Rechts, rechter,
am rechtesten

Im Wien-Wahlkampf buhlen ÖVP und FPÖ um enttäuschte Strache-Wähler. Blümel will mit Schärfe in Sachen Integration und Einwanderung punkten - und die FPÖ driftet noch weiter nach rechts ab.

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Wien-Wahl - Rechts, rechter,
am rechtesten

Seine Rede beim Wahlkampfauftakt eröffnete Dominik Nepp mit einem Witz, den er in letzter Zeit öfter macht. "Wir haben einen allergrößten FPÖ-Fan, ich muss schauen ob er da ist." Gespielt suchender Blick ins Publikum. "Ich glaube, ihr kennt ihn alle, es ist der Gernot Blümel." Gelächter. "Er hat unlängst gesagt, die FPÖ Wien liegt bei allen Themen richtig. Ich glaube nur, er hat ein bissel vergessen bei welcher Partei er ist."

Diesen Eindruck könnten dieser Tage auch aufmerksame Stadtspaziergänger gewinnen. "Dominik Nepp: Unser daham/ SPÖ, ÖVP, Grüne: Radikaler Islam", plakatiert die FPÖ. "Integration für Wien", fordert ein ÖVP-Wahlplakat. Auch die Reden, mit denen Nepp und ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel vergangene Woche die heiße Phase des Wahlkampfs eröffneten, klangen verdächtig ähnlich.

Während Nepp auf dem Kardinal-Rauscher-Platz im 15. Wiener Bezirk sein Witzchen riss, stand Blümel im Hof der ÖVP-Parteizentrale in der innerstädtischen Lichtenfelsgasse. Wahlkampfauftakt à la Corona mit via Videocall zugeschalteten ÖVP-Sympathisanten und einer im Problembezirk Favoriten aufgezeichneten Rede: "Wissen Sie, wir fühlen uns hier nicht mehr daheim. Diesen Satz habe ich in den letzten Wochen sehr oft gehört, wenn ich in verschiedenen Grätzeln in Wien unterwegs war", hebt Blümel an. Es folgt das ABC der Rechtspopulisten: Heimat, Parallelgesellschaften, Willkommenskultur. Er klingt dabei etwas vornehmer als Nepp. Dennoch: Der laufende Wien-Wahlkampf artet zu einem politischen Wettbewerb der unschönen Sorte aus, einem Rangeln am rechten Rand. Wen das beeindrucken soll, ist klar: die rund 20 Prozent ehemaligen FPÖ-Wähler, die in Umfragen angeben, am 11. Oktober nicht mehr die Freiheitliche Partei wählen zu wollen.

Steilvorlage Integrationsbericht

Der Integrationsbericht, praktischerweise zu Beginn des Intensiv-Wahlkampfs Anfang September veröffentlicht, lieferte die erste Steilvorlage. Und die Parteien verwandelten. In politische Kampfrhetorik, die sich gewaschen hat: "Wir werden Wien nicht kampflos der Arabisierung und Afrikanisierung überlassen", fabulierten Mitarbeiter von FPÖ-Kandidat Dominik Nepp in einer Aussendung. Blümel erkannte in dem Bericht, den Auftrag, "Mitte-Rechts- Politik mit Anstand" zu liefern -also vorgeblich die Politik der ÖVP. Allerdings: "Der Anspruch Mitte-Rechts besteht in diesem Wahlkampf nicht", relativiert der Politologe Peter Filzmaier. "Man positioniert sich klar rechts und nimmt dabei in Kauf, bürgerliche, liberale Wähler an Neos, Grüne und vielleicht auch an die SPÖ zu verlieren, damit man umgekehrt die FPÖ-Wähler gewinnt. Weil man weiß, das geht sich unter dem Strich höchstwahrscheinlich aus. Man kämpft immerhin um mehr als hunderttausend FPÖ-Stimmen, die auf dem Markt sind."

Ausländerwahlkampf

Umfragen legen nahe, dass das Corona- Thema die Wählerinnen und Wähler derzeit mit Abstand am meisten interessiert. Aber da ist für die rechten und rechteren Wiener Oppositionsparteien nicht viel zu machen: SP-Bürgermeister Michael Ludwig sitzt auf dem Pouvoir, Schnitzelgutscheine verteilen und Gratisimpfungen ankündigen zu können. Ein kleiner (oder größerer) Anti-Ausländer-Wahlkampf dagegen geht immer. Zumindest, wenn das Ziel darin besteht, aus der Konkursmasse der Ibiza-geschwächten FPÖ Profit zu schlagen. Munter spuckt die türkise ÖVP nun also Töne, die einem Erhard Busek oder anderen Vertretern der einst liberalen Stadt-VP die Nackenhaare aufgestellt hätten. Aber die Zeit der Prinzipien ist lang vorbei, jetzt geht es ums Prinzip. Und das lautet: volle Härte gegen (illegale) Migration und zu wenig integrierte Zuwanderer.

