Kapitän festgenommen

Italien: Mindestens drei Tote und 14 Verletzte. Salzburger Bürgermeister an Bord.

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    Schiffsunglück

    Die Suche nach Vermissten in dem Wrack der "Costa Concordia" ist am Sonntag unterbrochen worden. Ein Sturm und hohe Wellen machen den Einsatzkräften zu schaffen. Nun wird weiter gesucht.

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    Schiffsunglück

    Jetzt kommt es knüppeldick für die US-Eignerfirma der "Costa Concordia": Passagiere fordern Schadenersatz in der Höhe von 460 Mio. Dollar.

Die "Costa Concordia" mit mehr als 4.200 Menschen an Bord, darunter 74 Österreicher, war am späten Freitagabend aus noch ungeklärter Ursache zwischen der Insel Giglio und der Toskana auf Grund gelaufen. Der Kapitän ist festgenommen worden. Das berichteten mehrere italienische Medien am Samstagabend. Die italienische Tageszeitung "Corriere della Sera" zitierte einen Vertreter der Staatsanwaltschaft der Provinz Grosseto, wonach die Entscheidung nach einem mehrstündigen Verhör erfolgt sei.

Tötungsvorwurf gegen Kapitän
Der inhaftierte Kapitän muss sich nach Medienberichten möglicherweise wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Ihm werde zudem der Untergang der "Costa Concordia" zu Lasten gelegt sowie vorgeworfen, das Schiff verlassen zu haben, bevor alle Passagiere gerettet worden seien, berichteten italienische Medien. Diese Vorwürfe würden auch dem ersten Offizier Ciro Ambrosio gemacht.

Der Staatsanwalt von Grosseto, Francesco Verusio, erklärte vor Journalisten, der Kapitän Francesco Schettino habe sich mit dem Luxusliner "Costa Concordia" "sehr ungeschickt" der Insel Giglio genähert und einen Felsen gerammt, der sich in die linke Seite des Schiffs gebohrt habe. Dadurch sei das Schiff auf die Seite gekippt, innerhalb von "zwei, drei Minuten" sei eine riesige Menge Wasser durch den 70 bis 100 Meter langen Riss eingedrungen.

Panik an Bord
Auf der linken Seite des Schiffrumpfes klaffte ein etwa 70 Meter langer Riss. Das Schiff habe schwere Schlagseite und sich um 80 Grad nach Steuerbord geneigt, berichteten die Hafenbehörden. An Bord brach Panik aus, mehrere Passagiere sprangen ins Wasser. Eine im achten Monat schwangere Frau wurde in Sicherheit gebracht. Ein Koch aus Bangladesch wurde schwer verletzt und musste einer Wirbelsäulenoperation untezogen werden. Sein Zustand ist kritisch, berichteten die Ärzte. Rettungsboote, Hubschrauber und in der Gegend kreuzende Schiffe brachten die Menschen auf die nahe gelegene Insel Giglio, wo sie die Nacht in Schulen, Kirchen und Privathäusern verbrachten.

Das Schiff war zuvor nach Angaben des Betreibers, der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere, in Civitavecchia nördlich von Rom zu einer Mittelmeerkreuzfahrt aufgebrochen und sollte nach Palermo, Cagliari, Palma de Mallorca, Barcelona und Marseille fahren. An der Rettung der Passagiere und der Besatzung beteiligten sich mehrere andere Schiffe, die in der Region unterwegs gewesen seien.

74 Österreicher an Bord
An Bord befanden sich rund 3.200 Passagiere, die meisten davon Ausländer, und etwa 1.000 Mitarbeiter des Schiffs. Zu den Passagieren zählten auch 74 Österreicher, berichtete Costa Crociere auf Anfrage der APA. Aus der Badeortschaft Porto Santo Stefano, in der die überlebenden Passagiere versorgt wurden, wurden Busse organisiert, die die Österreicher in die ligurische Hafenstadt Savona brachten. 50 der insgesamt 74 österreichischen Passagiere verließen Savona am späten Samstagnachmittag. Die meisten von ihnen sind per Bus in Richtung Österreich unterwegs, teilte Stefan Bracher, Kommunikations-und Marketingschef von Eurotours, exklusiver Reiseveranstalter von Hofer-Reisen, bei dem 50 Österreicher die Kreuzfahrt reserviert hatten.

"Wir haben auch mit dem letzten Österreicher, der sich an Bord des Kreuzfahrtschiffes befunden hatte und von dem wir noch keine Informationen gehabt hatten, Kontakt herstellen können. Es handelt sich um einen in Deutschland lebenden österreichischen Staatsbürger." Dies erklärt der Sprecher des Außenministeriums, Peter Lausnky-Tieffenthal. An Bord der "Costa Concordia" hatten sich 77 Österreicher - 74 Passagiere und drei Besatzungsmitglieder - befunden. Alle waren Samstagabend, 24 Stunden nach dem Unglück vor der Küste der Toskana in Italien, den Umständen entsprechend wohlauf.

