Ziemlich beste Feinde

Was rund um die 190 Mio. Euro teure Ski-WM in Schladming wirklich gelaufen ist

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Fakten - Ziemlich beste Feinde

Nicht einmal sechs Stunden hat es gedauert, bis die Nachricht im Internet zu lesen war: NEWS hat die Polit-Bombe im steirischen Landtagswahlkampf. Ausgangspunkt war eine detaillierte Anfrage an ÖVP-Landeschef Hermann Schützenhöfer, die diesem von NEWS am Donnerstag um 8:34 Uhr zugeschickt wurde. Darüber lesen konnte man bereits um 14:10 Uhr in der Online-Ausgabe der "Kleinen Zeitung". Hätte es je Zweifel daran gegeben, wie heiß die Sache wirklich ist - in diesem Moment wären sie jedenfalls ausgeräumt gewesen.

Was nun vorliegt, könnte das entscheidende Puzzlestück in einer Angelegenheit sein, die - wie kaum eine zweite - das grüne Herz Österreichs zum Rasen bringt: die Ski-WM 2013 in Schladming. 190 Millionen Euro butterten Bund und Land an Steuergeld in dieses Traumprojekt des Österreichischen Skiverbands (ÖSV). Seit Jahren wird -teils hinter, teils vor den Kulissen -heftig gestritten. Von geschwärzten Verträgen ist die Rede. Budgetpläne sollen nur mit Prozentwerten und ohne absolute Zahlen übermittelt worden sein (siehe Grafik). Und vieles mehr. Nun liegt ein Gesprächsmitschnitt vor, der klar macht, zu welchem Gewissensslalom Politiker fähig sind - und wie der Steuerzahler dabei mitunter auf der Strecke bleibt.

Politischer Hauptdarsteller ist Vizelandeshauptmann Schützenhöfer, der als Tourismus-und Gemeindereferent in der Landesregierung auch für Förderungen in Zusammenhang mit der Ski-WM verantwortlich war. Schützenhöfer befindet sich übrigens seit ein paar Tagen im Wahlkampf: Am 5. März hat er verkündet, wieder als Spitzenkandidat der ÖVP bei den Landtagswahlen am 31. Mai anzutreten -"im Interesse des Landes". Schließlich habe sich gezeigt, wie erfolgreich die Reformpartnerschaft der vergangenen Jahre zwischen SPÖ und ÖVP gewesen sei. Zur Erinnerung: Bei der sogenannten Reformpartnerschaft geht es darum, der Verschleuderung von Steuergeld entgegenzuwirken und an allen Ecken und Enden zu sparen. Dass das auch das Hauptkriterium bei einer Besprechung zur Ski-WM am 10. April 2012 im Rathaus von Schladming gewesen ist, darf allerdings bezweifelt werden.

Schützenhöfer voll informiert.

Diese Besprechung wurde aufgezeichnet. Anhand der getätigten Aussagen zeigt sich: Die verantwortlichen Politiker waren über die massive Kritik an der Vorgehensweise des ÖSV informiert -und haben sich sehenden Auges mit vielen Millionen Euro auf das teure Spiel eingelassen.

Ein wesentlicher Punkt bei dieser Besprechung: die berüchtigten geschwärzten Verträge. Tatsächlich haben schon 2012 Medien über dieses Thema berichtet. Der ÖSV habe Verträge vorgelegt, in denen unkenntlich gemacht worden sei, wie viel Geld der Skiverband als Veranstalter vom Internationalen Skiverband FIS kassiert. Wie viel das tatsächlich war, will der mächtige ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel bis heute nicht sagen. Die Wochenzeitung "Falter" nannte 2013 einen Betrag von 44 Millionen Schweizer Franken. In der Besprechung in Schladming war von 38 Millionen Euro die Rede. Eines ist jedenfalls klar: Einen Gewinn hat es gegeben, ließ Schröcksnadel schon bald nach der WM verlauten.

Seitens des Landes und der Gemeinde wurde in Bezug auf das Thema Schwärzungen in der Öffentlichkeit bis zuletzt um den heißen Brei herumgeredet. Nicht jedoch bei der Besprechung am 10. April 2012 im Rathaus von Schladming: Anwesend waren -neben Schützenhöfer -unter anderem sein Parteifreund, der Schladminger Bürgermeister Jürgen Winter, sowie der damalige Geschäftsführer der Planai-Hochwurzen-Bahnen GesmbH Ernst Trummer. Das ist jene Firma im Mehrheitseigentum der öffentlichen Hand, auf deren Pisten die WM großteils ausgetragen wurde und die viele Millionen Euro in die Weltmeisterschaft buttern musste.