Die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmer sieht diese Strategie kritisch: "Erstens steht Gernot Blümel nicht für markige Sprüche. Und zweitens ist es schwierig, in so einem Wahlkampf die Leistungsträger und gleichzeitig die Ängstlichen anzusprechen. Dieser Wahlkampf ist für mich noch nicht schlüssig. Sebastian Kurz hat normalerweise damit Erfolg, bei einer Botschaft zu bleiben. Das kann Blümel in dieser Situation aber nicht machen. Er müsste eigentlich im 1. Bezirk andere Plakate aufstellen als im 10."

Zudem der rechte Rand sich immer weiter nach rechts verschiebt und eine Tonalität evoziert, die nicht jeder bürgerliche Sympathisant gutheißt. Was die ÖVP heute fordert -Deutschpflicht für Gemeindewohnungen etwa -, wäre früher stramme FPÖ-Linie gewesen. "Man sieht die schleichende Verschiebung der Grenzen des Sagbaren, die die FPÖ schon seit Jahren betreibt. Dass man in einem Wahlkampf zuspitzen muss, um zu mobilisieren, ist selbstverständlich. Aber dass man an die Grenze der Verhetzung geht, hat schon damit zu tun, dass der Kampf im rechten Spektrum stärker geworden ist," sagt Stainer-Hämmerle. Die aktuellen Diskussionen über die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem griechischen Katastrophen-Lager Moria zeigen, dass der ÖVP'sche Ausländer-Radikalkurs selbst Funktionären manchmal zu weit geht. Kurz' Knallhart-Linie provozierte ungewohnt kritische Reaktionen: bei skrupulösen Parteimitgliedern genauso wie im Zeitungsboulevard. "Regierung muss mehr Gefühl zeigen", titelte die "Kronen Zeitung". Und die deutsche "Bild"-Zeitung forderte ihn auf: "Werden Sie nicht zum Herzlos-Kanzler." Aber was sind ein paar verdrückte Tränen im christlich-sozialen Lager gegen die Option, das verheerende Ergebnis bei der Wien-Wahl 2015 zu verbessern? "Es ist ein rein strategisches Rechenbeispiel", sagt Filzmaier. "Die Schlüsselfrage lautet: Kann ich durch parteiinterne Konflikte mehr verlieren, als ich von der FPÖ zu gewinnen hoffe? Und die Antwort ist im Großen und Ganzen: Es gibt mehr zu gewinnen." Nachsatz: "Ein Spitzenkandidat, der Finanzminister und der erste Parteigänger des Bundeskanzlers ist, kommt aus dieser Kiste auch gar nicht mehr heraus. Er kann in Wien nicht das Gegenteil propagieren. Das wäre auf offener Medienbühne: ich gegen mich selbst."

Auch Kurz, meint Kathrin Stainer-Hämmerle, kann nicht anders, als konsequent hart zu bleiben. "Er muss sich jetzt entscheiden, wie weit er seinen Prinzipien treu bleiben kann und wann es in Richtung soziale Kälte und unsolidarisches Verhalten in Europa kippt. Mit der Kritik von Angela Merkel verliert er das Staatsmännische. Diesen Kipppunkt zu finden, ist schwierig. Aber in Wahrheit kommt er jetzt nicht mehr aus, er muss Leadership zeigen und bei seinem Kurs bleiben."

Endstation

Das Match ÖVP vs. FPÖ könne letztlich beiden Parteien nützen, weil es potenzielle Nichtwähler mobilisiert. Und Heinz- Christian Strache? Kann nur versuchen, die Wähler, die beschlossen haben, ihm treu zu bleiben, bei der Stange zu halten. Denn mehr zu holen sei für ihn nicht, meint Filzmaier, die Wählerströme von der FPÖ zum Team Strache hätten bereits im Vorjahr stattgefunden. So wird der ehemalige Vizekanzler der Republik in diesem Wahlkampf durch Nichtbeachtung der anderen Parteien zur Randfigur degradiert, eine beschauliche Zwischen-oder doch die Endstation in Straches spektakulärer Polit-Vita. "Ich glaube, die Strache-Sympathisanten wissen selber noch nicht, ob und wen sie wählen", sagt Stainer-Hämmerle. Oder anders ausgedrückt: Die Politikverdrossenheit, der Strache seinen Aufstieg verdankt, könnte auch seinen endgültigen Untergang bedeuten.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 38/20

Kommentare

Ein Slogan der ÖVP: "Wollen Sie, dass es so bleibt wie es Ist?" JA, JA und noch einmal JA! Grün? Klar, die Umwelt muss geschützt/repariert werden. Da hätten die GRÜNEN aber auch Kickls Pferde zustimmen müssen!

Die Wiener haben mehrere Möglichkeiten zu wählen:
Den unsympathischen am rechten Abgrund, Nepp; den noch unsympathischeren, arroganten, ganz rechten Blümel; den ganz in den rechten Sumpf gefallenen, extrem unsympathischen HC. Wer bleibt außerhalb dieses Grusel-Trios noch übrig? Der nicht unsympathische Dr. Ludwig der alten Wien-Partei. Sonst noch Jemand? Brav Grün und Brav Neos?

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