Zerstört die Regie die Oper?

In der Staatsoper tobt der Kampf der Traditionalisten gegen die Avantgardisten, seit Bogdan Roscic das Repertoire in der Neuzeit zu positionieren begann. Wir baten die epochale Sopranistin Ileana Cotrubas und den Regie-Pionier Peter Konwitschny zum Duell auf Distanz

von Zerstört die Regie die Oper? © Bild: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Bemerkenswertes, ja verblüffendes Resultat einer Serie von Interviews, die in dieser Zeitschrift während der vergangenen Wochen erschienen sind: Die Staatsoper prunkt mit vergleichslosen Besetzungen, aber die mitwirkenden Weltgrößen zeigen sich unglücklich. Nicht mit der Staatsoper und schon gar nicht mit dem Faktum, endlich wieder auftreten zu können. Sondern mit der Situation im Allgemeinen, die wesentlich mit der Überschätzung der Regie zu tun habe.

Als Erste wurde die Sopranistin Lise Davidsen deutlich: Sie bereue, manches nicht abgesagt zu haben. Eine Berliner "Walküre" in der Regie von Stefan Herheim, der im Herbst das Theater an der Wien übernimmt, habe ihr zu schaffen gemacht: Sie habe in der Rolle der Sieglinde einem von Wagner nicht ersonnenen Kind die Kehle durchschneiden müssen und das als sinnwidrig empfunden. Jonas Kaufmann und Bryn Terfel folgten, und der Welttenor wurde am deutlichsten von allen: "Wenn man durchgewatscht und für blöd verkauft wird, weil man nicht mehr versteht, was da auf der Bühne passiert, dann ist das nicht das, was man möchte." Während der Pandemie, fuhr Kaufmann fort, habe sich die "Retro-Welle" im Publikum verstärkt. Die Zuseher, bestätigte der Bassbariton Bryn Terfel, seien berechtigt, zu genießen, wofür sie bezahlt hätten. "Am Ende", fügte er hinzu, "geht es nur um Unterhaltung."

»Wenn man durchgewatscht und für blöd verkauft wird, weil man nicht mehr versteht, was da auf der Bühne passiert, dann ist das nicht das, was man möchte«

Eine Woche später präzisierte die Sopranistin Asmik Grigorian, der in Salzburg mit dem genialen Bilderfinder Romeo Castellucci eine karrierebefeuernde "Salome" gelang: Sie erkundige sich vorher genau über den Regisseur. Wenn der nicht passe, unterschreibe sie nicht.

In dieser Situation hat Bogdan Roscic, Staatsoperndirektor seit September 2020, mit der Aufforstung des Repertoires begonnen: Zu Übernahmen bedeutender Arbeiten etwa von Hans Neuenfels und Calixto Bieito kamen umkämpfte Neuproduktionen wie Kirill Serebrennikows "Parsifal" und Barrie Koskys "Don Giovanni".

Das war der Anlass für das folgende Streitgespräch auf Distanz: Die Maßstäbe setzende Sopranistin Ileana Cotrubas schrieb zwei Bücher gegen Regie-Eskapaden. Und als jüngst Peter Konwitschnys "Don Carlos" ins Staatsopern-Repertoire heimkehrte, tobte der Kampf auch jenseits der Rampe.

CONTRA: ILEANA COTRUBAS, SOPRANISTIN IM LEGENDENFORMAT

"Wir sind alle kaputt - am meisten die Regisseure"

Nicht wenige Kundige würden unter Eid aussagen, nie einer größeren Opernkünstlerin begegnet zu sein als der in Rumänien geborenen Sopranistin Ileana Cotrubas, heute 82. Einer von ihnen ist der Besucher, der am verregneten Freitagmorgen einer Adresse in noblen Währinger Cottage zustrebt. Der Anlass, die goldene Stehplatzzeit aufzurufen, ist ein aktueller: Die Elite des aktiven Operngesangs hat sich zuletzt in News-Gesprächen über das Ausufern der Regie beklagt. Wobei Jonas Kaufmanns Grollbekundung quasi wortgleich aus den beiden Büchern zitiert sein könnte, die Ileana Cotrubas in hellem Zorn zum Thema verfasst hat.

