Die große
Taxi-Krise

Zu wenige Wagen und zu wenige Lenker - in der Taxibranche herrscht dicke Luft. Corona, die Einführung eines neuen Beförderungsgesetzes und eine Tarifänderung in Wien sind schuld. Leidtragende sind die Kunden, die immer öfter kein Taxi bekommen, wenn sie eines brauchen. Eine Bestandsaufnahme

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Wirtschaft - Die große
Taxi-Krise

"Ich steh in der Kälte und wart auf ein Taxi, aber es kummt net, kummt net " Dieser Hit der Band DÖF stammt zwar aus dem Jahr 1983, bleibt aber im Ohr. Denn wer heute ein Taxi benötigt, hat oft schlechte Chancen, eines zu bekommen -und das nicht nur in Wien. Hieß es noch vor wenigen Jahren, es gebe zu viele Taxis, ist heute das Gegenteil der Fall. Funkdienste in der Bundeshauptstadt nehmen keine telefonischen Reservierungen mehr entgegen, und wer es nach Konzertoder Lokalbesuchen auf der Straße oder an Stellplätzen versucht, hat auch immer öfter Pech.

Ein paar Bespiele: Gabi K.* musste kürzlich morgens um 5.30 Uhr vom 15. in den dritten Wiener Gemeindebezirk in eine entlegenere Ecke, die an den elften Hieb grenzt. Also rief sie am Vorabend beim Funkdienst 40100 an, bekam allerdings die Auskunft, dass derzeit keine Stadtfahrten angenommen würden. Sie solle einfach am nächsten Morgen zehn Minuten vor der geplanten Fahrt anrufen, dann werde sie schon einen Wagen bekommen. Da ihr das zu riskant erschien, buchte sie einen Wagen über die Mobilitäts-App Free Now. Am nächsten Morgen kam tatsächlich ein Taxi, doch ein anderes als bestellt. Obendrein trug der Fahrer keine Schutzmaske und entpuppte sich als Kamikaze-Pilot, der bei Rot über die Kreuzung und verkehrt gegen einen Kreisverkehr fuhr. Da er sich zudem offensichtlich im Grätzl nicht wirklich auskannte, versuchte er, die Passagierin zwei Mal vor dem Fahrziel mit den Worten "das ist nicht mehr weit" zum Aussteigen zu bewegen. Erst als Frau K. sich mit Nachdruck weigerte, brachte er sie doch noch an die gewünschte Adresse.

Eine Woche später wiederholte sich das Spiel: Diesmal musste Frau K. frühmorgens in den 13. Gemeindebezirk. Bei 40100 bekam sie dieselbe Auskunft wie schon beim vorherigen Mal, jedoch mit dem Rat, es doch unter der Nummer 31300 zu versuchen. Doch auch dieser Versuch war vergebene Liebesmüh: Nach 15 Minuten in der Warteschleife erhielt sie die Auskunft, dass kein Taxi bereit war, die Fahrt anzunehmen. Frau K. blieb nichts anderes übrig, als ihren Mann zu wecken, damit der sie mit dem Auto zu ihrem Termin brachte.

Ein bekannter Journalist eines Onlinemediums postete am selben Tag ebenfalls, dass er trotz aller Bemühungen kein Taxi bekommen konnte. Und die passionierte Theater-und Konzertbesucherin Katherina Z.* berichtet davon, dass in Wien nach Veranstaltungen meist viel zu wenige Taxis für die Besucher, die nach Hause wollen, zur Verfügung stünden.

Umsatzkiller Corona

Doch warum ist das so? Erwin Leitner, Taxiunternehmer und Bundesobmann der Branche, nennt mehrere Gründe für die Misere, die er gar nicht leugnen will. Vor allem habe die Coronapandemie samt wiederholten Lockdowns einen Einbruch des Geschäfts aufgrund ausbleibender Fahrgäste zur Folge gehabt -und auch jetzt sei das Angebot nach wie vor deutlich reduziert, sagt haben ihre Wagenflotte reduziert und Mitarbeiter abgebaut, Einzelunternehmer haben ganz aufgehört." Mit der Pandemie seien die Umsätze um 70 bis 80 Prozent eingebrochen. Derzeit sei die Branche noch 20 bis 25 Prozent unter dem Niveau von 2019.

