"Wir leben in gewalttätiger Welt": Platini im Interview über Hooligan-Randale besorgt

Rückendeckung für EURO 2008 bei Ticket-Preisen "Euphorie für die EURO wird sich noch entwickeln!"

Seit gut einem Monat ist Michel Platini Präsident der Europäischen Fußball-Union (UEFA). Im Gespräch mit österreichischen und Schweizer Journalisten nahm der ehemalige Weltklasse-Fußballer, 459 Tage vor dem Ankick der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz, Stellung zu aktuellen Problemen des Fußballs. Für die Entfachung der Euphorie für die EURO 2008 sieht der Franzose noch genug Zeit, die Ausschreitungen machen ihm aber große Sorgen. Platini schlägt eine Art Europol vor, um des Hooligan-Problems Herr zu werden.

APA: In Wien gab es am Wochenende Ausschreitungen, auch in anderen Ländern. Machen Sie sich im Hinblick auf die EURO Sorgen um die Sicherheit?

Platini: "Das macht mir Sorgen. Aber nicht im Besonderen was die EURO betrifft, sondern für den Fußball. Wir leben in einer gewalttätigen Welt, und das schlägt sich auch auf den Fußball nieder."

Was kann man dagegen tun?

"Wir werden mit der Polizei zusammenarbeiten und uns auch mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zusammensetzen. Eine Möglichkeit ist, dass gewaltbereite Fans nicht zu Spielen reisen dürfen, aber das ist mit der Freizügigkeit in Europa schwierig. Wir müssen uns an die Gesetze halten, brauchen die Zustimmung der Länder. Ich bin nicht im Stande, diese Hooligans zu kontrollieren. Eine Art Europol ist wichtig im europäischen Sport, ein Zentralorgan. Das ist die einzige Lösung, die ich sehe. Am 19. März werden wir in Genf viele Polizeichefs von betroffenen Ländern treffen, das ist eine gute Gelegenheit, Fortschritte zu erzielen. Man kann nicht so weitermachen."

Warum ist fast nur der Fußball betroffen und weniger andere Sportarten?

"Ich weiß es nicht. Vielleicht hat man das Problem zu lange unbeaufsichtigt gelassen. Es scheint, als ob die Zuschauer auf der Tribüne Herr der Tribüne sind. Ich bin kein Soziologe, aber vielleicht ist es ein Gruppen-Phänomen. Wir brauchen jemanden, der dem Sport hilft, wir können das Problem nicht alleine lösen. Nur mit Staaten, der Polizei und anderen Sport-Organisationen. Ich habe kein Recht, Leute zu durchsuchen. Wenn Polizeikräfte das dürfen, sollen wir ihre Hilfe erbitten."

Kritik ist auch wegen der Ticket-Preise (Anm.: ab 45 Euro) für die EURO 2008 aufgekommen. Halten Sie die Preise für angemessen?

"Ich habe darauf keine Antwort, weil ich mich mit diesem Thema nicht auseinander gesetzt habe. Bei der WM 1998 in Frankreich wollte das OK die Preise drücken, die FIFA wollte höhere Preise. Jetzt sagt Sepp (FIFA-Präsident Blatter, Anm.), die Preise sind zu hoch. Martin Kallen (EURO 2008-Geschäftsführer, Anm.) und sein Team haben mit der Schweiz und Österreich seit fünf Jahren gearbeitet. Sie haben abgewogen, was gut und was schlecht ist, sie haben mein volles Vertrauen. Wenn die Tickets zu billig sind, werden sie auf dem Schwarzmarkt weiterverkauft."

Was sagen Sie dazu, dass die EM-Euphorie in Österreich und der Schweiz noch nicht da ist? Sie waren bei der WM 1998 in Frankreich im Organisationskomitee, welche Ratschläge können Sie da geben?

"Man muss sich erinnern, dass auch in Frankreich die Euphorie sehr, sehr spät gekommen ist. Man neigt dazu zu glauben, dass ein, zwei Jahre vorher darüber gesprochen wird. In Frankreich wurde erst acht Tage nach dem Ankick darüber gesprochen. Die Euphorie wird sich entwickeln, ich bin mir sicher. Es wird langsam, aber sicher in die richtige Richtung gehen. Es wird ein großes Fest. Es liegt an den Verbänden, Ländern und Städten, dafür zu sorgen."

In Österreich sind viele Klubs trotz Lizenzverfahren in den Konkurs geschlittert. Ist das Verfahren zu zahnlos, was kann man dagegen machen?

"Die Lizenzen nützen den Klubs, aber kleine Vereine haben oft Probleme. Ich habe nur ein Ziel, die Vereine zu unterstützen. Ich will kein Debakel. Ich habe in der Vorwoche zu einem Meeting eingeladen, um die Strategie zu ändern. Alle zusammen werden wir über zukünftige Entwicklungen, das Wirtschaftliche, die Werte und auch die Lizenzierung reden. Im Sommer oder Spätsommer werden wir erstmals tagen, dann werden wir sehen."

(apa/red)