Der Wahlkampf der Lager

Politische Lager bleiben bei Wiener Landtagswahlen seit 1991 erstaunlich stabil

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Fakten - Der Wahlkampf der Lager

Wenn man nach einer Wien-Wahl sucht, die ganz anders als die heurige ist, muss man weit in die Geschichte zurückgehen. 1987 war die ÖVP in Wien noch eine relativ große Partei. Sie erreichte 28,4 Prozent, die FPÖ kam hingegen auf bescheidene 9,72 Prozent. Seither hat sich viel geändert. Die FPÖ ist jeder Wahl außer 2005 die zweitstärkste Kraft in Wien, die ÖVP erholte sich von der Niederlage 1991 hingegen nie mehr. Sie stürzte damals auf 18 Prozent ab und konnte seitdem auch nicht mehr als 18 Prozent erreichen. Seither sind SPÖ und FPÖ kommunizierende Gefäße, der Wahlerfolg der einen Partei geht immer fast ausschließlich zu Lasten der anderen. Zwischen den beiden Lagern SPÖ und FPÖ auf der einen Seite, beziehungsweise Grüne, ÖVP und phasenweise Liberales Forum auf der anderen, gibt es hingegen kaum ein Stimmenverschiebung. Das blieb über die Wahlgänge von 1991 bis 2010, also über 19 Jahre, unverändert stabil. Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch bei der heurigen Landtagswahl so bleibt, ist hoch.

Zwar ist im Vorfeld jeder Wiener Landtagswahl viel vom rot-grünen Lager zu lesen. In den Ergebnissen zeigt sich das aber kaum. Ein dauerhafter und messbarer Austausch zwischen den Wählern der SPÖ und der Grünen fand seit 1991 nicht statt. Das, obwohl 1991 die po1itische Landschaft in Wien noch ganz anders aussah. 1991 war Helmut Zilk Bürgermeister und Jörg Haider stand am Anfang seiner Karriere. Zusammen kamen SPÖ und FPÖ damals auf 70,35 Prozent. 19 Jahre später, 2010 trat Häupl gegen Strache an. Das gemeinsame Ergebnis von SPÖ und FPÖ war mit 70,11 Prozent jedoch fast dasselbe wie 19 Jahre zuvor. Auch dazwischen gab es nur eine sehr geringe Schwankung. 1996 und 2001 kamen beide Parteien zusammen auf knapp über 67 Prozent.

Nur 2005 fällt etwas aus dem Rahmen. Die FPÖ brach damals in Folge der schwarz-blauen Regierungsbeteiligung ein und die SPÖ legte zwar zu, doch nicht im selben Ausmaß. Beide Parteien kamen gemeinsam auf 63,92 Prozent. Rechnet man das BZÖ zum Ergebnis hinzu, waren es immerhin 65,07. Insgesamt liegen zwischen dem besten und dem schlechtesten gemeinsamen Ergebnis von SPÖ und FPÖ in Wien gerade einmal 5,28 Prozent. Rechnet man den Sonderfall 2005 heraus, waren es gar nur 3,28 Prozent.

Wiens stabile politische Lager

Auf der bürgerlichen Seite sieht es kaum anders aus. Die bürgerlichen Parteien schwanken zwischen 26,63 Prozent im Jahr 2010 und 33,4 Prozent im Jahr 2005. 6,7 Prozent beträgt der maximale Unterschied zwischen den bürgerlichen Ergebnissen der einzelnen Wahlgänge. Ohne den Sonderfall 2005 sind es gar nur 5,56. Der Unterschied ist hier etwas höher als bei SPÖ-FPÖ.

Im Maximum erreichte das SPÖ-FPÖ-Lager knapp über 70 Prozent. Das war vor allem bei den stark polarisierten Wahlkämpfen 1991 und 2010 der Fall. 1996 und 2001 lag das Ergebnis etwas darunter, bei rund 67 Prozent und 2005 bei gar nur 63,92 Prozent. Das bürgerliche Lager kam hingegen 2005 auf einen Höchststand von 33,4 Prozent. 2001 und 1996 (damals noch mit Liberalem Forum) kam es auf 32,28 und 31,15 Prozent. 1991 und 2010 hingegen nur auf 27,13 und 26,63.