Im kleinen Rahmen wurde jedenfalls Klartext gesprochen. Bürgermeister Winter erläuterte, man habe Verträge "viel später, geschwärzt und auf Englisch" erhalten. Ein Jahr später wurde Winter in der Zeitung "Standard" dann übrigens folgendermaßen zitiert: "Es war einiges nicht gut lesbar, das kann aber auch an schlechten Kopien gelegen sein." Nun meint er zu NEWS, eine Zahl sei "nicht lesbar" gewesen - allerdings in einem Vertrag, bei dem die Stadtgemeinde nicht Vertragspartner gewesen sei.

Zurück ins Schladminger Rathaus am 10. April 2012. "Die geschwärzten Verträge und der Abriss sind natürlich schon ein Hammer", erklärte Schützenhöfer, nachdem ihn der Bürgermeister und der Chef der Planaibahnen informiert hatten. Zu einem weiteren Kritikpunkt - nämlich, dass jemand in einem Vertrag über Grundstücke verfüge, die einem anderen gehören -meint der steirische Landesvize schlicht: "Also das gibt es beim Idi Amin". Peter Schröcksnadel wird sich wundern: Sein Führungsstil als Präsident des Skiverbands ist zwar seit Jahren umstritten; mit Idi Amin verglichen zu werden, der von 1971 bis 1979 Diktator in Uganda und für den Tod Hunderttausender verantwortlich war, ist aber ein starkes Stück.

Budget ohne Geldbeträge.

Trotz des unbotmäßigen Vergleichs haben sich die steirischen Politiker offenbar dem Willen des Präsidenten gefügt. Wer sich auflehnte, musste gehen. So geschehen mit Ernst Trummer, der nicht nur zu viele Fragen stellte, sondern auch noch Dinge einforderte, die anderen offenbar nicht ins Konzept passten. Trummer wollte beispielsweise die Gesamtzahlen des Budgets für die Austragung der WM sehen, bekam sie aber nicht. Darüber machte er seinem Ärger in einem NEWS vorliegenden Mail Luft: "Das ist jetzt wohl ein Scherz, oder? (...) Ich sitze in Gremien, trage und übernehme Verantwortung und werde mit Prozentzahlen abgespeist, ohne dass ich weiß, was wirklich los ist und wo welche Gelder fließen?"

Für jene, die das Geld locker machen müssen, ist allerdings der absolute Betrag entscheidend - würde man meinen. Schützenhöfer hingegen, dem diese Problematik bei der Besprechung in Schladming im April 2012 vor Augen geführt wurde, sah diesen Punkt jedoch vergleichsweise entspannt: Das sei ihm "schon wieder fast" egal, ließ er im Gespräch durchblicken. Eigenartig: Es geht schließlich um Steuergeld.

Rechnungshof hat geprüft.

Die Planaibahnen mussten jedenfalls genau auf die Rechnung achten. Zum Hintergrund: Die WM fand vorwiegend auf dem Gelände der Bahnen statt. Sie gehören zu 62 Prozent dem Land, zu 23 Prozent dem Bund und noch zahlreichen anderen, kleineren Gesellschaftern. Entscheidend dürfte nun jedoch der Bundesanteil werden. Nicht zuletzt dieser soll der Grund dafür sein, dass der Bundesrechnungshof nun die Infrastrukturausgaben im Zuge der WM prüft. Die Prüfer sollen eine Menge - für die Politiker unangenehme - Fragen gestellt haben. Ob der Bericht noch vor der Landtagswahl am 31. Mai veröffentlicht wird, darf allerdings bezweifelt werden.

Der Rechnungshof prüft konkret die Infrastrukturmaßnahmen. Dabei wird das gestrenge Auge der Prüfer wohl auch auf den sogenannten "Loop" fallen; dieser war ein Wahrzeichen im Zielgelände und musste weichen, weil Schröcksnadel dort etwas anderes bauen wollte. Planaibahnenchef Trummer wurde von Schützenhöfer in einer eiligst einberufenen Pressekonferenz kurzerhand abgesetzt, weil er dazu nicht bereit war. Das war sechs Monate vor der WM -nur drei Monate nach der auf Band aufgezeichneten Besprechung in Schladming. Diese wurde von Beteiligten übrigens als "Hilfeschrei" an die Landesspitze bezeichnet. Genützt hat es offenbar nicht viel.

