"Mondparsifal": Jonathan Meeses
Science-Fiction-Wagner-Coup

Für die Wiener Festwochen und die Berliner Festspiele hat der deutsche Künstler von Weltrang, Jonathan Meese, Wagners "Parsifal" als Spitze unserer gegenwärtigen Kultur interpretiert. Meese benennt das Werk „Mondparsifal Alpha 1-8. Erzmutter der Abwehrz) und stellt es an die Spitze der Pyramide der Gegenwartkultur. Der österreichische Komponist Bernhard Lang hat Wagners Partitur eindrucksvoll zerstückelt und überschrieben.

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Mondparsifal © Bild: Jan Bauer . Net / Courtesy Jonathan Meese . Com

Vor der Bühne zeigt ein ovales Porträt das Konterfei von Jonathan Meeses Mutter: "Siehste", steht auf dem Bildtext dazu. "Mütze ab" fordert in roten, leuchtenden Lettern eine Textzeile dort auf, wo das zerstückelte Libretto zum Mitlesen abgebildet wird. Das hat Meese mit eigenen Kommentaren ergänzt.

Mondparsifal
© Jan Bauer . Net / Courtesy Jonathan Meese . Com

Eine gewaltige, eindrucksvolle Science-Fiction-Landschaft eröffnet sich auf der Bühne des Theaters an der Wien. Die Gralsburg ist im Weltall, Kundry tritt als Richard Wagner auf, Gurnemanz hat die Gestalt des Künstlers Meese angenommen, der leidende Gralskönig Amfortas ist Mr. Spock, seine Wunde eine rotierende, gelb-rote Scheibe.

Meese zeigt: Wagner ist Comic, ist Sciene-Fiction, ist Zukunftsmusik.

Sujets, die prägend für die Jugend seiner Generation, also jener der heute 40- bis 50-jährigen waren, verarbeitet Meese zu Assoziationsketten. Der Gral kann alles sein, bei Meese taucht er als Comic-Figur Sponge-Bob auf, der Schwamm, der alles in sich aufsaugt. Wenn es heißt, "zum Raum wird hier die Zeit", wandeln Gurnemanz und Parsifal an einem Riesen-Twini schleckend durch die jüngsten Epochen.

Mondparsifal
© Jan Bauer . Net / Courtesy Jonathan Meese . Com

Die Hauptfiguren verweisen auf Figuren, die in jüngster Vergangenheit für unsere Kultur prägend waren: Parsifal, der rote Ritter, tritt in den ersten beiden Aufzügen als Science-Fiction-Fantasy-Figur Zardorz in roter knapper Hose, inklusive Hosenträger auf, im dritten Aufzug ist der dann der goldene Ritter und Retter. Kundry wandelt sich von Richard Wagner in eine Squaw, die mit einem Einbaum mit der Aufschrift 2023, das ist das Jahr von Richard Wagners 210. Geburtstag – auffährt. In zentralen Szenen ist sie dann Barbarella und am Ende eine Art Mischung aus Walküre Brünnhilde und Kriemhild in Klimt’schen Styling.

Logisch verfolgt Meese Wagners Weg zu "Parsifal" und führt vor, wie das Gesamtwerk in dessen letzter Oper zusammenfließt, indem er Parsifal in der Gralsburg einen roten Drachen töten lässt – siehe Siegfried– , einen überdimensionalen Eingang eines Bordells kurz einblendet – siehe "Tannhäuser": Klingsors Zauberschloss entspricht dem Venusberg. Siegfrieds Ermordung durch Hagen von Tronje aus Fritz Langs legendärer Verfilmungen der Nibelungen-Sage zeigt, wie sich die der tumbe Tor entwickelt. Wenn es am Ende bei Bernhard Lang heißt „Erlösung von den Erlösern“, setzt Meese noch eins drauf und verweist auf die Kunst selbst. Meese legt mit der Live-Übertragung von zwei Mal-Szenen selbst Hand an.

Mondparsifal
© Jan Bauer . Net / Courtesy Jonathan Meese . Com

Aus dem hervorragenden Ensemble ragt vor allem Wolfgang Bankl als Meese-Gurnemanz hervor. Magdalena Anna Hofmann (Kundry), Martin Winkler (Klingsor), Tómas Tomasson (Amfortas) und der Counter-Tenor Daniel Gloger überzeugen stimmlich und darstellerisch.

Bernhard Langs Musik ist ein Mixtum aus zentralen Passagen Wagners, die sich ständig wiederholen. Das klingt zuweilen wie ein Plattenspieler, der hängt, das nervt. Manche Passagen sind verjazzt, swingen flott vor sich hin. Das Klangforum Wien generiert unter dem Dirigat Simone Youngs gewaltige Momente daraus. Jonathan Meeses Arbeit am Original wäre ein Gewinn für die Rezeption Richard Wagners.