Warum ist das wichtig? Die bisherigen Wahlumfragen spiegeln dieses bisherige Kräfteverhältnis bislang nur zum Teil wieder. SPÖ und FPÖ gemeinsam kommen in acht der letzten 20 Umfragen, die auf dem Portal Neuwal gesammelt werden, auf ein Ergebnis das schlechter ist, als es es die letzten fünf Wahlgänge vermuten lässt. Ganze 14 Ergebnisse sind es, wenn man den Sonderfall 2005 herausrechnet. Auf bürgerlicher Seite sieht es etwas besser aus: Nur zwei der Wahlumfragen überschätzen das Lager gemessen an den bisherigen Ergebnissen seit 1991. Rechnet man den Sonderfall 2005 heraus, tun das aber immerhin sieben Umfragen.

Neos müssen um Einzug zittern

Dass SPÖ und FPÖ Ergebnisse miteinander kommunizierende Gefäße sind, überrascht nicht, dass sich die gemeinsamen Ergebnisse bei Wahlen über die Jahrzehnte jedoch so wenig unterscheiden, dann doch eher. Das zeigt sich bis hinunter auf die Bezirksebene wo die Ergebnisse von SPÖ und FPÖ ebenfalls kommunizierende Gefäße sind.

Was kann man daraus ableiten? SPÖ und FPÖ werden gemessen an ihren letzten fünf Wahlergebnissen im langjährigen Schnitt bislang unterschätzt. Der Sonderfall 2005, als die FPÖ stark verlor und die SPÖ nur einen Teil davon gewinnen konnte, könnte sich mit umgekehrten Vorzeichen zwar heuer wiederholen. Falls die SPÖ mehr verliert als die FPÖ gewinnt, steigt die Verteilungsmasse für das bürgerliche Lager. Nur in einem solchen Fall, das zeigt das Ergebnis von 2005, verschiebt sich das Stimgmewicht etwas von SPÖ/FPÖ zu ÖVP/Grün/Neos. Dagegen spricht allerdings die starke Polarisierung in diesem Wahlkampf und die Zuspitzung auf die Bürgermeisterfrage, die tendenziell sowohl SPÖ als auch FPÖ hilft.

Sollte sich das bewahrheiten, wird das Lager von Grünen, ÖVP und Neos in den Umfragen aktuell zu hoch bewertet. Entscheidend könnte das vor allem für die Neos werden, für die der Einzug bei der Wiener Landtagswahl fast schon eine Überlebensfrage ist. In den letzten zwanzig Umfragen liegen sie zwischen 6 und 8 Prozent und damit stabil über der Wiener Sperrklausel von fünf Prozent. Schaffen SPÖ und FPÖ hingegen ihr gemeinsames Ergebnis von 1991 und 2010 zu wiederholen, wo sie gemeinsam über 70 Prozent kamen, so wird es im bürgerlichen Lager eng. Der Verteilungsspielraum liegt dann nur bei rund 27 Prozent oder etwas mehr, falls die sonstigen Parteien schwach abschneiden. Gegen diese Annahme spricht allerdings, dass es heuer besonders viele sonstige Listen gibt.

In diesem Fall müssten die Neos für einen Einzug auf ein sehr schwaches Ergebnis von Grünen und ÖVP hoffen. Doch die Grünen haben bereits bei der letzten Wahl eine Niederlage eingefahren und liegen unter ihren bisherigen Höchststand von 2005. Außerdem konnten sie bei den letzten neun Wahlgängen zulegen. Umgekehrt hat auch die ÖVP ihre größte Wahlniederlage in Wien bereits 1991 eingefahren. Nur mehr bei der Wahl 2005 konnte sie mit 18,77 Prozent ein, um ein Hauch besseres Ergebnis einfahren. Von 1991 auf das Ergebnis von 2010 mit 13,99 Prozent hat die Partei aber auch nur vier Prozent abgegeben. In dieser Zeit verbrauchte sie jedoch sieben Obleute und vollzog unzählige Kurswechsel. Die Wählerschaft hat also eine gewisse Leidensfähigkeit bereits bewiesen. Warum sie ausgerechnet diesmal in Scharen davonlaufen soll, ist unklar. 1996 und 2001 als das Liberale Forum in wien antrat, tat sie das jedenfalls nicht.

