Ausgebeutetes Österreich!

54 Millionen unbezahlte Überstunden leisten die Österreicher pro Jahr

von Arbeit - Ausgebeutetes Österreich! © Bild: ©Andres Rodriguez/Blend Images LLC/Corbis

Österreich ist Vizeeuropameister. Allerdings in einer fragwürdigen Disziplin. Fast unschlagbar im (zu) langen Arbeiten. Außer den Briten arbeitet niemand mehr als Vollzeitbeschäftigte in Österreich. Im Durchschnitt kommen wir auf 41,8 Stunden in der Woche. Oder anders ausgedrückt: auf 270 Millionen Überstunden pro Jahr, die von etwa 700.000 Beschäftigten geleistet werden. Allerdings: Jede fünfte Überstunde ist in Österreich unbezahlt. Laut Statistik Austria wurden so 2013 unglaubliche 54 Millionen Überstunden verrichtet - doch Geld gab’s dafür keines. 40.000 Vollzeitjobs würden entstehen, wenn statt unbezahlter Überstunden einfach mehr Menschen beschäftigt würden.

Doch warum arbeiten die Österreicher so viel unbezahlt? Der Soziologe Jörg Flecker nennt als Grund All-In-Verträge, in denen Mehrleistungen inkludiert sind: "500.000 Österreicher - das sind rund 15 Prozent aller Beschäftigten - haben solche Verträge. Das betrifft längst nicht mehr nur Spitzenverdiener, sondern wird zum Massenphänomen.“

Christian N., 32, Möbelhändler: 35 Überstunden pro Monat unbezahlt!

"Mir hat die Vorstellung, im Möbelhandel zu arbeiten nicht schlecht gefallen. Ich war zuvor Tischler und froh, endlich Staub, Lärm und die Gefahr einer Arbeitsverletzung los zu sein. Doch was sich zunächst wie eine Verbesserung anfühlte, war schon bald nur noch eine große Belastung. Für 1.600 Euro brutto war ich vom Veranstaltungsfotografen bis zum Einkäufer für die Firma in allen möglichen Gebieten im Einsatz, und das deutlich mehr als vierzig Stunden.
Da wir eine Verkaufsprovision erhielten, zahlte die Firma einfach keine Überstunden. Doch Provisionen gab es so gut wie nie, da der Standort schlecht war. Völlig absurd wurde es, als ich neben meiner Tätigkeit als Verkäufer für die Firma auch im Einkauf tätig war. Ich war zeichnungsberechtigt und jonglierte so mit Bestellungen, deren Wert in die Millionen ging.
Weder war ich dafür ausgebildet, noch war klar, wer für meine Entscheidungen haftete. Jeder Fehler von mir hätten den Betrieb ruinieren können. Doch wurde ich nur entlohnt wie ein einfacher Angestellter. Außerdem wurde absolute Flexibilität verlangt. Es war ein Friss oder Stirb. Wer nicht mitmachte, wurde gegangen.
Am Ende war meine Beziehung komplett belastet und ich völlig überarbeitet. Ich musste die Notbremse ziehen, und sogar die Arbeitslosigkeit war mir noch lieber als einen Tag weiter in dieser Firma zu arbeiten. Heute bin ich bei einem Verkehrsunternehmen glücklich geworden. Hier wird wenigstens jeder Cent ehrlich abgerechnet.“

Jana M., 36, Geschäftsführerin: 15 Überstunden pro Monat unbezahlt!

"Nach Jahren im Ausland habe ich in Kärnten meinen Traumjob gefunden. Sehr gut bezahlt, eine Dienstwohnung, ein Dienstauto und vor allem eine Aufgabe, die mich extrem gereizt hat: Als gewerbliche und operative Geschäftsführerin sollte ich einen Gärtnereibetrieb neu aufstellen. Perfekt für mich, schließlich habe ich Wirtschaft und Landwirtschaft studiert.
Fast drei Jahre habe ich mich mit Herzblut dieser Aufgabe gewidmet. Überstunden waren die Regel, wenn es die Gartensaison verlangte, wurde auch sieben Tage durchgearbeitet.
Nach und nach sind zusätzliche Aufgaben dazu gekommen, denen ich mich ebenfalls mit großer Motivation gestellt habe. Das Team war toll, meine Leistung fand überall großen Anklang. Dann wurde mir ein Berater beigestellt, der mir Aufgaben aufgetragen hat, die manchmal gar nicht lösbar waren. Ich war bereits sehr überarbeitet, dann musste ich plötzlich bis in die Nacht an Listen schreiben. Widerrede ließ er nicht gelten.
Ich war total verunsichert und habe begonnen, um meinen Job zu fürchten. Trotzdem habe ich weiter funktioniert, sogar meine Anstrengungen noch verstärkt.
Als ich dann mit Herzrhythmusstörungen zum Arzt gehen musste, erklärte ich dem Betriebseigentümer, dass ich mit diesem Berater nicht weiter arbeiten würde. Daraufhin wurde ich entlassen. Nun klage ich meine Überstunden ein.
Mir geht es hauptsächlich darum, meine Würde wiederherzustellen. Vom Berater, so habe ich gehört, hat sich die Firma inzwischen getrennt.“

Konstantin L., 35, Buchhalter: 45 Überstunden pro Monat unbezahlt!