Denn die (tatsächlich) vergleichslose Mimi in "La Bohème", die Tragödin mit der herben Schmerzensschönheit in der Stimme, war jenseits der Bühne alles andere als ein Opfer: eine von Direktoren gefürchtete Kämpferin von raumverdrängenden 1,60 Metern Größe, eine Kompromissverweigerin, die Produktionen hinwarf oder sich vor dem Vorhang von ihnen distanzierte. Auf die aber kein Haus der Welt und kaum ein herausragender Dirigent ihrer Zeit verzichten wollte, weder Karajan noch Levine noch Kleiber, mit dessen "Traviata" sie Aufnahmegeschichte schrieb.

© (C)2022 Ricardo Herrgott/News Ein Salon wie ein Bühnenbild: Ileana Cotrubas, 82, Sopranistin in Unruhe, im Wiener Eigenheim

Aber die Regisseure! In Wien warf sie dem Giganten Rudolf Noelte, den man heute einen Konservativen nennen würde, eine "Eugen Onegin"-Premiere hin. Man entzweite sich über ein Detail in der zentralen Briefszene. "Tatjana macht das nicht", hatte Noelte seine Protagonistin beschieden, und sie antwortete: "Welche Tatjana? Das ist meine Tatjana."

"Wir sind doch keine Idioten!"

Und heute? War sie lang nicht mehr in der Staatsoper, seit der Premiere von "Anna Bolena" im März 2011 nicht. "Warum soll ich mir denn noch so viel Unglück antun?" Jonas Kaufmanns Diagnose, Lise Davidsens Bekenntnis, gegen ihre Überzeugung mitgemacht zu haben? "Genau das ist der Teufelskreis!" Die Augen funkeln, alle Bühneninstinkte sind angesprungen. "Das Sängerleben besteht nur noch aus Kompromissen, und die Hauptschuld geht auf euch Kritiker, die ihr diese Idiotien seit Jahrzehnten unterstützt. Ihr schreibt nur noch über die Inszenierung, aber der Dirigent und die Sänger kommen kaum mehr vor. Aber wer trägt denn die ganze Produktion und wer steht vor dem Publikum und zeigt eine Arbeit, die er so nicht gewollt hat und zu der er gezwungen wurde? Auch das Publikum, das sich so etwas ansieht, trägt Schuld, und ebenso die Theaterdirektoren, die ein großes Unglück sind. Und die Dirigenten, die die Partitur vor Augen haben und zusehen, wie sie zerstört wird. Die Komponisten haben doch alles genau niedergeschrieben. Und die Sänger müssten als Erste sagen dürfen, was sie mit der Rolle beabsichtigen. Sie haben sich gründlich vorbereitet und haben ein Recht, dass man ihnen vertraut. Oper muss in erster Linie ehrlich sein, und ohne Seele kann sie nicht leben. Aber niemand fragt die Sänger! Der Regisseur, der Direktor, der Gesangslehrer, die Kritiker - alle kommandieren sie! Wir sind doch keine Idioten! Und niemand wehrt sich, aus Angst, kein zweites Mal eingeladen zu werden. Das ist zu einer Art Terror geworden. Die Seele ist sehr empfindlich", fährt sie mehr consordino fort. "Wir tun alles für Technik, Konsum, Essen und Sex. Aber wir vergessen, dass wir Menschen sind und eine Seele haben, durch die wir auch physisch existieren."

»Oper muss in erster Linie ehrlich sein, und ohne Seele kann sie nicht leben«

"Oper muss geliebt werden"

Die leidigen Direktoren! Der im Sommer 2020 demissionierte Dominique Meyer habe zwar auch Kompromisse mit dem Zeitgeist geschlossen, sei aber ein kultivierter Mensch gewesen. "Aber Roscic? Was versteht er? Welche Musik ist ihm nahe?" Eventuell diejenige, die er 13 Jahre lang an der Spitze der Weltmarkführer DG, Decca und Sony produziert hat, nicht ohne Igor Levit und Teodor Currentzis zu entdecken? "Ja, immer die Top-Manager! Aber die Oper muss geliebt werden."

Jetzt, fährt sie fort, sei sie in Sorge um die Volksoper, ein von Robert Meyer gut geführtes Theater, das im Herbst von Lotte de Beer übernommen wird. Jener Regisseurin, deren Pariser "Aida" Jonas Kaufmann via News unter die peinlichsten Zumutungen seines Lebens subsumierte.

