Wolfgang Schüssel: Es geht um Kanzler- schaft und Verteidigung der Nummer eins

VP-Politiker bereits zum vierten Mal Spitzenkandidat

Das erste Antreten als Spitzenkandidat bei einer Nationalratswahl im Jahr 1995 war für Schüssel eine herbe Enttäuschung. Ein halbes Jahr, nachdem er Erhard Busek als ÖVP-Obmann und Vizekanzler abgelöst hatte, brach er Neuwahlen vom Zaun. Trotz Zugewinne blieb die ÖVP auf Platz zwei hinter der SPÖ. Schüssel musste wieder als Juniorpartner mit Kanzler Franz Vranitzky eine Große Koalition bilden.

Vier Jahre später kam es bei den Wahlen noch dicker. Die ÖVP fiel - knapp, aber doch - auf Platz drei hinter die FPÖ zurück. Trotz seiner Ansage im Wahlkampf, als Nummer drei in die Opposition zu gehen, ließ sich Schüssel wieder auf Regierungsverhandlungen ein - und wurde schließlich im Februar 2000 mit Hilfe von Jörg Haiders FPÖ Bundeskanzler.

EU-Sanktionen 2000
Der internationale Aufschrei nach der schwarz-blauen Wende, der in EU-Sanktionen mündete, konnte Schüssel nicht stoppen. Auch Massendemonstrationen auf Österreichs Straßen und das Auseinanderbrechen der FPÖ konnte dem ganz und gar nicht als Publikumsliebling geltenden VP-Chef nichts anhaben. Ganz im Gegenteil nützte er den Zerfall der Freiheitlichen nach den Vorfällen in Knittelfeld im September 2002, rief sofort Neuwahlen aus und führte die Volkspartei vorbei an den verdutzten Sozialdemokraten erstmals seit 1966 wieder auf Platz eins.

Dieses taktische Glanzstück machte Schüssel in der früher als Schlangengrube verschrienen ÖVP unangreifbar. So konnte er auch trotz massiver Bedenken in den eigenen Reihen letztlich problemlos eine Neuauflage von Schwarz-Blau durchsetzen. Geschadet hat ihm das letztlich nicht einmal auf internationaler Ebene, kann sich Schüssel doch jetzt damit brüsten, dass es ihm gelungen ist, den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der FPÖ in einen bodenlosen Fall umgewandelt zu haben.

Starker Mann trotz Niederlagen
Auch schwere Wahlniederlagen der ÖVP konnten Schüssels Standing in der Partei nichts anhaben. Immerhin gingen seit den letzten Nationalratswahlen zwei Bundesländer - Salzburg und Steiermark - an die SPÖ verloren. Auch bei der Bundespräsidentenwahl unterlag die ÖVP-Kandidatin Benita Ferrero-Waldner dem SPÖ-Kandidaten Heinz Fischer. Zuletzt verlor die ÖVP auch das Match um die ORF-Führung gegen eine Regenbogenkoalition aus Opposition und BZÖ.

Als Politiker ist Schüssel bei Kontrahenten wenig geliebt. Er gilt als hart, als sehr guter Taktiker sowie als gnadenlos, wenn er es für nötig hält. In der Öffentlichkeit kam der ÖVP-Obmann lange nicht besonders an, obwohl seine Fähigkeiten als Rhetoriker immer schon unumstritten waren. Seine Rolle schien er erst als Kanzler gefunden zu haben. Reformen wurden von ihm erfolgreich als notwendig verkauft, auch strahlte er neben dem steht labilen blauen und später orangen Regierungspartner jene Ruhe aus, die von der Bevölkerung offensichtlich gewünscht wird.

Schüssel gilt heute - neben Bundespräsident Heinz Fischer - als der wohl erfahrenste Spitzenpolitiker Österreichs. Zwar hat er als Jurist eine solide Ausbildung, seine gesamte berufliche Laufbahn widmete er aber der Politik.

Über den ÖVP-Parlamentsklub und das Wirtschaftsbund-Generalsekretariat führte sein Weg 1989 in die Regierung, wo er das Wirtschaftsministerium übernahm. Im April 1995 ging der Kompromiss-Kandidat Schüssel aus einem parteiinternen Gerangel um die Nachfolge von Erhard Busek als ÖVP-Obmann hervor. In der Folge übernahm er Vizekanzleramt und Außenministerium - ab 2000 dann das Kanzleramt.

In Sachen Leutseligkeit, die Schüssel früher abging, hat er mittlerweile dazu gelernt. Zwar ist der begeisterte Hobby-Cellist-, Bergsteiger, Fußballer und Karikaturist bis heute nicht unbedingt ein Politiker, der das Bad in der Menge sucht, aber er kann nun auch im Umgang mit den Bürgern locker sein, wenn es denn notwendig ist.

Schüssel ist verheiratet mit Krista, Familienpsychologin, und Vater einer schauspielernden Tochter und eines Sohnes.
(apa)