Zielstrebig in den Abgrund

Beim Versuch, Doskozil zu verhindern, stoßen Rendi-Wagner und Co. auch jene vor den Kopf, die ihre Verbündeten sein müssten: Linke. Die Letzten in der SPÖ, die für etwas brennen.

von Politische Analyse - Zielstrebig in den Abgrund © Bild: Privat

Analyse

Kluge Sozialdemokraten wundern sich schon lange darüber, dass Pamela Rendi-Wagner, ihre Vorsitzende, nicht versucht, den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil einzubinden oder seine Arbeit hin und wieder zu würdigen. Sie gehen davon aus, dass er sich dann zurückgehalten hätte mit Kritik an ihr. Es ist jedoch müßig, darüber zu spekulieren: Doskozil ist angetreten, sie abzulösen.

Auch diesbezüglich herrscht nun Verwunderung: Rendi-Wagner geht es eher nur darum, mit Hilfe von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures und ihrem Mann fürs Grobe, Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, Doskozil zu verhindern. Koste es, was es wolle. Und sei es, dass die gesamte Partei dabei zugrunde geht.

Die Mitgliederbefragung über den Vorsitz hätte eine Chance werden können für die SPÖ. Sie ist auf Wunsch von Doskozil zustande gekommen. Rendi-Wagner und Genossen konnten sich nicht gut dagegenstellen. Sie haben sie zugelassen, tun sie jedoch als unverbindliche "Willensbekundung" ab, die lediglich ein "Stimmungsbild" liefern soll. Botschaft an die Basis: Ihr könnte sagen, was ihr wollt – wir halten uns daran, wenn es uns gefällt.

Schlimmer: Das Ganze hat parteischädigende Züge angenommen. Pamela Rendi-Wagner hat mit ihren Leuten ausgerechnet auch diejenigen vor den Kopf gestoßen, die ihre Verbündeten sein müssten: Linke, wie der Wiener Bezirksfunktionär Nikolaus Kowall und der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler. Kowall hatte als erster angekündigt, bei der Mitgliederbefragung ebenfalls anzutreten, dann jedoch zugunsten von Babler verzichtet.

Man kann darüber streiten, ob der 50-Jährige das Zeug dazu hat, die SPÖ auf Platz eins zu bringen und selbst ins Kanzleramt zu kommen. Man sollte jedoch nicht übersehen, was mit ihm einhergeht: Er ist kämpferisch im Sinne einer Sache und glaubwürdig insofern, als er in seiner Stadt, in der das größte Erstaufnahmezentrum der Republik steht, populär ist, ohne gegen Flüchtlinge zu mobilisieren. Er engagiert sich für sie. Babler gilt als Beweis dafür, dass man auch dann erfolgreich sein kann, wenn man sich zu solchen Herausforderungen alles andere als rechts positioniert.

Absage auch an Rendi-Wagner

Babler ist im Übrigen nicht nur eine Absage an Doskozil, sondern auch an Rendi-Wagner: Was ihn auszeichnet, fehlt ihr. Authentizität und Leidenschaft. Oder Standpunkte, die der Sozialdemokratie über ein Nein zu einer rot-blauen Koalition hinaus Unverwechselbarkeit verleihen.

Vor diesem Hintergrund ist es für die gesamte Sozialdemokratie verhängnisvoll, dass die Mitgliederbefragung, der sich auch ein Mann wie er stellt, von Rendi-Wagner, Ludwig, Bures und Deutsch ins Lächerliche gezogen wird. Nur, um Doskozil zu schaden. Hier werden auch die letzten in der Partei vor den Kopf gestoßen, die noch für etwas brennen.

Zahl

Zuwanderung: Bemüht unattraktiv

Die internationale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellt einen wachsenden Wettbewerb um qualifizierte Zuwanderung fest. Immer mehr Staaten würden sich darum bemühen, attraktiv zu wirken. Österreich hingegen zähle zu den Industrienationen, in denen es Verschlechterungen gebe. Als Grund dafür werden bürokratische Hürden angeführt, die Interessierten in den Weg gestellt werden. Die OECD hat ein Ranking zum Thema entwickelt. Österreich liegt im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld. Unter anderem für Zuwanderer wie Studierende, Start-up-Gründer und Unternehmer. Deutschland und die Schweiz etwa schneiden besser ab. Sie schauen eher darauf, dass diese Leute kommen und bleiben wollen.

Zu den Kriterien zählen Karrierechancen, aber auch die Lebensqualität, Perspektiven für Familienangehörige und der Zugang zur Staatsbürgerschaft. These: Österreich wird zum Verhängnis, hier grundsätzlich sehr restriktiv zu sein und so wirken zu wollen, wie es im schwarz-blauen Arbeitsübereinkommen für Niederösterreich festgehalten ist: "Möglichst unattraktiv." So soll auf Wunsch der Landesregierung schulautonom festgelegt werden, dass in Unterrichtspausen Deutsch gesprochen werden muss, fremde Umgangssprachen also verboten sind. Für begehrte Arbeitskräfte mit Kindern, die es sich aussuchen können, in welchem Land sie sich niederlassen, wird das unter Umständen ein Grund weniger sein, nach Österreich zu kommen.

Genauso wie Überlegungen, bundesweit erst nach fünf Jahren Aufenthalt Sozialleistungen zu gewähren, dazu angetan sind, abweisend zu sein: Migranten wird unterstellt, ausschließlich ins Sozialsystem zuwandern zu wollen. Da könnten gerade diejenigen fernbleiben, die sich das nicht bieten lassen müssen, weil sie in einem anderen Land mit Handkuss begrüßt werden.

Bericht

Gefährliches Spiel mit der EU

"Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union darf nicht zur Debatte stehen." Bundespräsident Alexander Van der Bellen wiederholt es immer wieder. Zuletzt bei der Angelobung von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als niederösterreichische Landeshauptfrau. Van der Bellen ist aufgrund der Regierungsbeteiligung der FPÖ besorgt, dass ein "Öxit", also ein Austritt, zum Thema werden könnte.

Das wäre gefährlich: Geografisch ist Österreich mittendrin in der EU, vom Selbstverständnis her jedoch nicht voll dabei. Freiheitliche machen Stimmung gegen "Brüssel", die ÖVP hat längst aufgehört, eine "Europapartei" sein zu wollen. Stattdessen übt sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einer Art Oppositionsrolle. Beispiel Schengen-Veto.

Das kommt an bei der Bevölkerung: Im europäischen Vergleich haben in Österreich überdurchschnittlich viele Menschen ein negatives Bild von der EU. Wobei: Ganze 40 Prozent der Befragten erklärten bei der jüngsten Eurobarometer-Erhebung, nicht zu wissen, wie sie funktioniert. Dazu passt, dass ein Viertel angibt, noch nie von der Europäischen Kommission gehört zu haben. Und dass sich ebenso viele nicht als EU-Bürger betrachten.

Vor wenigen Monaten waren noch 57 Prozent für und 35 Prozent gegen die Mitgliedschaft gewesen, machte die Differenz also 22 Prozentpunkte aus. Zuletzt handelte es sich nur noch um 14 Prozentpunkte. Der Anteil derer, die finden, dass Österreich in der EU gut aufgehoben ist, ist auf 52 Prozent gesunken. Das zeigt, dass die Mehrheitsverhältnisse sehr schnell kippen könnten.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at