Eklat um "Rattengedicht"
von Braunauer FPÖ-Politiker

"Ich wollte mit meinem Text provozieren aber keinesfalls beleidigen"

Der Verfasser des grenzwertigen "Rattengedichts", der Braunauer Vizebürgermeister Christian Schilcher (FPÖ), hat Stellung zu seinem viel kritisierten Werk genommen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat unterdessen Schilchers Rücktritt angekündigt.

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"Zutiefst rassistisch" - Eklat um "Rattengedicht"
von Braunauer FPÖ-Politiker

Die Stadtratte (Nagetier mit Kanalisationshintergrund) – so der Titel eines im Parteiblatt der FPÖ Braunau veröffentlichten ausländerfeindlichen „Gedichts“, das am Montag für Empörung sorgte. In dem Text werden Migranten mit Ratten verglichen.

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Strache: Schilcher tritt zurück

Der Braunauer Vizebürgermeister Christian Schilcher wird laut FP-Chef Heinz Christian Strache zurücktreten. Wie Strache bei einer Pressekonferenz am Dienstag sagte, wird der nach seinem "Ratten-Gedicht" über Zuwanderung massiv unter Beschuss gekommene Funktionär auch aus der FPÖ austreten. Oberösterreichs FP-Chef Manfred Haimbuchner hat den Rücktritt auf APA-Anfrage bestätigt.

»Schaden von der Partei abwenden«

Der Rücktritt des Braunauer Vizebürgermeisters Christian Schilcher erfolgt laut Strache, "um Schaden von der Partei abzuwenden". Schilchers "Ratten-Gedicht" stelle ein Fehlverhalten dar, das nicht mit Grundsätzen der FPÖ vereinbar sei. "Er hat im wahrsten Sinn des Wortes in den politischen Müll gegriffen", sagte Strache bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Schilcher habe seine Entscheidung zum Rücktritt aus Amt und Partei von sich aus getroffen, sagte Strache.

Oberösterreichs Landesparteichef Manfred Haimbuchner meinte dazu auf APA-Anfrage, er nehme den Rücktritt zur Kenntnis. Selbst denkt Haimbuchner nicht an Rücktritt - die oberösterreichische SPÖ hatte dies ja verlangt und will diese Forderung in einer Pressekonferenz zu Mittag noch einmal bekräftigen.

Die Reaktionen der Spitzenpolitiker

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erinnere das Gedicht „fatal an einen sprachlichen Umgang mit Menschengruppen, wie er in der NS-Propaganda üblich war“. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) nannte das Gedicht "widerlich" und forderte, ebenso wie Bundeskanzler Sebastian Kurz, eine Distanzierung.
"Die getätigte Wortwahl ist abscheulich, menschenverachtend sowie zutiefst rassistisch und hat in Oberösterreich und im ganzen Land nichts verloren", so Kurz am Montag.

»Die Allegorie von Ratte und Mensch ist historisch belastet«

Auch FPÖ-Landesparteisekretär Erwin Schreiner nahm Stellung: "Die Allegorie von Ratte und Mensch ist historisch belastet, daher geschmacklos und abzulehnen. Dass der Autor auch sich selbst in diesen Rattenvergleich miteinbezieht, macht die Sache dabei nur unwesentlich besser."

Leichtfried fordert von Kurz Koalitionsende

Der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried fordert Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf, die Koalition mit der FPÖ zu beenden. Anlass dafür ist das umstrittene "Ratten-Gedicht" des freiheitlichen Vizebürgermeisters von Braunau. Die "Mini-Konsequenz", dass dieser nun zurücktrete, reiche natürlich nicht, so Leichtfried in einer Pressekonferenz.

Vielmehr wäre es an der Zeit für Kanzler Kurz "diesen Spuk" zu beenden und auch an den Ruf des Landes zu denken. Solche Menschen hätten in einer Bundesregierung nichts zu suchen, so Leichtfried in Richtung des freiheitlichen Regierungsteams.

Kurz lobt "klaren Schritt" Straches

Lob für den angekündigten Rücktritt des Braunauer Vizebürgermeisters Christian Schilcher kommt von Bundeskanzler Sebastian Kurz. "Der Rücktritt des Vizebürgermeisters von Braunau war die einzig logische Konsequenz zu diesem abscheulichen und rassistischen Gedicht. Der klare Schritt des Vizekanzlers und der FPÖ-Spitze war notwendig und richtig", so eine schriftliche Stellungnahme.

Kurz-Erklärung reicht für NEOS und JETZT nicht aus

Den NEOS und der Liste JETZT reicht die Erklärung von Bundeskanzler Sebastian Kurz zu dem "Ratten-Gedicht" der Braunauer FPÖ nicht aus. Noch vor der Rücktritts-Ankündigung des Braunauer Vizebürgermeisters Christian Schilcher verwiesen sowohl der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak als auch JETZT-Klubobmann Bruno Rossmann in Pressekonferenzen darauf, dass es sich bei der FPÖ dabei um keinen Einzelfall handle.

