Eine (musik-)theatralische
Bankrotterklärung

Eine Dekonstruktion von Mozarts "Entführung aus dem Serail" und Romeo Castelluccis Performance bei den Wiener Festwochen

Schauspielertheater, Oper und Konzerte gibt es bei diesen Wiener Festwochen nicht. Man zeigt Performances und sogenanntes „Welttheater“. Die Aufführungen von „Les Robots ne connaissent pas le Blues oder Die Entführung aus dem Serail“ und „Democracy in America“ des gefragten italienischen Regisseurs Romeo Castellucci sind keine Argumente für diese neue Programmierung

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Wiener Festwochen - Eine (musik-)theatralische
Bankrotterklärung © Bild: Guido Mencari

Regisseur Benedikt von Peter und Das Duo Monika Gintersdorfer/Knut Klaßen mit ihrer Truppe von ivorischen Tänzern, der Hamburger Musiker Ted Gaier erarbeiteten eine Version von Mozart „Entführung aus dem Serail“. Mozarts Musik sollte mit anderen Musikformen wie Elektrobeats aus der Elfenbeinküste und Pop-Songs zusammengeführt werden. Nichts gegen Experimente, doch was im Museumsquartier geboten wurde, mutete als trotzige Reaktion von Pubertierenden an, die nicht in die Oper gehen wollen.

Unter dem Dirigat von Jonathan Stockhammer spulte die Camerata Salzburg die Ouvertüre ab als gelte es einen Wettbewerb in Langeweile zu gewinnen. Möglich aber auch, dass das der Auftrag war, sollten doch die Beats aus dem Lautsprecher besonders gut zur Geltung kommen. Opernsänger und Schauspieler singen oder krächzen, jeder wie er kann, einige Arien wie Nummern in einem Varieté. Ausgerechnet anhand der zentralen Arie der Konstanze erklärt die Opernsängerin, wie Gesangstechnik funktioniert.

Darsteller der ivorischen Truppe krakelen ins Mikrophon, erklären, dass Mozart für sie einschläfernd ist, sie aber nichts davon verstehen, dass Mozart heute einen Facebook hätte und dass Österreich ein großes Land ist. Mozarts Name wird wiederholt genannt, auch Hitler wird erwähnt, die Darsteller labern irgendetwas über Liebe und von der Käuflichkeit der Frauen. Spätestens hier erwartet man einen Aufschrei von Feministinnen, möglicherweise waren diese unter jenen Besuchern, die vor diesem Ärgernis vor dem Ende die Flucht ergriffen haben. Ein Schelm, wer denkt, man hätte das Publikum bereits eine halbe Stunde nach Beginn aufgefordert, auf den Bänken auf der Bühne Platz zu nehmen, um den Abgang einiger Besuche zu tarnen. Immerhin macht man die Probe aufs Exempel und schickt die Zuschauer am Ende wieder in die Ränge. Tafeln mit Aufschriften wie „Du kannst elitär sein, aber nur, wenn du keine Macht hast“ oder „Wenn du sagst, ich bin blöd, stelle ich mich doppelt so blöd an“, mögen als Kommentar reichen.

© Knut Klassen

Wie man Oper revolutionieren kann, hat der italienische Regisseur Romeo Castellucci in den vergangenen Jahren bei den Wiener Festwochen gezeigt. Während der Aufführung von Glucks „Orpheus“ wurde in das Krankenzimmer einer Koma-Patientin live geschaltet. Kunst und Realität verschmolzen zu einer bewegenden Einheit.

Während man an der Bayerischen Staatsoper Castelluccis polarisierende Inszenierung von Richard Wagners „Tannhäuser“ zur Premiere brachte, musste sich das Publikum der Wiener Festwochen mit einer Tourneeproduktion des Italieners begnügen. In Wien führte Castelluccis Truppe vor, was puritanische Einwanderer in den USA angestellt haben und selbst erleiden mussten. Folkloristische Bilder wechselten mit überlangen Dialogen über Leiden und das Hadern mit dem Glauben ab. Die Basis dafür war eine Art Reisebericht des Franzosen Alexis de Tocqueville aus dem Jahr 1832. Dabei aber dominierte Redundanz. Das Geschehen, das man durch Wiederholungen und ausgedehnte Szenen auf eine Stunde und fünfzig Minuten erstreckte, hätte nicht wenige Kürzungen vertragen. Auch wenn die Darstellerinnen überzeugend agierten, bewegte das Dargebotene weniger als es langweilte.