von
"Es gibt Sicherheitslücken, die hat aber nicht der Staat zu verantworten", sieht er sich bei der Gefährder-Überwachung, die am Donnerstag auch die Länderkammer passierte, nicht in der Verantwortung. Der Staat könne diese Lücken auch gar nicht schließen, das sei die Aufgabe der Handybetreiber. "Es ist Aufgabe der Politik, schwierige Entscheidungen zu treffen", meinte Leichtfried, und das habe man getan. Datenschützer kritisieren hingegen, dass ein Eingrenzen der sogenannten "Messengerüberwachung" eben nur auf Apps wie Telegram oder Whatsapp technisch nicht möglich sei, und ein "Bundestrojaner", wie er von Kritikern in Anlehnung an das 2019 vom VfGH gekippte Projekt genannt wird, Komplettzugriff auf das ganze Gerät benötigt.
Möglich wird die Überwachung nur nach Anordnung eines Drei-Richter-Senats und begleitet von einem Rechtsschutzbeauftragten, der die Dateien jederzeit einsehen kann. Wie Leichtfried bereits betonte, handle es sich dabei nicht um einen "einsamen alten Mann", sondern es stehe ein großes Team hinter dem Rechtsschutzbeauftragten. "Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da irgendwer gängeln ließe", ist er überzeugt. Dass es zu Missbrauch kommen könnte, wie etwa in Spanien, Polen oder Griechenland, wo mit ähnlichen Softwares die Mobiltelefone von Journalisten und Oppositionellen abgehört wurden, glaubt er nicht. "Wir haben im Vergleich zu diesen anderen Ländern sicher den höchsten Rechts- und Missbrauchsschutz. Dazu kommt, dass im Strafgesetzbuch ein eigener Tatbestand geschaffen wird, der über den Amtsmissbrauch hinausgeht."
Bis es tatsächlich soweit ist, wird es aber noch dauern. Innerhalb der nächsten zwei Jahre soll die Besorgung der Software abgewickelt werden. "Aber vielleicht geht es ja ein bisschen schneller", so der Staatssekretär. Der Rechtsschutzbeauftragte, der mit der Kontrolle betraut und im Innenministerium angesiedelt ist, wird auch in den Beschaffungsvorgang eingebunden. "Darüber hinaus braucht es eine Verordnung des Innenministeriums dazu. Und es gibt dann auch einen Bericht an den Unterausschuss zum Innenausschuss im österreichischen Nationalrat, wo dann über die Leistungsfähigkeit, die Eigenschaften und die finanzielle Gebarung berichtet wird."
Welches Unternehmen schließlich beauftragt wird, wird sich zeigen. Ob auch die israelische Firma "Dream Security", deren Gründer zuvor die Spionagesoftware "Pegasus" herstellte und an der Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz Anteile hält, infrage komme, könne Leichtfried nicht sagen. "Es ist nicht die Aufgabe eines Staatssekretärs hier irgendwelche Tipps zu geben oder Entscheidungen zu wünschen".
Nicht lange dauerte es, bis nach der Einigung auf die Gefährder-Überwachung zur Bekämpfung von Terrorismus bereits Stimmen - vermehrt aus der ÖVP - die Ausweitung forderten. Innenminister Gerhard Karner etwa, aber auch der Chef des Bundeskriminalamts Andreas Holzer wollten eine Ausweitung für den Kampf gegen Drogenkriminalität. "Das ist kein Thema für die nächsten fünf Jahre", will Leichtfried am Regierungsprogramm festhalten.
Geschuldet sei diese Maßnahme auch der Sicherheitslage im Land, die es notwendig mache, dem Verfassungsschutz mehr Möglichkeiten in die Hand zu geben. Vorbei sei die Zeit, in der Österreich so etwas wie die "Insel der Seeligen" darstellte. Die Sicherheitslage habe sich verschärft, auch weil internationale Konflikte nach Österreich wirken und hier "ausgefochten" werden. "Die Anzahl extremistischer Straftaten ist massiv gestiegen, sowohl im rechtsextremistischen, als auch im islamistischen Bereich. Die Terrorgefahr ist hoch", warnt Leichtfried, und verweist auf zumindest acht verhinderte Terroranschläge seit 2023. Zählte der Verfassungsschutz vor einigen Monaten noch rund 50-60 "Hochrisikogefährder" - Personen, die jederzeit einen Anschlag verüben könnten - spreche man mittlerweile von einer Zahl "im niedrigen dreistelligen Bereich".
Eine "Frage der nationalen Sicherheit" sei mittlerweile die "Online-Radikalisierung". Wichtig sei für ihn die Diskussion um eine Altersgrenze für Social Media, die insbesondere nach dem Amoklauf an einer Grazer Schule im Juni entfacht war. "Ich bin auch froh, dass das auf EU-Ebene jetzt sehr schnell zu gehen scheint und das wird auch Hauptteil der dänischen Ratspräsidentschaft sein, so was EU-weit umzusetzen." Eine EU-Verordnung wäre "sinnvoller, weil die viel breiter greift", bis Jahresende will er aber jedenfalls in Österreich eine Altersgrenze von 15 Jahren umgesetzt wissen.
Um der Radikalisierung junger Menschen entgegenzuwirken, sind weitere Maßnahmen im Regierungsprogramm verankert. So soll etwa eine Liste der extremistischen Organisationen erstellt und veröffentlicht werden, das werde aber derzeit noch nicht aktiv angegangen. Eine schwierige Frage sei, wie man extremistische Inhalte wieder aus dem Internet bekomme. "Wenn ich mich etwas an dieser Sicherheitsratssitzdiskussion beteiligen darf, liegt eigentlich in der Verantwortung der Vereinten Nationen, da Dinge einmal anzugehen." Rasch angegangen werden soll auch der im Regierungsprogramm geplante Nationale Aktionsplan gegen Rechtsextremismus.
"So schnell wie möglich" will Leichtfried eine Änderung bei den gesetzlichen Regelungen die Spionage betreffend. Derzeit ist die Einrichtung, das Betreiben oder Unterstützen eines geheimen Nachrichtendienstes nur dann strafbar, wenn das "zum Nachteil der Republik Österreich" geschieht. "Ein souveräner Staat kann auch die Spionage gegen Dritte, die bei uns stattfindet und auch die Wirtschaftsspionage nicht dulden", betonte Leichtfried.
Derzeit laufe "ein interner Diskussionsprozess", mit dem Ziel, notwendige Rechtsveränderungen bei Sicherheitsunternehmen zu eruieren. "Um in Zukunft die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass im Security-Bereich Menschen tätig sind, die dort eigentlich nichts verloren haben."
Gut funktioniere mittlerweile wieder die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnerdiensten. "Wir haben verlässliche Freunde", betont Leichtfried. Das ist auch wichtig - bei mehreren vereitelten Anschlägen in den vergangenen Jahren kam der entscheidende Tipp aus dem Ausland. "Man muss aber auch sagen, dass das keine Einbahnstraße ist, sondern auch der österreichische Verfassungsschutz in der Lage ist, Erkenntnisse für andere befreundete Dienste zu leisten", so Leichtfried. "Das sehe ich auch in meiner Aufgabe, mitzuhelfen, dass er noch besser wird", weshalb er darüber erfreut sei, "dass jetzt im Zuge dieses Sparpakets die Direktion Staatsschutz Nachrichtendienst die einzige Behörde ist, die finanziell weiter aufgestockt wird."