Zeugnis ohne Zukunft: NEWS über das Schicksal einer Wiener Abschlussklasse

Von 17 Schülern haben nur zehn eine Lehrstelle In ganz Österreich fehlen 13.000 Ausbildungsstellen

Vor neun Monaten hatten sie noch Ziele, Träume und Wünsche. Sie hatten das, was man gemeinhin Hoffnung nennt. Vor ihnen lagen die vielleicht wichtigsten Monate ihres bisherigen Lebens. Sie würden darüber entscheiden, wie es danach weitergeht. Vor neun Monaten standen 17 Mädchen und Burschen am Beginn ihres letzten Pflichtschuljahres, das sie am Polytechnikum Maiselgasse im dritten Wiener Gemeindebezirk zusammengeführt hatte.

Zeugnis ohne Zukunft: NEWS über das Schicksal einer Wiener Abschlussklasse

Am Freitag endet dieses Jahr. Und obwohl alle ihr Zeugnis erhalten werden, stehen zehn von ihnen, und damit weit mehr als die Hälfte, vor dem Nichts. Sie haben alle Prüfungen bestanden und sind dennoch durchgefallen. Gescheitert an der wichtigsten Herausforderung dieses Jahres. Gescheitert daran, eine Lehrstelle zu finden.

Statt Freude wird sie Freitag ein mulmiges Gefühl beschleichen. Angst vor dem, was nun kommt. Aussichtslosigkeit und Enttäuschung, gepaart mit etwas Wut. Wut auf sich selbst, versagt zu haben? Auf die Schule, die sie zu wenig förderte? Auf den Staat, der ihnen keine Chance gab? Auf die Wirtschaft, die sie nicht wollte?

13.000 Lehrstellen fehlen
Fest steht jedenfalls: Die Schüler aus der Maiselgasse sind mit ihren Sorgen nicht allein. Das beweist ein Blick auf die Zahlen des AMS: Bereits Ende Mai waren landesweit 16.359 Jugendliche ohne Lehrstelle in einem Betrieb. Gegengerechnet mit der Zahl offener Lehrstellen, ergibt sich eine Lücke von fast 13.000 fehlenden Plätzen in den Firmen. Gäbe es diverse Auffangnetze von Staat und Ländern nicht, stünden all diese Jugendlichen gänzlich auf der Straße.

Doch selbst diese Maßnahmen reichen längst nicht mehr aus, um allen Beschäftigung zu bieten. Für österreichweit 4.200 Jugendliche hieß es sowohl bei den Betrieben als auch bei den Ersatzmaßnahmen: Tut uns leid, wir sind voll. Und das, obwohl die Regierung die Betriebe bei der Schaffung von Lehrstellen mit dem so genannten Blum-Bonus finanziell massiv unterstützt.

Was läuft also falsch, wenn Jahr für Jahr Tausende von Jugendlichen dennoch auf der Strecke bleiben? "Ich bin selber schuld", sagt der 15-jährige Daniel, "weil ich zu wenig gelernt habe und mich mit schlechten Noten keiner will." Aus seinem Traumjob Automechaniker wird nun nichts werden und er die Maiselgasse stattdessen wiederholen.

"Ich hätte einfach noch mehr Bewerbungsbriefe abschicken sollen", macht sich auch sein Klassenkamerad Kevin Vorwürfe. Noch hofft er, dennoch irgendwo in Wien bei einem Betrieb als Spengler und Lackierer unterzukommen, doch er selbst weiß, dass die Zeit gegen ihn läuft.

Klassenlehrerin Ursula Klippl kann das Bangen ihrer Schüler gut nachvollziehen, immerhin war sie in den vergangenen Monaten tagtäglich damit konfrontiert. "Manche", schildert sie, "resignieren schnell und vertrauen darauf, vom Staat ohnedies aufgefangen zu werden." Die engagierte Pädagogin hatte es nicht leicht, ihre Schüler wachzurütteln, und tat dennoch ihr Möglichstes.

Lehrstellenzahl halbiert
Denn Zahlen beweisen: Während das Poly in ländlichen Gebieten durchaus beachtenswerte Erfolge bei der Vorbereitung seiner Schüler auf die Berufswelt verzeichnet, sieht es in den Städten trist aus. "Hier haben", erklärt Schuldirektor Lukas Riener, "mitunter nur 15 Prozent der Schüler am Jahresende eine fixe Lehrstellenzusage." Verantwortlich macht er dafür die radikale Streichung von Lehrplätzen in den Betrieben während der vergangenen Jahre. Tatsächlich hat sich die Zahl der angebotenen Lehrstellen seit dem Jahr 1980 halbiert, während sich die Jugendarbeitslosigkeit in den vergangenen sechs Jahren verdoppelte.

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