
Ich glaube, dass muss dann jeder letztlich für sich selber entscheiden. Herausfinden, was für einen in diesem Moment wichtig und was unwichtig ist.

In dieses Hamsterrad, in dem sich unsere Gesellschaft befindet und das nach den Prinzipien "schneller, höher, weiter" funktioniert, wurde jetzt ein Stock reingesteckt, der das Ganze für den Moment zum Stillstand bringt. Bedauerlicherweise mit wirtschaftlichen Folgen, die jetzt noch nicht absehbar sind. Aber dennoch muss jeder für sich selbst diese Zeit nutzen und überlegen, auf welche Werte er oder sie sich wieder besinnen kann und will.

Was ist Ihnen denn wichtig?
Wir, in unserer europäischen Situation, sollten uns klarwerden, wie privilegiert wir eigentlich sind. Dass wir in einem System leben, das sehr auf uns achtet und versucht, jedem das zu geben, was er braucht, um zu überleben.

Der Wilde Kaiser dient als Kulisse für die Erfolgsserie "Bergdoktor" – bessere PR für das Land Tirol gibt es kaum. PR, die das Land jetzt gut gebrauchen kann. Tirol geriet international in die Schlagzeilen, als es um die Verbreitung des Virus ging. Wird man den Imageschaden wettmachen können?
Da geht es, glaube ich, gar nicht um einen Imageschaden. Die Situation ist viel komplexer. Man versucht den Schaden zu begrenzen, darum geht es.

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