Rund 18.000 aktive Taxis gab es österreichweit vor Corona, jetzt seien vielleicht 15.000 unterwegs, ganz genau könne man das nicht sagen. "Viele Kleine haben ihre Konzessionen auch nur ruhend gestellt und fangen demnächst vielleicht wieder an oder auch nicht", so der Branchensprecher. Die Situation sei ungewiss: Komme es wegen der Delta Variante zu einer flächendeckenden 1 G Regel für die Nachtgastronomie oder andere Lokale, würden sich viele überlegen, ob sie wieder zurückkommen. Denn ohne Abend oder Nachtgeschäft sei ihnen das Taxifahren nicht lukrativ genug. Leitner: "Das macht rund die Hälfte des Geschäfts aus; wenn das wegfällt, zahlt es sich nicht mehr aus."

In Wien, wo die Taxi Innung an die 4.000 Mitglieder hat, seien wegen Corona zwischen 1.500 und 2.000 Autos stillgelegt" worden, schätzt Leitner. Der stellvertretende Fachgruppenobmann in Wien, Leopold Kautzner, spricht von einem "Rückgang von 20 Prozent der Fahrtenbestellungen" während der Pandemie: "Aber wenigstens konnten wir in der Coronazeit die wenigen verbliebenen Fahrgäste transportieren." Viele haben es dennoch nicht geschafft: "Durch die Krise sind viele Taxiunternehmer verschwunden, weil es im Lockdown kein Geschäft gab", sagt Taxiunternehmer Gerhard Kreinberger**, "dadurch konnten die Leasingraten für die Autos nicht mehr bezahlt werden, und so haben rund 30 Prozent aufgegeben."

Als besonders "dramatisch" beschreibt Bundesobmann Leitner die Situation bei Flughafentransfers, da Airlines und Städtetourismus von der Pandemie massiv getroffen seien. "Da sind wir vom Normalniveau weit entfernt", so Leitner, der in seinem Unternehmen selbst von 50 auf25 Fahrzeuge und von 80 auf 25 Mitarbeiter abbauen musste. Der Flughafen Salzburg etwa habe derzeit nur rund ein Drittel der 1,8 Millionen Passagiere im Vergleich zur Zeit vor Corona, und auch am Flughafen Wien dem größten in Österreich werde man heuer lediglich rund zehn Millionen Passagiere statt 31,7 Millionen wie in der Vorkrisenzeit transportieren. Das treffe alle Verkehrsdienstleister und auch die Passagiere, die umso mehr auf Taxis angewiesen sind, da in der Bundeshauptstadt der Zubringerzug CAT nach wie vor nicht fährt und auch der Flughafenbus seine Betriebszeiten stark reduziert hat.

Vorbestellfunktion deaktiviert

Beim Taxifunk 40100 ist man bemüht, die Situation herunterzuspielen. Generalsekretärin und Kommunikationschefin Eveline Hruza: "Von einem Mangel an Taxis kann zumindest aus unserer Sichtkeine Rede sein." 40100 habe eine große Flotte von 1.500 bis 1.800 Wagen, die "von vielen Taxiunternehmen" zur Verfügung gestellt werden. "Eigene Taxis oder angestellte Fahrer haben wir nicht", so Hruza, die betont, dass "Vorbestellungen prinzipiell möglich" seien: "In den Sommermonaten haben wir diese Funktion jedoch ausgeschaltet, da wir aufgrund der punktuellen Lenker knappheit nicht zu 100 Prozent garantieren konnten, dass jede Vorbestellung erfüllt werden kann." Kunden würden gebeten, direkt vor ihrer Abfahrt einen Wagen zu bestellen dann könne gleich durchgegeben werden, ob und wann ein Wagen verfügbar ist. "Da wieder alle Lenker aus dem Urlaub zurück sind, werden wir die Funktion in den nächsten ein, zwei Wochen wieder aktivieren", sagt Hruza und spricht damit einen weiteren Punkt der Problematik an.