Aber kann sie denn nichts gutheißen, was jenseits der präzisen Umsetzung des (oft inferioren) Librettos die zeitlosen Wahrheiten der Partitur wiedergibt? Öffnet Musik nicht die Türen in alle Zeiten und Epochen? Und will die große Wahrheitsfinderin neben den geliebten Regisseuren Jean-Pierre Ponnelle und Otto Schenk nicht auch die Epochemacher Wieland Wagner und Patrice Chéreau anerkennen? Gewiss, lautet die Antwort. Auch Romeo Castelluccis Salzburger "Salome" habe sie beeindruckt, schon wegen der überragenden Asmik Grigorian. Aber zwei, drei glaubwürdige Raritäten rechtfertigten doch nicht die systematische Zerstörung eines Genres!

»Warum müssen wir als Künstler uns immer der Rationalität unterordnen? Nehmen wir doch zur Kenntnis, dass es andere Zeiten mit einer anderen Realität gegeben hat!«

Und das Argument der dummen Libretti! "Warum müssen wir als Künstler uns immer der Rationalität unterordnen? Nehmen wir doch zur Kenntnis, dass es andere Zeiten mit einer anderen Realität gegeben hat!" Das Schlimmste, ergänzt sie, sei die kürzlich an die Staatsoper importierte "Carmen" von Calixto Bieito gewesen. "So eine Vulgarität!" Aber Carmen ist doch vulgär! "Ist sie nicht! Sie ist frei, sexy, aber nicht vulgär, nimmt sich den Typ, den sie will!" Aber diese Frau habe ihn stets eingeschüchtert, wendet der Berichterstatter kleinlaut ein, und die Cotrubas erwidert mit etwas Rumänischem, das nichts Schmeichelhaftes bezeichnen dürfte.

"Bis man leer ist"

Der Betrieb sei hektisch geworden, maschinell, fährt sie fort. Rudolf Buchbinder, alle fünf Beethoven-Klavierkonzerte an einem Tag spielend! Barenboim mit seiner Rastlosigkeit! "Wir haben keine Zeit mehr, uns zurückzuziehen und über uns nachzudenken. Aber die Seele braucht Zeit, sich nach einem Kunsterlebnis zu regenerieren! Sänger heute müssen singen wie die Blöden, und auf einmal kommt nichts mehr, weil man leer ist. Was passiert auf dem Theater? Schreien, Schmutz, Blut, Sex, alles muss hässlich sein. Dazu die blödsinnige Korrektheitsbewegung! Wir sind eben nicht alle gleich, manche schwarz, manche weiß, manche gelb, manche rot. Aus!"

Gut, fügt sie hinzu, dass die Netrebko die wohlverdiente Pause eingelegt habe. "Wir sind alle kaputt, die Sänger, die Direktoren, die Kritiker und am meisten die Regisseure. Wir sind leer geworden, weil wir unser Gehirn mit so viel porcheria vollstopfen, dass für die Seele kein Platz mehr bleibt."

"Porcheria" heißt Schweinerei, und die Cotrubas hat es vor der Korrektur noch eine Spur deutlicher formuliert.

PRO: PETER KONWITSCHNY, BAHNBRECHER AVANCIERTER OPERNREGIE

"Jonas Kaufmann singt für die Reichen! Nur die Toten wollen Unterhaltung"

Parsifal als Tarzan, die Büßerin Kundry als wilde Reiterin auf einem Holzspielzeugpferd. Flugblätter, die "Erlösung dem Erlöser" verkünden. Mit Wagners Abschiedswerk löste Peter Konwitschny in München Trillerpfeifenproteste aus. Man schrieb 1995, und die "FAZ" lobte die Kühnheit des "Inszenators aus der DDR". Peter Konwitschny, Sohn des Dirigenten Franz Konwitschny, war in der großen Opernwelt eingetroffen. Sein " Parsifal" blieb 23 Jahre auf dem Spielplan der Bayerischen Staatsoper.

