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Die künftige Bundesregierung muss mit Blick auf den ORF jedenfalls recht rasch tätig werden. Denn der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat im Vorjahr erkannt, dass die Regierung zu viel Gewicht bei der Bestellung des ORF-Stiftungsrats hat. Eine Reparatur des ORF-Gesetzes muss bis Ende März 2025 erfolgen. Die Regierung könnte das zum Anlass nehmen, weitreichendere Änderungen für den ORF vorzunehmen - wie auch aus den diversen Wahlprogrammen der Parteien hervorgeht.
So spricht sich die FPÖ schon seit längerem für eine Abschaffung des ORF-Beitrags in Form einer Haushaltsabgabe aus und betont, den ORF auf einen "Grundfunk" verkleinern zu wollen. Die ÖVP will den ORF "verschlanken, bürgernäher und regionaler" machen. Und die NEOS wollen neben einer Entpolitisierung der ORF-Gremien eine Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags umsetzen. Die Grünen bekennen sich zur finanziellen Absicherung des ORF und streben eine Gremienreform an, die das Vertrauen in den Medientanker stärken soll, während die SPÖ u.a. stört, dass die Haushaltsabgabe nicht auf die Einkommenshöhe abstellt.
Heinz Lederer, Sprecher des SPÖ-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, befürchtet mit Blick auf die Vorhaben mancher Parteien eine "Zerkleinerung und Zerschlagung des ORF und einen massiven Personalabbau". Sorge bereitet ihm u.a. die künftige Finanzierung der Film- und Fernsehwirtschaft, in die der ORF jährlich grob 100 Mio. Euro pumpt. Auch die Zukunft der Infoberichterstattung und Kultur- sowie Sportübertragungen bereiten ihm Kopfzerbrechen. Speziell bei letzteren ortet er eine "historische Chance", Bürgernähe zu beweisen. "Wir sind der einzige Free-TV-Anbieter neben ServusTV, der diesen Wildwuchs und die Ausbeutung der Konsumenten hintanhalten kann", sagte er gegenüber der APA mit Blick auf Übertragungen von Premiumsport, der zusehends hinter verschiedenste Paywalls abdriftet. Derzeit ortet er fehlenden Willen, gegen alle Widerstände zu zeigen, dass man diese Rolle als ORF einnehme. "Die Strategie des ORF muss Hand und Fuß haben, um einen Regenbogen in die Zukunft zu spannen", forderte Lederer, der sich nach erfolgter Gremienreform durch die Politik auch eine Neuwahl der Geschäftsführung wünscht. Es sei eine "Haltungsfrage", bei einem neuen Aufsichtsrat erst festzustellen zu lassen, ob das Vertrauen in die Führung noch gegeben sei.
Auch Sigrid Pilz, die für den Grünen-"Freundeskreis" spricht, sieht mittelfristig "Gewitterwolken am Horizont" aufziehen. "Ich sorge mich, dass ein möglicher Rechtsruck für den ORF Schlimmes bedeutet", hielt sie fest. Eine mögliche blau-schwarze Regierung berge die Gefahr, dass "man den ORF zusammenstreichen und seine Unabhängigkeit beenden würde". Eine derartige Entwicklung wäre "eine große Katastrophe auch für das Publikum und die gesamte österreichische Gesellschaft", meinte sie. Die FPÖ sieht das in ihrem Wahlprogramm naturgemäß anders, ortet sie doch eine gegenwärtig "einseitige und unausgewogene" Medienlandschaft, in der alternative Medienkanäle - die mitunter als rechtsextrem oder mit Hang zu Verschwörungserzählungen eingestuft werden - keine Chance auf Entfaltung hätten.
Thomas Zach, Leiter des ÖVP-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, äußerte sich gegenüber der APA gelassener. Dass der ORF seinen ordnungspolitischen Rahmen im Parlament bekomme, sei "gut so". "Ich wüsste im Moment aber - abseits der Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses - nichts, was einen Änderungsbedarf hätte", so Zach. Dass die Unabhängigkeit des ORF in Gefahr sei, glaubt er nicht. Diese sei mit einem Verfassungsgesetz abgesichert. "Ich glaube nicht, dass jemand plant, dieses zu ändern."
Sehr positiv sieht Zach, dass die ORF-Geschäftsführung proaktiv Unternehmensprozesse sichte, um die Effizienz zu steigern und so mehr Investitionen ins Programm zuzulassen. Das sei im Sinne des Publikums, das der ORF mit seiner Strategie 2030 in den Mittelpunkt rückt. Ziel sei es, jene ORF-Seherinnen und -Seher verstärkt anzusprechen, die derzeit nicht sehr zufrieden mit dem Angebot sind. Zach spricht von einer "Win-Back-Strategie", die am Donnerstag vom Stiftungsrat zur Kenntnis genommen, aber nicht formal beschlossen werden soll.
Bereits informiert wurden die Stiftungsräte darüber, dass sich die Zahl der "Geisterhaushalte" zusehends reduziert. Ende Mai wurde eine Lücke in Höhe von ca. 180.000 Haushalten publik, die sich aufgrund einer Prognose des Gesetzgebers nach der Umstellung von der GIS-Gebühr auf den ORF-Beitrag aufgetan hat. Der ORF wollte das daraus resultierende Finanzloch in der Höhe von ca. 30 Mio. Euro etwa mit der Auflösung von Rücklagen stopfen und richtete zudem eine Taskforce ein, die sich auf die Spur der unklaren Haushalte machen sollte. Mittlerweile hat sich die Zahl auf unter 100.000 reduziert. "Wenn man eine Geschäftsführung hat, die tatsächlich auch handelt, können Probleme auch gelöst werden. Die Geisterhaushalte materialisieren sich", sagte Zach. "Jetzt kann der ORF finanziell fürs Erste aufatmen", lobte auch Pilz die Arbeit der vergangenen Monate.