Gastro-Neustart "für
beide Seiten ein Experiment"

Wenn ab Mitte Mai die Gastronomie trotz Coronakrise wieder ihre Pforten öffnen darf, dann sorgt dies bei den Wirten wie auch bei den Konsumenten für große Verunsicherung. Am Dienstag wird die Bundesregierung die genauen Vorgaben präsentieren. Doch Mundschutz, Abstandsregelungen und Co. passen nicht wirklich zum gemütlichen Essengehen. Mit Spannung wird erwartet wie die Kunden reagieren werden.

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Prost, Mahlzeit - Gastro-Neustart "für
beide Seiten ein Experiment" © Bild: iStockPhoto.com/vgajic

Nach wochenlanger Isolation wegen der Coronavirus-Pandemie sehnen sich die Menschen nach Abwechslung und sind auch teilweise der eigenen Kochkünste müde. Andererseits wird es wohl auch zu begrenzten Zeiten pro Gast ("Time-Slots") kommen, damit die Gastronomen durch größere Kunden-Fluktuation bei geringerer Kapazität halbwegs auf Umsätze kommen.

Die aktuellen Entwicklungen zur Corona-Krise in Österreich

Oliver Fritz vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) sieht die Lage ambivalent. "Es wird für beide Seiten ein Experiment, sowohl für Wirte als auch Kunden, keiner weiß, wie es ausgeht", meint Fritz im Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur. "Es lässt sich derzeit nicht sagen, wie viele Betriebe überleben oder wie viele ab Mitte Mai aufsperren werden. Einige werden sicherlich auch unter den gegebenen Kapazitätseinschränkungen einen Betrieb aufrechterhalten können, der für einige Zeit die anfallenden laufenden Kosten deckt sowie auch einen Teil der Fixkosten."

Verzögerter Neustart

So mancher Wirt werde wohl versuchen, die Zeit "durchzutauchen" und erst wieder öffnen, wenn er sein Geschäft ohne Einschränkungen führen kann. "Die größten Probleme kommen auf jene Betriebe zu, die stark von touristischer Nachfrage abhängen, vor allem in den Städten, wo eine Erholung des Tourismus aufgrund der Reisebeschränkungen mit dem Ausland noch sehr viel länger auf sich warten lassen wird", glaubt Fritz.

In Sachen Inlandstourismus könnten es Betriebe in gefragten Regionen leichter haben, weil die Österreicher nicht ins Ausland reisen können oder wollen, glaubt der WIFO-Experte. Auch Gastro-Betriebe im Umkreis von urbanen Zentren könnten von Ausflüglern profitieren.

Eine Frage der Leistbarkeit

Die Preispolitik, glaubt Fritz, werde angepasst werden müssen. "Die Preissteigerungen der letzten Jahre kann man jetzt sicher einmal vergessen." Schwierig erscheint die Kalkulation natürlich auch deswegen, wenn man weiß, dass gerade die österreichische Gastronomie sehr auf den Verdienst bei den Getränken baut. Bei einer absehbaren, weit kürzeren Verweildauer kaum möglich.

Hinzukommt die Frage, was sich die Österreicher in dieser Krisenzeit leisten können und wollen. "Es ist die schwerste Wirtschaftskrise seit den 1930-Jahren, das wird auch in den Köpfen reflektiert. Urlaub und Gastronomie, das sind typische Ausgaben, wo man gerade in solchen Zeiten ein bisschen zurückhaltender ist", erklärt der Experte.

Abhängig davon, wie lange die Pandemie noch andauert, sind für Fritz "Betriebe mit Garten sicher ganz groß im Vorteil". Im Freien werden sich die Gäste nicht nur wegen des Sommers wohler fühlen, so mancher Wirt hat dadurch freilich auch mehr Platz. "Sind im Herbst die Auflagen noch immer so streng wie jetzt geplant, wird es schwieriger werden, das könnte die Zahl der Betriebsschließungen dann mit Verzögerung beschleunigen", schätzt der WIFO-Experte.

Problemkind Landgasthaus

Sorgen macht er sich auch um die Landgasthäuser, bei denen schon ohne Krise eine Schließungswelle zu beobachten war. "Gegen das Landgasthaus-Sterben gibt es ja eigene Programme von der Hotel und Tourismusbank für die Gastronomie, aber das wird sich sicher beschleunigen."

Allgemein ist der Österreicher für seine Liebe zur Gastronomie bekannt. In einer europaweiten Erhebung der RegioData aus dem Jahr 2017 belegte Österreich hinter der Schweiz in den jährlichen Gastro-Ausgaben den zweiten Rang mit rund 1.400 Euro.