Konwitschny ist heute 77 und ein Bahnbrecher avancierter Opernregie. Die Verstörungskraft seiner Arbeiten, die sich streng aus der Musik legitimieren, ist nicht erlahmt. An der Wiener Staatsoper toben noch nach 17 Jahren die Publikumszerwürfnisse um seinen "Don Carlos". Über die Jahre verlagerten sich die Tumulte mitten ins Werk, denn Bewunderer und Gegner scheinen speziell nach der (von Verdi selbst unter Protest eingefügten) Ballettszene süchtig: Konwitschny setzte Verdis Geringschätzung um, indem er den Freiheitshelden Posa der triebhaften Eboli Pizza liefern lässt.

Peter Konwitschny
© imago images/SKATA Wild und weise. Der Regisseur Peter Konwitschny, 77, polarisiert und verstört mit seinen Inszenierungen

Den Carlos in der Wiederaufnahme verkörperte übrigens Jonas Kaufmann. Dessen Zorn über Regie-Eskapaden entlud sich im schon erwähnten News-Gespräch allerdings über eine Pariser "Aida" der designierten Volksoperndirektorin Lotte de Beer.

"Reaktionär!"

Das Publikum, so attestierte Kaufmann außerdem, sehne sich in diesen heillosen Zeiten nach Harmonie und Unterhaltung statt Analyse und Vergeistigung. Da reagiert Konwitschny im telefonischen News-Interview heftig: "Das ist reaktionär! Das stimmt doch nur für Vorstellungen, wo Kaufmann singt, Vorstellungen, wo die reichen Leute reingehen! Das kann für ein Opernpublikum stimmen, das tot ist. Die Toten wollen Unterhaltung und schöne, romantische Sachen. Das denkt sich der Kaufmann so zurecht. Der singt ja nur für solche Leute, der kann ja gar nicht über die anderen reden. Aber was wollen denn normale Leute in der Oper sehen? Wollen die tatsächlich das schöne Alte?"

Er sei im Osten sozialisiert worden, blickt Konwitschny zurück. Mit Brecht, Götz Friedrich, Joachim Herz, Walter Felsenstein, Adolf Dresen. Er habe ein Gefühl dafür, was zuträglich sei, eine Botschaft, die den Zuschauer reicher, sensibler mache. Wie sein "Eugen Onegin", der in Leipzig und Bratislava zu sehen war: Da wurden die Duellanten Onegin und Lensky von den Ballbesuchern umringt, der Kreis zog sich immer enger: Der Mord an Lensky geschah auf Drängen der Gesellschaft, und der Gutsbesitzer Onegin tanzte mit dem erschossenen Dichter einen Walzer. Oder Konwitschnys Sicht auf Verdis "La Traviata": Um das Schicksal der unglücklichen Halbweltexistenz Violetta glaubhaft zu machen, reichten ein Sofa und ein roter Vorhang. Oder Janáčeks "Totenhaus", das er statt im Gulag in einem Luxushotel verortete, in dem gefallene russische Mafiosi und Oligarchen festsaßen.

"Alle wie früher? Quatsch!"

"Eine Regie hat sich nicht nur um das Werk zu kümmern, sondern auch darum, wie es entstanden ist, wer es geschrieben hat und welche Probleme dadurch entstanden sind, dass auch Noten auf Papier gekommen sind. Auch mit unserer Welt, wie sie jetzt ist, muss sich Regie abgeben. Das ist das Normalste von der Welt. Wenn andere alles wieder wie früher haben wollen, ist das einfach Quatsch und leider auch sehr schädlich", argumentiert Konwitschny.

Und Shakespeares und Verdis Othello? Politisch Korrekte verbieten, ihn schwarz zu schminken. Zur politischen Korrektheit hätte er einen Satz von Daniel Barenboim bereit: Diese Art Korrektheit sei einer der größten Feinde der Humanität. Das musste Konwitschny selbst vor kurzer Zeit erfahren, fast am Ende der Proben von Verdis "Troubadour" in Nürnberg. Um einer Choristin zu erklären, wie Entsetzen glaubhaft zu machen sei, forderte er sie auf, sich einen wilden Löwen vorzustellen. Leider war die Sängerin von dunkler Hautfarbe, weshalb Rassismus verortet und Konwitschny kurz vor der Premiere verabschiedet wurde: "Eine richtige Intrige. Das war traurig, denn ich hätte an diesem Haus gern weitergearbeitet."