Viele mit Migrationshintergrund

Nämlich den Umstand, dass viele Taxifahrer Migrationshintergrund haben und in ihren Heimatländern auf Urlaub waren bzw. noch sind. Das hat die Situation zusätzlich verschärft die Fahrer fehlen. Wobei: Mit Schulbeginn solle sich die Lageaber wieder bessern, meint auch Taxiunternehmer Kreinberger**: "80 Prozentder Taxler haben Migrationshintergrund. Sie konnten heuer erstmals wieder zu ihren Familien nach Serbien, in die Türkei etc. fahren, was ja wegen Corona voriges Jahr nicht möglich war. Außerdem haben sie heuer staatliche Corona hilfen bekommen."

Ein weiteres Problem sei auch der neue, seit März geltende Wiener Taxitarif (siehe Kasten), der, so Branchensprecher Leitner, "nicht kostendeckend" sei und letztlich zu "Sozialdumping" führe, sowie nach wie vor Konkurrent Uber. Der stelle sich als Erneuerer hin, wolle sich aber nicht an geltende Gesetze halten, so Leitner: "Uber wurde jahrelang von der Politik durchgetragen, dabei sind sie nur Vermittler, die auf Kosten Dritter ihr Geschäft machen." Uber verrechne den niedrigsten Preis und kassiere von den Fahren 15 Prozent Provision und die müssten dann die Zeche zahlen. "Einerseits zieht Uber Leute von den Öffis weg und heizt andererseits einen Preiskampf an", moniert der Branchenobmann in Richtung der grünen Verkehrsministerin Leonore Gewessler, die zu günstige Tarife propagiere. Leitners Ziel ist eine bessere Bezahlung der Taxler: "Ich möchte, dass die Kollegen davon leben können."

Derzeit sieht der Taxi Kollektivvertragein Mindestgehalt von 1.500 Euro brutto plus vorgeschriebene Diäten in Wien, Salzburg und der Steiermark vor. Dort verdiene ein Fahrer "1.400 bis 1.500 Euro netto im Monat", so Leitner. 40100 Sprecherin Hruza: "Der neue Tarif heuer brachte eine Erhöhung um 14 Prozent. Mit der gleichzeitig eingeführten Preisspanne, die zwischen plus/minus 20 Prozent liegt und die nur bei telefonischer Bestellung oder per App wirksam ist, orientieren wir uns eher nach unten. Wir beobachten ja auch die Konkurrenz. Damit fahren viele Fahrer vonuns sogar unter altem Tarif. Klar, dass die jammern."

Anti Uber Gesetz

Dass Uber beklage, wegen des neuen, seit Beginn 2021 geltenden Gelegenheitsverkehrsgesetzes nicht genügend Fahrer zubekommen, lässt man in der Branche nichtgelten. Das Gesetz sieht nämlich vor, dassauch Mietwagenfahrer die Taxilenkerprüfung ablegen müssen. Das wurde vom ehemaligen FPÖ Verkehrsminister Norbert Hofer vorangetrieben und 2019 nach dem Platzen der türkis blauen Koalition in der Phase des freien Spiels der Kräfte von FPÖ und SPÖ mit Unterstützung der ÖVP beschlossen. Die Taxibranche machte damals massiv gegen Uber mobil und bekämpft eden Austro Ableger des US Konzerns auch mit Klagen. Branchensprecher Leitner sagt, die Änderung sei "längst überfällig" gewesen, weil sie eine "Qualitätsverbesserung" bringe. In den damaligen Verhandlungen sei ohnehin bei den geforderten Deutschkenntnissen nachgegeben worden.

Was Uber Chef Martin Essl und wohl auch viele Kunden wahrscheinlich anders beurteilen. Aus seiner Sicht ist neben Corona und Wiener Taxitarif vor allem das neue Gelegenheitsverkehrsgesetz, welches das Mietwagengewerbe de facto abgeschafft habe, schuld an der momentanen Misere. Das ist "ein großer Rückschritt in Sachen moderne Mobilität", sagt Essl. "Das Mietwagengeschäft von früher ist tot." Dass es derzeit zu wenige Taxis bzw. Fahrer gebe, habe damit zu tun, dass "Tausende Mietwagenfahrer wegen des nunmehr verpflichtenden Taxilenkerscheins vom Markt ausgeschlossen" seien. Uber, das zuvor bis zu 5.000 Fahrer auf seiner Plattform hatte, ist heute mit einem reduzierten Angebot in Wien, Graz und Salzburg aktiv und arbeitet ausschließlich mit Taxiunternehmen zusammen. Uber hab ein sieben Jahren einen großen Markt mit neuen, jüngeren Kunden aufgebaut, die nun ausschließlich auf ein Taxi angewiesen seien, so Essl: "Jetzt gibt es eine große Nachfrage und ein zu gereinges Angebot. Zu Jahresbeginn ust das wegen des Lockdowns nicht aufgefallen, doch seit Mai, Juni ist das Problem immer größer geworden."

