Streit um die neue
Gumpendorfer Straße

Begegnungszonen, eine neue Einbahnregelung, viel Grün oder breitere Gehsteige: Die Wiener Bezirks-Grünen in Mariahilf haben am Mittwoch ihre Vorschläge präsentiert, um die stark befahrene Gumpendorfer Straße umzugestalten. Fix ist die Umsetzung aber nicht, da die Partei im Bezirk keine Mehrheit hat. Vielmehr sei die Präsentation der Startschuss für intensive politische Überzeugungsarbeit, hieß es.

von Stadtplanung - Streit um die neue
Gumpendorfer Straße © Bild: Die Grünen

"Die Gumpendorfer Straße ist eine Durchzugstraße vom Gürtel zum Getreidemarkt und retour", umriss Michael Reichelt, der stellvertretende Bezirksvorsteher, in einem Pressegespräch den aktuellen Status quo. Rund 10.000 Autos sind dort täglich unterwegs. Es gebe kaum Beschattung entlang der Verkehrsfläche, kaum Bäume, kaum Sitzgelegenheiten, kaum offenes Wasser und kaum eine Möglichkeit, im Schatten auszuruhen: "Attraktiv, um es gelinde zu sagen, ist sie nicht."

Für die Bezirks-Grünen ist die Neugestaltung des Straßenzuges schon länger ein Thema. Sie wollen die jetzige Verkehrsader "klimafit" machen und die Lebensqualität der Bewohner steigern. In ihrem Auftrag erstellte der Verkehrsplaner Harald Frey von der Technischen Universität Wien (TU Wien) bereits 2015 ein Konzept mit Vorschlägen. Dieses wurde nun aktualisiert und heute erneut präsentiert.

Begegnungszonen statt Kreuzungen

Die aktuelle Studie enthält neben breiteren Gehsteigen, Gehsteigvorziehungen, besseren Straßenquerungsmöglichkeiten und viel Grün auch einschneidendere Maßnahmen, um den Autoverkehr nachhaltig zu reduzieren. So sieht sein Konzept vor, dass die Kreuzungsbereiche beim Kurt-Pint-Platz bei der St. Ägyd Kirche und beim Fritz-Grünbaum-Platz beim Haus des Meeres zu Begegnungszonen werden. Zudem plädierte Frey für eine abschnittsweise Einbahnregelung zwischen Stiegengasse und Kaunitzgasse, sodass dort Autos nur mehr stadtauswärts fahren können. Ausgenommen davon soll die dort verkehrende Buslinie 57A sein, die weiter in beiden Richtungen unterwegs sein dürfte.

Insgesamt fällt Freys Urteil über die Gumpendorfer Straße vernichtend aus: "Die Gestaltung des öffentlichen Raumes ist nicht mehr zeitgemäß und widerspricht dem Charakter der Straße." Die Gumpendorfer Straße sei ein Relikt aus den 1950er-/1960er-Jahren, wo die "auto-orientierte Planung" dominiert habe. Doch mittlerweile habe sich die Situation geändert: Der Trend geht weg vom eigenen Auto. Die Zahl der zugelassenen Pkw im Bezirk ist seit dem Jahr 2002 um rund 1.500 Fahrzeuge zurückgegangen. Da weniger Autos auch weniger Stellfläche brauchen, gebe es schon allein dadurch Entwicklungschancen zur Gestaltung: "Wir haben ein enormes Potenzial."

Laut einer Grobschätzung Freys würden sich die Kosten der Umgestaltung auf drei Millionen Euro belaufen. Wird nur ein Teil der Maßnahmen umgesetzt, so schätzt der Experte, dass fünf bis zehn Prozent Verkehrsreduktion möglich sind. Wird der Durchzugsverkehr hingegen gekappt, so seien 50 Prozent oder mehr möglich, stellte er in Aussicht.

Grüne Überzeugungsarbeit gefragt

Die Grünen wollen nun Überzeugungsarbeit bei den anderen politischen Bezirks-Parteien leisten. "Klar ist, dass es im Detail noch viele Gespräche mit der Bevölkerung und den Parteien im Bezirk geben muss", sagte Reichelt. Das bisher nichts geschehen sei, führte er darauf zurück, dass "weder der Wille noch der politische Mut" vorhanden gewesen sei, um nachhaltige Maßnahmen zu setzen. "Dass natürlich jetzt andere Parteien das Thema entdecken, wundert mich nicht. Wir haben ja Wahljahr."

Auch die SPÖ, sie stellt derzeit mit Markus Rumelhart den Vorsteher, hat Pläne für die Gumpendorfer Straße. Im Dezember legte die Partei Anträge vor, die ein Bürgerbeteiligungsverfahren und eine Verkehrs- und Potenzialanalyse vorsah. Doch dieser fand im Bezirksparlament keine Mehrheit - auch die Grünen stimmten nicht zu. Vielmehr wurde das Ansinnen der zuständigen Kommission zugeteilt. Dort solle das Thema unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert werden, argumentierte Reichelt den Schritt, "weil Gesprächsbedarf da ist". Und der anwesende Planungssprecher der Grünen, Peter Kraus, sagte: "Das ist ein schönes Projekt für die nächste Wahlperiode."

Die SPÖ war von der Grünen Offensive jedenfalls alles andere als begeistert und empörte sich in einer Aussendung, dass die vorgelegten Pläne "hinter dem Rücken der Menschen" geschmiedet worden seien. "Die präsentierten Planungen sind eine Mogelpackung und gaukeln den Menschen vor, dass die Gumpendorfer Straße einmal so aussehen wird, wie auf den präsentierten Fotomontagen", ärgerte sich die stellvertretende Klubvorsitzende Julia Lessacher. Sie ortete eine "bewusste Irreführung der Bevölkerung", da die Vorschläge ohne Erhebung der Rahmenbedingungen und ohne Beteiligung der Bezirksbewohner erstanden seien.

Harter Gegenwind von ÖVP und FPÖ

Die ÖVP würde zwar eine Neugestaltung und Attraktivierung des Straßenzugs begrüßen, aber: "Die realitätsfernen Pläne der Grünen, eine zentrale Verkehrsader zu kappen und einmal mehr Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen, lehnen wir entschieden ab", kritisierten Verkehrssprecher Manfred Juraczka und der Mariahilfer Bezirksparteiobmann Gerhard Hammerer in einer gemeinsamen Aussendung. Sie fürchten eine Verdrängung des Verkehrs in die benachbarten Wohngrätzel.

Die FPÖ reagierte bereits am gestrigen Dienstag auf die heutige Präsentation. "Anrainer dürften auch diesmal nicht die Möglichkeit der Mitsprache bekommen. Die Umgestaltung samt Parkplatzraub ist beschlossene Sache. In puncto Demokratieverständnis haben SPÖ-Bezirksvorsteher Rumelhart und die Bezirks-Grünen eindeutig Nachhilfebedarf", ärgerte sich Bezirksparteiobmann Leo Kohlbauer.

Ebenfalls über den Alleingang der Grünen enttäuscht, zeigten sich die NEOS: "Die erfolgreichen Projekte der letzten Jahre zeigen, wie innovativ die Bürgerinnen und Bürger sind, wenn man ihnen den Raum dafür gibt. Umso sprachloser bin ich, dass diese Arbeitsweise nun wieder verworfen wird und die Politik versucht über die Köpfe der Menschen hinweg zu bestimmen", stellte die stellvertretende Klubvorsitzende Elisabeth Kattinger in einer Aussendung fest.