Umfragen unterschätzten schon 2010 SPÖ und FPÖ

Das Verteilungspotential im bürgerlichen Lager ist also gering. Das merkt man auch an der Neos-Kampagne, zielt diese doch explizit auch auf Protestwähler und damit nicht das eigene Stammpublikum ab. Gelingt es einen Teil der SPÖ-FPÖ-Wähler zu gewinnen, so scheint der Einzug sehr viel realistischer. Landen SPÖ und FPÖ hingegen wie zuletzt bei gemeinsam etwa 70 Prozent, wird es für die Neos sehr knapp. Für einen Einzug bräuchten sie dann selbst bei einem Miniplus der Grünen ein desolates Ergebnis der ÖVP, sonst geht es sich schlicht nicht aus.


Es lässt sich allerdings nicht abschätzen, welche bürgerliche Partei verliert, wenn der Verteilungsspielraum insgesamt klein ist. Aber es ist wahrscheinlich, dass die bisherigen Umfragen das bürgerliche Ergebnis insgesamt überschätzen und das von SPÖ und FPÖ unterschätzen. So war es auch bei der Wahl 2010. Alle im Vorfeld publizierten Umfragen lagen unter dem tatsächlichen gemeinsamen Ergebnis von Rot und Blau.

Die letzten 20 Wahlumfragen schätzen SPÖ und FPÖ im Schnitt auf 65,9 Prozent. ÖVP, Grüne und Neos liegen bei 32,1 Prozent. Erwartbar, gemäß dem Schnitt der letzten fünf Wahlgängen wären jedoch 67,7 beziehungsweise 30,12 Prozent und ohne den Sonderfall 2005 68,65 und 29,3 Prozent. Die bisherigen Wahlumfragen schätzen das bürgerliche Lager im Vergleich somit um zwei, beziehungsweise drei Prozent höher ein als es der langjährige Schnitt vermuten lässt. Wahlen lassen sich allerdings nicht vorhersehen und natürlich ist es denkbar, dass das bürgerliche Lager besser abschneidet, als bei den vergangenen fünf Jahrgängen. Eine Konstante bei fünf Wahlgängen seit 1991, die sich über alle Themenkonjukturen und politischen Großwetterlagen hält, ist aber auch nicht von der Hand zu weisen. Sollte sie auch diesmal wieder zutreffen, wird es am 11. Oktober zumindest eine Wahlniederlage bei ÖVP, Grünen und Neos geben, die bislang in den Umfragen noch nicht abzulesen ist.

Die bisherigen Wiener Landtagswahlen seit 1991

Wiener Landtagswahl 1991:
SPÖ + FPÖ zusammen 70,35 Prozent
ÖVP + Grüne 27,13 Prozent


Wiener Landtagswahl 1996:
SPÖ + FPÖ 67,09 Prozent
ÖVP + Grüne + LIF 31,15 Prozent


Wiener Landtagswahl 2001:
SPÖ + FPÖ 67,07 Prozent
ÖVP + Grüne + LIF 32,28 Prozent

Wiener Landtagswahl 2005:
SPÖ + FPÖ 63,92 mit BZÖ 65,07 Prozent
ÖVP + Grüne 33,4 Prozent


Wiener Landtagswahl 2010:
SPÖ + FPÖ 70,11 Prozent
ÖVP + Grüne: 26,63 Prozent

Kommentare

neusiedlersee melden

Wozu werden die NEOS in Wien gebraucht? Die brauchen sich wohl nur selbst. Dafür stehen sie auch. Sonst lehnen sie alles andere ab. Schade um jede Stimme.

Nudlsupp melden

Sehen Sie. Das ist Demokratie und Meinungsvielfalt. Ich würde Ihren Beitrag genau so schreiben, lediglich NEOS durch FPÖ ersetzen. In der Tat erscheinen mir die NEOS aber viel anständiger als so einige Führungspersonen der F. Aber das ist meine persönliche Meinung

Bill Rizer

Zeit und Geld scheinen die Neos ja mehr als genug zu haben, wenn sie Fernsehwerbung mit Hetze gegen die FPÖ schalten können.

