Wiener Konzerthaus bekommt neuen Chef: Bernhard Kerres ab Sommer 2007 im Amt

Lieben-Seutter-Nachfolger wurde offiziell präsentiert Österreicher setzte sich gegen 160 Bewerber durch

Wiener Konzerthaus bekommt neuen Chef: Bernhard Kerres ab Sommer 2007 im Amt

Nach der Matura absolvierte Kerres eine Gesangsausbildung an der Wiener Hochschule für Musik und darstellende Kunst und war auch drei Jahre lang erfolgreich als Gesangssolist (Bass) an internationalen Häusern tätig. Als Solist arbeitete Kerres u.a. auch mit Agnes Baltsa und José Carreras. Nachdem er an der London Business School 1998 den MBA (Master of Business Administration) erlangte, entschied er sich jedoch für eine Karriere in der Wirtschaft und wirkte etwa als Finanzvorstand des Wiener Telekom-Ausrüsters Kapsch CarrierCom. Dennoch war Kerres von 2000 bis 2004 auch Direktor des Kuratoriums für die "London Mozart Players" und realisierte immer wieder auch Projekte für große Museen sowie Konzert- und Opernhäuser.

Kerres: "Ganz toller Moment"
Bernhard Kerres, der bereits im kommenden Frühjahr nach Wien kommen wird, um Christoph Lieben-Seutter in seinen letzten Monaten bei der Leitung des Wiener Konzerthauses zur Seite zu stehen, um einen fließenden Übergang zu schaffen, stellte sich nun der Presse vor. Für Kerres sei es ein "ganz toller Moment, den man kaum in Worte fassen kann". Als Schwerpunkte nannte Kerres Kontinuität, Kontakt zu Kindern und Jugendlichen durch Einsatz neuer Medien sowie eine Öffnung des Hauses für neue Publikumsschichten. Sein Vertrag ist nicht befristet und kann von Jahr zu Jahr verlängert werden.

Verbindung von Wirtschaft und Kultur ideale Voraussetzung
In den letzten 48 Stunden, seit sein Engagement bereits durchgesickert war, habe er viele Fragen bekommen, die schlagendste sei die nach dem Warum gewesen: "Und ich habe immer geantwortet: Aus Liebe zur Musik und aus Liebe zu diesem Haus", so der designierte Generalsekretär des Konzerthauses. Seit seiner Kindheit sei er mit dem Haus verbunden, hier habe er "viele schöne Stunden" verbracht. Seine Paralleltätigkeit zwischen Wirtschaft und Kultur sei für Kerres die ideale Voraussetzung für diesen Job. Schließlich sei er als Mitglied des Direktoriums auch im Finanzausschuss tätig gewesen: "Ich kenne mich aus. Es war nicht notwendig, einen Wirtschaftsfachmann zu holen", so Kerres auf die Frage, ob man ihn hauptsächlich wegen seiner Wirtschaftskompetenz engagiert habe.

Arbeit mit Headhunter
Im September habe sich das Direktorium entschlossen, so Theresa Jordis, Präsidentin des Hauses, bei der Suche nach einem Nachfolger professionell mit einem Headhunter zusammenzuarbeiten. Hierfür wurde die Firma Spencer Stewart ausgewählt. Zusätzlich gab es eine Findungskommission innerhalb des Direktoriums, der auch ein ausländisches Mitglied, Martijn Sanders, Direktor des Amsterdamer Het Concertgebouw, angehörte. Aber auch Kerres selbst saß in dieser Kommission, "bis mir klar wurde, dass ich im Gespräch bin, da habe ich mich zurückgezogen".

Harte Assessments
Zuerst sei eine Longlist von 160 Bewerbern ausgearbeitet worden, so Jordis. Die Anfragen seien "aus unterschiedlichsten Berufsgruppen" gekommen, darunter Rechtsanwälte, hochkarätige Wirtschaftstreibende ebenso wie Persönlichkeiten aus Kulturmanagement oder aktive Künstler. Die Verringerung dieser Liste auf einen engen Kandidatenkreis sei eine "ziemliche Aufgabe" gewesen. Die Kandidaten hätten zusätzlich harte Assessments bestritten, mit zehn Personen wurden intensive Gespräche geführt.

"Kontinuität" wichtig für Kerres
Für eine möglicherweise stärkere Einbindung der Zeitgenössischen Musik habe Kerres "heute kein Konzept, aber das ist Demut vor der Aufgabe. Für mich wird in den nächsten Monaten eine intensive Diskussion - auch über zeitgenössische Musik - stattfinden." Kerres' Konzept besteht aus drei Säulen: "Kontinuität, denn in den letzten Jahren wurde das Haus hervorragend geführt, das will ich weitertragen." Er werde das "Haus nicht abreißen, höchstens ein paar neue Bilder aufhängen".

Arbeit mit und für Jugendliche
Ein weiterer Schwerpunkt soll die Arbeit mit und für Jugendliche sein: "Ich will meine Leidenschaft weitergeben an jüngere Menschen, Kinder und Jugendliche. Ich will ihnen auch einen emotionalen Zugang ermöglichen in einer sehr 'coolen' Welt der Jugend. Er werde hierfür neue Kommunikationswege suchen und mit Formaten experimentieren. "Weil schließlich wollen Jugendliche nicht mit Anzug und Krawatte ins Konzert gehen." Drittens wolle er das Haus öffnen, ein breites Spektrum anbieten. "Ich sehe das Konzerthaus als Heimstätte der Musik in diesem Land und auch ein bisschen in Europa." Das wolle er auch "hinausbringen zu denjenigen Leuten, die sonst nicht ins Konzerthaus kommen, ich will ihre Hemmschwelle reduzieren.

Lieben-Seutter freut sich über Auwahl
Christoph Lieben-Seutter meinte zu Abschluss: "Die Wahl von Bernhard Kerres ist ein Bekenntnis zum Haus und zum Team des Hauses, ich freue mich sehr. Es ist weltweit bekannt, dass man nirgendwo so gut aufgehoben ist wie im Konzerthaus, das Team wird ihm den Job beibringen."

(apa/red)