»Gendern ist Ausdruck des Endes unserer Zivilisation. Vielleicht ist ja schon Schluss«

Claus Peymann kommentierte in News den Vorfall so: "Da wird Sprache zum Gefängnis und das Moraldogma zur Waffe, die die Feinde der Kunst gern zur Hand nehmen. Das Mittelmaß bewaffnet sich." Die Stimme am anderen Ende der Leitung klingt heller: "Was will ich mehr? Ich könnte höchstens hoffen, dass das ein paar mehr Leute zur Kenntnis nehmen. Es wird wahrscheinlich nicht allzu viele geben, aber gut." Und Othello? "Mensch, haben Sie den ,Othello' von Tabori gesehen?", ruft Konwitschny aus. "Wenn Sie den gesehen haben, macht Sie das unangreifbar gegen diesen Schwachsinn, der sich da gebärdet. Da war Othello schwarz und die Frau weiß. Als sie sich berührt haben, wurde sie immer schwärzer. Wie soll das funktionieren, wenn er nicht mehr schwarz sein darf?" Diese Tendenzen glichen dem Gendern, dem "Ausdruck des Endes unserer Zivilisation. Das ist ein Moment, das uns sagt, demnächst ist Schluss, oder vielleicht ist ja schon Schluss. Es ist schon Schluss, wenn ein Othello weiß sein muss. Was soll denn dann noch kommen?"

Schwache Lehrkräfte

Immer mehr Sänger geben mittlerweile zu bedenken, dass der Regie zu viel Bedeutung beigemessen werde. Die große Ileana Cotrubas fordert namens der Kollegen die Achtung für Sänger, auch Dirigenten zurück. Wird die Regie überschätzt? "Nein. Aber ich habe den Eindruck, dass zu viele unfähige Leute Regie machen." Immer weniger der jungen Kollegen, gibt er zu bedenken, beherrschten Grundlegendes wie die Kunst der Personenführung. "Ich kann alles, was problematisch ist, nur im großen Zusammenhang sehen. Das Problem ist, dass die Lehrkräfte an den Hochschulen zu schwach sind. Dort wird den Leuten vermittelt, wie man sich bei einem Bewerbungsgespräch verkauft, aber keine Personenführung. Es gibt bestimmt nur zehn Prozent gute Lehrer, viele von denen sind vom Theater weg, weil sie damit nicht zurechtkamen. Diese Hochschulen und Universitäten bilden die Leute ohne Verantwortung aus. Es wurde zumindest behauptet, dass unbegabte Studenten aufgenommen werden, damit die Fachrichtung bestehen bleibt. Doch die hätten nie aufgenommen werden dürfen!"

»Ich habe nicht den Eindruck, dass ich noch einmal nach Wien komme«

"Theater werden schließen"

Wohin das führen soll? "Ich könnte mir vorstellen, dass immer mehr Theater schließen. Dass man sagt, seht euch doch die USA an, die haben fünf Opernhäuser, und das ist gut." Das sei den Widerlingen dieser Political Correctness, aber auch Corona geschuldet, fügt er hinzu. Und dann? Nur noch konzertante Aufführungen, wie regiegepeinigte Puristen fordern? "Konzertante Aufführungen sind das Schlimmste, was Werktreue betrifft." Soeben hat die Volksoper eine geplante Konwitschny-Regie von Mussorgskis "Boris Godunow" auf konzertant reduziert. Das sei wahrscheinlich Corona geschuldet, räumt er ein. "Aber ich habe nicht den Eindruck, dass ich noch einmal nach Wien komme." Weder mit Lotte de Beer, die im September die Volksoper übernimmt, noch mit Stefan Herheim, der Roland Geyer am Theater an der Wien folgt, gebe es Gespräche. "Das ist schon ein Wermutstropfen." Über Beschäftigungslosigkeit muss er dennoch nicht klagen. In Dortmund ist ein "Ring" im Entstehen, in Linz werden neben Verdis "Macht des Schicksals" auch Janáčeks "Schlaues Füchslein" und "Katja Kabanova" vorbereitet. "Es ist doch prima, dass die den Mut haben, mich zu engagieren! Und wenn man mich engagiert, kommt etwas, das nicht so einfach unter den Teppich zu kehren ist." Das sollte grundsätzlich die Voraussetzung von Regie sein.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 7/2022 erschienen.