Grüne wollen "Endabrechnung".

Dabei machte Schützenhofer in der Besprechung aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er habe SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves zuvor am Telefon gesagt, "Ich fange mir mit dem Schröcksnadel da nichts mehr an. Ich will nicht immer der Depperte sein." Er habe Voves jedoch versprochen, - offenbar mit Blick auf eine anschließende größere Sitzung -"dass ich den Schröcksnadel dort nicht blöd angehe (...). Zum Schluss zahle ja ich das." Schröcksnadel habe Voves vorher gesagt, "er dreht sofort den Nachtslalom ab". Zum Hintergrund: Der Nachtslalom in Schladming ist neben Kitzbühel das Highlight im Ski-Weltcup. Dort sonnt sich Jahr für Jahr nicht zuletzt die Polit-Prominenz im Schein der Flutlichtanlage.

Lambert Schönleitner, Spitzenkandidat der steirischen Grünen, der sich seit Jahren mit dem Thema befasst, betont: "Wir fordern endlich eine Endabrechnung der WM in Schladming. Es ist schlimm, dass zwei Selbstdarsteller als Sparmeister dem ÖSV öffentliches Geld in den Rachen geworfen haben." Und weiter: "Wir wollen endlich die Geldflüsse kennen und die Frage beantwortet bekommen: Stimmt es, dass das gesamte Einsparpotenzial des Landes 2012 in die Ski WM hineingepumpt wurde?"

Zum Hintergrund: Den Zuschlag für die Ski-WM erhielt Schladming im Mai 2008. Ausgetragen wurde die WM von 4. bis 17. Februar 2013. Das Ennstaler 4.500-Personen-Städtchen lag dabei nicht nur im Fokus der sportlich interessierten Öffentlichkeit.

Eine WM ist auch ein wirtschaftliches Großereignis. Es wurde viel öffentliches Geld vergeben -zum Teil, um neue Bauten nach wenigen Monaten abzutragen und dafür ein anderes Denkmal hinzustellen - etwa den neuen Ziel-Bogen "Sky-Gate". Dieser soll fast zwei Millionen Euro gekostet haben und von ÖSV-Boss Schröcksnadel gewünscht worden sein, um VIPs wie Arnold Schwarzenegger und Vladimir Putin einen besseren Blick auf die Rennen zu ermöglichen.

Nach außen hin stehen die Verantwortlichen Politiker bis heute geschlossen hinter der WM. Ein Sprecher Schützenhöfers teilte auf NEWS-Anfrage mit, der Vize-Landeshauptmann kommentiere "den Inhalt tatsächlicher oder vermeintlicher persönlicher Gespräche" nicht. Und weiter: "Auch wenn Verhandlungen manchmal im Interesse der Steuerzahler hart geführt werden müssen, schätzt Hermann Schützenhöfer Partner wie Peter Schröcksnadel (...) wegen ihrer großen Verdienste um die heimische Wirtschaft und den Sport." Der Erfolg der Ski-WM und der Investitionen sei "nachhaltig", die Veranstaltung "ein voller Erfolg" gewesen. Bürgermeister Winter setzt noch eines drauf: "Wir stehen dem ÖSV gerne jederzeit wieder als Austragungsort einer Alpinen Ski-WM zur Verfügung." Ex-Planaibahnen-Chef Trummer war zu einer Stellungnahme nicht bereit.

ÖSV-Generalsekretär Klaus Leistner betont, dass der ÖSV niemandem "geschwärzte Verträge" zur Unterschrift vorgelegt habe. "Die Meinungen Dritter und allfälliges Gemauschel können und wollen wir nicht kommentieren." Unbestritten sei, dass die WM in Schladming "ein großartiges Schaufenster für den Skisport, die Tourismusregion Steiermark und Österreich insgesamt war." Unmittelbar nach der WM erklärte Schröcksnadel übrigens: "Ich würde es morgen wieder machen, wenn ich könnte." Daran zweifelt niemand.

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