Salzburgs Bürgermeister unter Touristen
Zu den Touristen, die an Bord gewesen waren, zählte auch der Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden. Er blieb unverletzt. Die Informationen an die verunsicherten Passagiere waren zunächst "eigenartig", sagte Schaden. Es habe geheißen, man solle sich keine Sorgen machen. Es gebe ein Problem mit dem Aggregat und deshalb einen Stromausfall. Doch bald sei klar geworden, dass es einen Unfall gegeben habe. "Das Schiff hat begonnen, sich zu neigen, zuerst sehr langsam, dann immer schneller", erzählte Schaden am Mobiltelefon. Durch die unklaren Informationen wäre wertvolle Zeit bei der Evakuierung vergangen, kritisierte Schaden. Familien seien mit ihren Kindern auf den Gängen gestanden, andere wären in der Bar geblieben und hätten abgewartet.

"Keine organisierte Evakuierung"
"Es gab keine organisierte Evakuierung", sagte Schaden. Die Passagiere seien, als sich das Schiff immer mehr neigte, von sich aus auf das Deck mit den Rettungsbooten gegangen. Doch dort habe es immer wieder Verzögerungen beim Einsteigen gegeben, alles wäre sehr unorganisiert gewesen. "Es gab zwei Schritte vor und einen zurück. Es war nicht erkennbar, wer schafft was an", kritisierte Schaden. Die oberen Chargen hätten sich nicht blicken lassen. Die meisten Leute hätten Ruhe bewahrt und akzeptiert, dass Familien mit Kindern und ältere Personen zuerst in die Rettungsboote einstiegen. "Panik gab es keine", beschrieb Schaden die Stimmung an Bord.

Die Rettungskette wäre "mehr als dürftig" gewesen. "Es war ein Glück, dass der Hafen so nahe war und es kaum Wind und Wellengang gab", sagte der Salzburger Bürgermeister. Unruhe wäre erst aufgekommen, als klar war, dass die unteren beiden Decks der Gästekabinen unter Wasser standen. "Es war auch für Laien erkennbar, dass große Gefahr für das Schiff besteht."

Das Außenministerium hatte nach einem Krisen-Meeting am Samstagnachmittag dafür gesorgt, dass neben Savona auch im Badeort Porto Santo Stefano und am Flughafen Rom-Fiumicino Mitarbeiter als Anlauf- und Hilfestelle für womöglich ohne Reisedokumente strandende Österreicher bereit stehen. Auch Costa Crociere unterstützte die vielen Passagiere, die beim Unglück Dokumente und Gepäck verloren haben.

Menschliches Versagen oder technischer Defekt?
Menschliches Versagen oder ein Defekt des elektronischen Systems sind laut Experten die wahrscheinlichsten Ursachen des Unglücks. "Es bestehen keine Zweifel, dass das Schiff gegen einen Felsen gestoßen ist. Man muss jetzt feststellen warum. Es kann sich um menschliches Versagen oder auch um einen Defekt der elektronischen Geräte gehandelt haben", sagte ein Experte, der die Costa Concordia aus der Nähe überprüfen konnte. Fachleute vermuten, dass sich das Schiff zu stark der Insel Giglio genähert habe. Das Schiff hätte fünf Seemeilen von der Inselküste entfernt fahren müssen, doch bis dorthin war es nur eine Meile. Die Staatsanwaltschaft von Grosseto hat Ermittlungen in die Wege geleitet.

Kapitän verteidigt sich
Schiffskapitän Francesco Schettino bestritt, dass ein menschlicher Fehler für die Tragödie verantwortlich sei. "Das Schiff hat einen Felsen gerammt, der in den Seekarten nicht eingetragen war. Laut den Seekarten hätten wir dort genügend Grund unter uns haben sollen", sagte Schettino in einem TV-Interview. Er selber sei am Steuer gewesen, als sich das Unglück ereignete. Das Schiff bekam sehr schnell Schlagseite, daher sei es schwierig gewesen, die Passagiere in kurzer Zeit auf die Schlauchboote zu bekommen. Der Kapitän und seine Offiziere hätten als letzte das Schiff verlassen, nachdem sie festgestellt hatten, dass sich niemand mehr an Bord befand. Sie wiesen den Vorwurf mehrerer Passagiere über Verzögerungen bei der Rettungsaktion zurück.

Costa Crociere bezeichnete das Schiffsunglück als eine bestürzende Tragödie. "Das ist der tragischste Moment in der 64-jährigen Geschichte des Unternehmens. Wir sind sprachlos", sagte der Generaldirektor der Gesellschaft, Gianni Onorato. Den Angehörigen der Opfer sprach die in Genua ansässige Gesellschaft in einer Mitteilung am Samstag ihr Beileid aus. Man werde alles unternehmen, um die Passagiere und die Besatzungsmitglieder der "Costa Concordia" zu betreuen und im höchsten Maße mit den Behörden zusammenarbeiten, um die Ursachen des Unfalls zu klären.


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Kommentare

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Technisches gebrechen ? Glaube ich nicht, menschlicher Fehler ist eher anzunehmen. Wäre interessant ob der Kapitän als letzer das Schiff verlassen hat ? Oder in Panik auf seine Kapitänspflichten vergessen hat.

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