Vor der Gesetzesänderung hatten rund 90 Prozent der Uber-Fahrer keinen Taxischein, mittlerweile sind nur wenige dazugekommen. Von der Prüfung bis zur Ausstellung des Taxischeins dauere es fünf bis neun Monate, und die Wirtschaftskammer, die dafür zuständig sei, versuche, die Prüfung "streng und den Markt knapp zu halten", so Essl. "Es kommen auch nur 15 Prozent der Angetretenen durch." Der Uber-Chef tritt dafür ein, dass "in einer technisierten Zeit, in der es GPS gibt, die Ortskenntnisprüfung abgeschafft wird".

Etablierte Taxiunternehmer wie Wiens Obmannstellvertreter Kautzner halten davon freilich wenig: "Ich habe auch eine Taxilenkerschule und stelle einen wahren Teilnehmerboom fest. Zuletzt haben sich zwischen 1.500 und 2.000 Personen angemeldet. Aber beim ersten Mal schafft nur ein Fünftel die Taxischeinprüfung. Hauptsächlich mangelt es an Ortskenntnis. Ein weiteres Kriterium, das den Taxischein verhindert, ist mangelnde Zuverlässigkeit." Uber-Chef Essl stößt sich zudem an den Tarifunter-und -obergrenzen in Wien: Die seien kontraproduktiv und machten den "Markt unausgeglichen":"Wenn in Zeiten hoher Nachfrage ein höherer Preis möglich wäre, würden beispielsweise spät in der Nacht oder frühmorgens auch mehr Fahrer dienstbereit sein." Im Moment ist es aber so, dass Taxler einfach Fahrten stornieren, wenn sie attraktivere angeboten bekommen. "Es gibt dazu immer wieder Beschwerden", sagt Essl.

Wählerische Taxler

Unternehmer Kreinberger beschreibt die gängige Praxis anhand der Vermittlungszentrale 31300, die seit einem Monat bis Jahresende auf die im Funkvertrag stehende Exklusivität verzichtet: "Das bedeutet, dass jeder Fahrer oft von drei bis sieben Funkzentralen gleichzeitig Aufträge bekommt und sich für den lukrativsten und am nächsten gelegenen entscheidet. Er storniert also die zuerst angenommene Fahrt, was zur Folge hat, dass sich die Kunden die Beine in den Bauch stehen." Die Taxler hätten auch keine Freude mit langen Fuhren: "Ab dem fünften Kilometer wird der Tarif degressiv, sie verdienen also im Verhältnis weniger", sagt Kreinberger, der auch von einem "gestörten Verhältnis zu Kunden aus der Nachtgastronomie" berichtet: Denn diese würden alle mit Kreditkarte bezahlen, was drei Prozent Abschlag bedeute; zudem geben "Kreditkartenzahler prinzipiell kein Trinkgeld".

Eine verfahrene Angelegenheit also, weshalb die Stadt Wien eine Arbeitsgruppe mit Wirtschafts-und Arbeiterkammer eingerichtet hat, die den neuen Taxitarif ein Jahr lang evaluieren soll. Auch mit Beteiligung von Uber, das noch auf Änderungen hofft. Aus dem Büro des zuständigen Finanzstadtrats Peter Hanke (SPÖ) heißt es, grundsätzlich sei "der aktuelle Tarif flexibler und transparenter". Und man tue alles, dass die neue Regelung gut funktioniere.

Allerdings, wie immer man es dreht und wendet: Für die Kunden ist die Situation alles andere als befriedigend - vor allem, wenn sie vielleicht nächtens irgendwo auf ein Taxi warten, und es kommt nicht, kommt nicht.

* Name der Redaktion bekannt. ** Name geändert.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 35/21

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