Roland Mösl
Roland Mösl melden

NEOS, eine stockkonservative neoliberalistische Partei im rosa Tarnanstrich was neues vortäuschend. Ich war im NEOS EU-Vorwahlkampf, wurde von der Liste gestrichen und bin Angelika Mlinar sehr dankbar, dass Sie in der Pressestunde die Wähler so perfekt vor der NEOS gewarnt hat. http://Politik.PEGE.org/2014-neos/

neusiedlersee melden

Hr. Strolz: ein Wichtigmacher mit kleiner Schuhnummer. Er wäre gut als Antreiber und Ausbeuter für arbeitende Menschen. Wer einen solchen Chef hat, ist zu bemitleiden.

christian95 melden

Sollte die SPÖ wirklich nur um die 35% bekommen, wie sämtliche Umfragen seit einem Monat zeigen, wird Häupl noch am Wahltag zurück treten.

christian95 melden

Nicht "A G´spür" sondern "Ka G´spür" für Wien würde für die SPÖ richtiger sein.

neusiedlersee melden

Es besteht sogar die Möglichkeit, dass keine 30% f.d. SPÖ werden. Denn Häupl hat das Wien, das Zilk zurückgelassen hat, zerstört: Hohe Verluste durch unmoralische Spekulationen und Lärmfeste, vor denen man sich nicht schützen kann und die Anrainer krank machen und auch schon Herzinfarkte herbeigeführt haben. Aber Häupl wohnt ja nicht im Zweiten.

Nudlsupp melden

Jetzt hörens aber auf Neusiedlersee. Wirklich? In einer Großstadt wie Wien ist es auch mal laut? Wie dumm, daß man das den Leuten nicht schon vorher gesagt hat. Dann haben Sie natürlich Recht. Da geht es gar nicht mehr anders als Häupl in Rente zu schicken. Und Christian weiß bestimmt schon, wie HC aus Wien eine Oase der Ruhe machen wird.

Oliver-Berg

Im übrigen die NEOS müssen sich nicht in einen Kampf wer ist mehr oder weniger gegen Flüchtlinge und deren Integration verstricken. Da bleiben sie nur zwischen dem Burgamasta und den ewig fremdenfeindlichen Strache, Gudenus und co. hängen. Die ÖVP wird massiv verlieren, weil völlig farbloser Kandidat, die Grünen werden leicht verlieren und die NEOS werden sicher den Einzug schaffen.

Oliver-Berg

Die heurige Wahl wird insofern spannender als die dargestellte Langzeitprognose, weil verschiedene neue Listen antreten, die bei letzten Wahlen entweder gar nicht gewählt haben oder wo Randgruppen nun durch diese Listen sich stärker vertreten fühlen.
Wer nicht umbedingt auf SPÖ oder FPÖ steht hat damit bessere Alternativen als noch 2010. In jedem Fall wird es eine Überraschung geben.

M. Marcus melden

lieber opernfreund, nur weil die Medien nichts schreiben, heisst das nicht dass jemand sich nicht äußert. schau mal auf seine homepage. es ist nunmal das Los der Opposition, dass sie von den Medien nicht die gleich Aufmerksamkeit bekommen wie die Regierung. Ihn deshalb gleich zu verabschieden halte ich für reine Provokation.

giuseppeverdi melden

Ach man schreibt Ihrer Meinung nach nicht über die Opposition? Eigenartig - Strache ist mehr in den Medien als die Regierung. Was also mach der in der Opposition anders als Strolz?

giuseppeverdi melden

Ja und dann noch eine Frage. Wer vom gewöhnlichen Fußvolk macht sich schon die Mühe, auf die jeweilige Homepage jeder Partei zu gehen. Man muss sich mit interessanten Meldungen in den Vordergrund arbeiten. Auf eine Homepage gehe ich immer nur, wenn eine Meldung vorliegt, die ich nachrecherchieren muss - sonst nicht! Oder wenn ich mich - weil ich sie zu wählen gedenke für ihr Programm interessiere.

Die Zeit der politischen Scharlatane a la Strolz, der im Parlament bei seiner ersten Rede ankündigte, diese immer mit einer positiven Botschaft zu beginnen, ist vorbei. Der politische Alltag hat die Pinken eingeholt und da ist nicht viel Platz für sie neben den "Etablierten". Auf Wiedersehen Herr Strolz, denn zu den ernsten Problemen dieser Tage (Flüchtlinge) haben Sie anscheinend nichts zu sagen.

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