Hirndoping in Österreich:
Ein unterschätzter Trend

"Fitter, besser, leistungsfähiger- es ist ein gesellschaftliches Problem"

Ein Medikament das Menschen aufmerksamer und schlauer macht klingt verlockend. Aber ist es tatsächlich möglich die Gehirnleistung zu optimieren? Und in welchen Berufsgruppen in Österreich bereits vermehrt auf Gehirndoping gesetzt wird?

von Aufgeklärt - Hirndoping in Österreich:
Ein unterschätzter Trend © Bild: shutterstock

Nicht nur psychisch Kranke nehmen Medikamente, die auf das Gehirn wirken – auch immer mehr gesunde Österreicher greifen zu pharmazeutischen Mitteln, um ihre kognitiven Fähigkeiten oder ihre Stimmung zu verbessern.

»Der Wunsch, die eigene Leistungsfähigkeit zu verbessern, ist so alt wie die Menschheit «

„Der Wunsch, die eigene kognitive Leistungsfähigkeit zu verbessern, ist so alt wie die Menschheit selbst“ erklärte die Arbeits- und Sozialpsychologin Nicole Kronberger von der Uni Linz. Welches Ausmaß der Wunsch nach „fitter, besser, leistungsfähiger“ in der Zwischenzeit weltweit angenommen hat veranschaulichen die Zahlen der Global Drug Survey eindrucksvoll.

Hirndoping ist mehr als ein Trend

Demnach hat sich die Zahl der Hirndoper von 2015 bis 2017 fast verdreifacht. An der Spitze stehen die USA mit rund 30 Prozent. In Österreich gaben 2015 rund zwei Prozent der Befragten an, leistungssteigernde Mittel genommen zu haben, zwei Jahre später waren es bereits 8,7 Prozent.
Eine aktuelle Studie, die unter knapp 3.000 Studierenden an der Uni Graz, durchgeführt wurde bestätigt den Trend. Das Ergebnis der im Juni 2018 veröffentlichten Erhebung: Rund 11 Prozent der Grazer Studierenden haben in den vergangenen 12 Monaten mindestens einmal Hirndoping betrieben.

Von Ritalin bis Antidepressiva

"Wir haben in Österreich als repräsentativ zwar nur die Studierenden in Graz untersucht, können aber auch hohe Zahlen im Bereich der Arbeitswelt orten. Wie etwa in den akademischen Berufen - Piloten, Lehrer, Ärzte - da gibt es schon ganz viele Daten“, sagt Studienautor und Gesundheitswissenschaftler Pavel Dietz von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.

Leistungssteigerung sei in unserer Gesellschaft mehr als ein Trend, dies lasse sich auch an den Verschreibungszahlen ablesen, die extrem nach oben geschnellt seien. Als Beispiel nennt er etwa Ritalin, das vor allem bei Kindern die unter bei ADHS leiden, zum Einsatz kommt. Gesunde Menschen missbrauchen die Substanz für Hirndoping. Ähnliche Psychostimulanzen seien illegale Amphetamine, der starke Wachmacher Modafinil oder beruhigende Betablocker.

Ist es wirklich möglich die Gehirnleistung zu verbessern?

Dabei sei das optimierte Gehirn nur eine Illusion. „Die Wachheit kann man zwar verbessern, aber nicht die Aufnahme- oder Reaktionsfähigkeit.“ Niemand wisse ob Piloten tatsächlich besser sind, nur weil sie wacher sind. Oder Studenten sich den Stoff leichter merken, nur weil sie die ganze Nacht hindurch lernen. Klar sei nur, dass beim Medikamentenmissbrauch ein „Down“ folgt. Das mentale Kapital werde schlicht zeitlich verschoben.

Wohlfühl-Enhancement ist auf dem Vormarsch

Dabei gehe der Trend neuerdings weg von reiner Leistungssteigerung hin zum sogenannten „Wohlfühl-Enhancement“. Beim Hirndoping werde in Europa immer häufiger zu Antidepressiva gegriffen. Die Gründe: Unsichere Arbeitsbedingungen, Existenzängste, Mobbing. „Die Menschen fühlen sich häufig einfach nicht wohl in ihrer Arbeit“, bestätigt Dietz. Das führe dazu, dass immer mehr gesunde Menschen ihre emotionale Befindlichkeit mit pharmazeutischen Mitteln steigern.

Die langfristigen Folgen von Gehirndoping

Die erheblichen Risiken und Nebenwirkungen sind vielen nicht bewusst. Betreibt man Hirndoping über einen längeren Zeitraum in hoher Dosis können neben Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems auch neuronale Veränderungen (langfristige Schädigungen im Gehirn) auftreten. Die Langzeitfolgen und Abhängigkeit sind mit einer normalen Drogensucht vergleichbar.

Wo beginnt Hirndoping eigentlich?

Die meisten starten mit Soft-Enhancern, die nicht verschreibungspflichtig sind. Zu diesen Einstiegssubstanzen zählen Koffeintabletten, Ginko Biloba oder Red Bull. Zwischen tatsächlichem Hirndoping und den nicht illegalen Mitteln liegt nur ein ganz schmaler Grad, wie Studienautor Dietz bestätigt. „Wenn ich 3-4 Tassen Kaffee trinke ist das kein Problem.

Wenn ich mir aber 300-500 mg Koffein in Tablettenform zuführe, dann ist das etwas ganz anderes“, erklärt er. Wenn ein Student in vier Wochen eine Prüfung hat und abends Medikamente einnimmt um länger wach bleiben zu können, spreche man bereits von Hirndoping.

»Nur weil ich länger wach bin, bin ich nicht klüger«

Der Korrektur per Pille steht er persönlich sehr skeptisch gegenüber. „Man bleibe zwar länger wach, werde aber dadurch nicht klüger. Der Gesundheit tue man mit Hirndoping jedenfalls nichts Gutes. Seine simplen Alternativen zu Hirndoping: Rechtzeitig zu lernen beginnen, während Lern- oder Stressphasen genügend Schlafphasen einbauen und regelmäßig Bewegung betreiben.

Begriffsdefinition

Neuro-Enhancement ist ein Überbegriff für sämtliche Methoden (Hirndoping ist eine davon ist), die eingesetzt werden können um geistig Leistungsfähigkeit (Kognition) zu verbessern. Wachheit, Konzentration, Aufmerksamkeit sollen sich verbessern. Inzwischen geht es auch in Richtung Stimmungsaufhellung.
Hirndoping ist klar definiert und dahinter steckt auch immer das gleiche Motiv: Es geht um verschreibungspflichtige Medikamente und illegale Drogen, die eingesetzt werden um kognitive Parameter zu verbessern. Der klare Subsatzbezug ist gegeben.