"Ich arbeite bei einem großen österreichischen Papierhersteller im Rechnungswesen. Doch die Zustände sind ganz anders, als man sich das bei einem so renommierten Unternehmen erwarten würde. Wer krankheitsbedingt länger ausfällt oder dem Druck nicht mehr Stand hält, wird sofort gegangen. Ich bin erst drei Jahre hier und gehöre schon zu den Dienstältesten.
Kein Wunder, denn jede Woche komme ich auf mehr als zehn Überstunden. Dazu noch Wochenenddienste und einmal im Monat steht die Abrechnung an, da sitzen wir dann bis tief in die Nacht und arbeiten, bis wir fertig sind, egal wie lange es dauert. Für all das bekomme ich lächerliche 40 Euro Überstundenpauschale pro Monat, die ja schon für die Überstunden des ersten Tages im Monat aufgebraucht sind. Für den Rest des Monats gibt es gar nichts.
Klar, dass diese Arbeitsbelastung auch Opfer fordert. Früher war ich sehr aktiv. Jetzt brauche ich viel Zeit auf der Couch, um mich zu erholen. Meine Freundin wird schwer damit fertig, dass ich kaum Zeit habe und wenn ich da bin, oft völlig übermüdet bin. Inzwischen würde ich lieber heute als morgen wo anders arbeiten, doch bei der aktuellen Arbeitsplatzsituation kann man mich offenbar so ausbeuten, weil ich kaum eine Alternative habe.“

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Kommentare

christian95 melden

Ausgebeutet, arbeitslos oder bis 65 arbeiten (oder sogar noch länger) ... das alles bekommt man in der Privatwirtschaft. Parteigünstlinge werden weiterhin mit hochbezahlte Jobs beim Staat versorgt, können ab 50 in Pension gehen und freuen sich über Zusatzpensionen bis zu knapp 40.000 im Monat!!! Parteigünstlinge haben sogar Privilegien bei der Krankenkasse.

christian95 melden

Bringt ein Politiker einen Vergleich mit der furchtbaren "Nazizeit" gibt es wochenlang Proteste vom Bundespräsidenten abwärts. Werden aber 100.000e Österreicher ausgebeutet ist das ALLEN völlig egal!!!

So traurig diese Beispiele sind, sie sind nur die Spitze des Eisberges.
Wenn ein Arzt eine Assistentin sucht, schon in der Stellenausschreibung von " Überstundenbereitschaft " spricht, neben der erforderlichen Ausbildung noch englisch und italienisch in Wort und Schrift erwartet, um dann 900 Euro brutto für 35 Stunden anzubieten, dann ist das nur ein Minibeispiel für Ausbeutung.

Andi Freund melden

Da hat sich News aber leichte Fälle ausgesucht, ich kenne da genügend die auf mehr als 30 Überstunden pro Woche kommen.
Und lieber Christian die Gewerkschaften und Betriebsräte arbeiten nicht für uns die arbeiten nur für sich selbst....das ist leider so, mit den Firmen packeln bzw. pseudomäßig streiten, bis sie für sich SELBST das meiste heraus geholt haben.....richtig grauslich

christian95 melden

Offensichtlich freuen sich die Arbeitnehmer über die viele Ausbeutung! Sonst würden sie nicht immer wieder z.B. bei der AK Wahl (oder NR Wahl) immer wieder so wählen.
Nur wer Veränderung wählt bekommt auch Veränderung.

Wie ist das möglich? Hat doch Österreich die höchste Dichte an sogenannten Arbeitnehmervertreter weltweit!
10 Arbeiterkammern, 10 ÖGB´s viele Fachgewerkschaften, jede wieder mal 10.
10 Sozial- und 10 Arbeitsminister usw....
Und die schauen dabei alle weg???

Österreichischer Unternehmer der in China eine Fabrik hat: In China habe ich 4 Sekräterinnen. Für die selbe Arbeit würde ich in Österreich nur 2 anstellen. Die Chinesinnen sind viel weniger Stressfest.
Die sind entsetzt wenn man um 16:00 einen umfangreichen Geschäftsbericht bis Dienstende fordert. In Österreich wird das ohne Murren erleditg.

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