Wortlaut-Auszüge aus Koziol-Gutachten

"Was die in der Öffentlichkeit vor allem diskutierten 'Ausstiegsmöglichkeiten' betrifft, so ist zunächst hervorzuheben, dass der Vertrag ein 'freies Rücktrittsrecht' (Gesamt- oder Teilrücktritt) der Republik vorsieht; die Ausübung dieses Rechts verstößt daher nicht gegen den Grundsatz 'pacta sunt servanda' sondern wird durch den Vertrag eingeräumt. Im Falle der Ausübung dieses Rücktrittsrechts stehen EF (Eurofighter, Anm.) allerdings 'Kompensationsforderungen' zu, also insbesondere für die an Sublieferanten zu tätigenden Zahlungen; ferner kann EF wohl auch Ersatz sonstiger Aufwendungen, etwa der Kosten der Verwahrung der Luftfahrzeuge und für die neuerliche Verwertung begehren. Andererseits sind auch die Vorteile aus der Verwertung der von der Republik nicht abgenommenen Luftfahrzeuge anzurechnen. Die Bemessung all dieser Forderungen würde im Ernstfall auf ganz erhebliche Schwierigkeiten stoßen. Daraus ergeben sich für beide Seiten beträchtliche Risken; vor allem kann es sogar zu dem Ergebnis kommen, dass die Republik zwar die Luftfahrzeuge nicht abnimmt, jedoch einen Betrag zu zahlen hat, der dem Kaufpreis nahe kommt; dies wäre im Voraus aber kaum absehbar.

Abgesehen von dieser Rücktrittsmöglichkeit erfordern alle anderen 'Ausstiegsmöglichkeiten' wichtige Gründe. Von diesen hat in der Öffentlichkeit besonders jener der Verletzung der in Anhang A/8 vorgesehenen Pflichten betreffend Geschenkannahme Aufmerksamkeit erregt. Hier ergeben sich sowohl auf der Sachverhaltsebene als auch in rechtlicher Hinsicht erhebliche Schwierigkeiten. Bekannt sind die Probleme, dass Herr Steininger nur in einem Vertragsverhältnis zu EADS und nicht zu EF stand; dass der Bieter jedoch allein EF war; ferner die Frage, ob Steininger unter einem beherrschenden Einfluss des Bieters stand, welchem Zweck die Zuwendung dient und ob der Empfänger zur Zeit der Zuwendung Einfluss auf die Entscheidung über den Vertragsabschluss hatte. Eine Auflösung des Vertrages wegen der Zuwendung brächte jedenfalls ganz erhebliche Risken aus Sicht der Republik mit sich, zumal nach dem derzeitigen Wissensstand kein Fehlverhalten von Organen oder Mitarbeitern von EF zur Diskussion steht.

Von den Auflösungsmöglichkeiten, die sich aus Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Vertrags ergeben, wäre vor allem Folgendes zu erwähnen: EF wird durch den Vertrag bei der Erfüllung von Alternativermächtigung eingeräumt: Anstelle von Tranche-II-Flugzeugen können zunächst Tranche-I-Flugzeuge geliefert werden, nach der Umstellung der Produktion auf Tranche II umzurüsten sind. ... eine vollständige Gleichwertigkeit muss nach dem Vertrag aber nicht gewährleistet werden. Die Folge sind LFZ mit einem unterschiedlichen Entwicklungsstand. ... Dies hat unter anderem Konsequenzen in der Wartung der LFZ. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob die Republik ausreichend über die relevanten Unterschiede aufgeklärt wurde und ob auch Unterschiede zwischen den umgerüsteten und den originalen LFZ der Tranche II bestehen, die nach dem Vertrag unzulässig sind. Aus derartigen Abweichungen könnten sich allenfalls Auflösungsgründe ergeben. ....

Es kann ... sicherlich nicht behauptet werden, dass eine Auflösung problemlos zum Nulltarif möglich wäre und dass die Folgen einer allfälligen Auflösung noch wirtschaftlich sinnvoll wären. Ein - jahrelanger - Rechtsstreit wäre daher unvermeidlich und mit ganz erheblichen Risken behaftet. Allerdings bestehen wegen der diffizilen Sachlage und der schwierigen Rechtsprobleme auch ganz erhebliche Risken für Eurofighter. Es ist daher meines Erachtens eine Situation gegeben, die am sinnvollsten durch einen Vergleich zu bereinigen ist; es gibt jedenfalls ausreichende Gründe, um EF an den Verhandlungstisch zu bringen und zum Abschluss eines Vergleiches zu bewegen."

(apa/red)