Rossmann bezeichnete es als "gut, aber unzureichend", dass sich der Bundeskanzler distanziert habe. Seiner Meinung nach müsste Kurz "die Reißleine ziehen" und die Koalition mit der FPÖ beenden. Das selbe gelte auch für die Landeshauptleute in Oberösterreich und dem Burgenland, meinte der JETZT-Klubobmann. Die Kritik der SPÖ an der FPÖ ist für Rossmann solange unglaubwürdig, solange sie im Burgenland mit der FPÖ in einer Koalition ist.

Für Rossmann ist und bleibt die FPÖ eine "rechtsextreme Partei". Es gebe immer wieder Vorfälle dieser Art. Für "schlichtweg indiskutabel" hält er es auch, dass FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache einen Artikel einer rechtsextremen Website gepostet habe. Als Vizekanzler müsse sich Strache von solchen Seiten distanzieren, forderte Rossmann.

Auch für Scherak bringt die Distanzierung des Bundeskanzlers "herzlich wenig". Der stellvertretende NEOS-Klubchef meinte ebenfalls, dass sich damit am Kern der FPÖ nichts änder werde. Derartige Aussagen seien nichts Neues, weil viele Funktionäre der FPÖ ein ungeklärtes Verhältnis zur Vergangenheit hätten. Die FPÖ könne sich noch so oft distanzieren, das sei offensichtlich im Kern der Partei drinnen. Und der Bundeskanzler habe gewusst, "mit wem er sich ins Bett legt".

Schilchers Entschuldigung im Detail

"Ich wollte mit meinem Text provozieren aber keinesfalls beleidigen oder gar jemanden verletzen", teilte er in einer Aussendung mit. "Dass der Vergleich von Mensch und Ratte historisch belastet und mehr als unglücklich ist, ist ein Faktum und es tut mir aufrichtig leid, das missachtet zu haben", so Schilcher weiter.

Er habe schlicht aus Sicht eines Tieres, das eine Stadt von unten beobachtet, Veränderungen beschrieben, die er und andere "durchaus zu Recht" kritisieren würden. Dafür habe er sich selbst und seine Familie in die Perspektive der Tiere gesetzt.

»Wer zu uns kommt und sich an unsere Gesetze hält, kann ein Teil von uns werden«

Zugleich bat Schilcher um Verständnis für seine "unscharfe, tatsächlich zu wenig präzis durchdachten Formulierungen". Er habe nur sagen wollen: "Wer zu uns kommt und sich an unsere Gesetze hält, kann ein Teil von uns werden, wer unsere Gesetze und Gebräuche miss-oder gar verachtet, kann das nicht."

Das Gedicht habe letztlich Tendenzen, die man keinem Interpretationsspielraum überlassen dürfe, sagt Landesparteisekretär der FPÖ Oberösterreich, Erwin Schreiner. Seitens der Landespartei habe man ein ernstes und klärendes Gespräch mit dem Autor geführt. Dieser sei "voll einsichtig".

Staatsanwaltschaft führt Ermittlungen

Das "Ratten-Gedicht" könnte für den Braunauer FPÖ-Vizebürgermeister Christian Schilcher auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Staatsanwaltschaft Ried hat Dienstagmittag erklärt, Ermittlungen zu führen. Ein Verfahren sei aber noch nicht eingeleitet worden. "Wir schauen uns das jetzt an", erklärte dessen Sprecher Alois Ebner auf Anfrage der APA. Es gehe wohl "primär Richtung Verhetzung".

Causa international von Medien aufgegriffen

Die Causa um das "Ratten-Gedicht" des Braunauer Vizestadtchefs Christian Schilcher hat inzwischen auch in deutschen und abgesehen davon weiteren ausländischen Medien ihren Niederschlag gefunden. Die Deutsche Presse-Agentur und die französische AFP berichteten ebenso darüber wie der britische Sender BBC auf seiner Website und politico.eu unter Berufung auf den "Standard" und die APA.

"The Hill" in Washington, die sich vorrangig mit dem Geschehen im US-Kongress und internationalen Beziehungen der USA beschäftigt, übernahm auf seiner Website den Bericht von Politico. Auch in Italien oder Ungarn wurde beispielsweise berichtet.

Erwähnt wurde im Zusammenhang mit dem Gedicht des inzwischen zurückgetretenen Schilcher, dass Braunau die Geburtsstadt von NS-Diktator Adolf Hitler war. "Aufschrei durch 'tief rassistisches' Gedicht in Österreich ausgelöst", titelte die BBC unter Zitierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Der Online-Text des Senders wurde von einem Bild des Kanzlers begleitet.