Ludwig peilt Koalition bis Mitte November an

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) peilt eine Koalition bis Mitte November an. Allerspätestens bis Ende November soll der Regierungspakt jedenfalls stehen. Präferenzen, ob das am ehesten mit ÖVP, NEOS oder dem bisherigen Partner, den Grünen, geschehen soll, ließ er sich auch diesmal nicht entlocken.

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Ludwigs Zeitplans sieht jedenfalls vor, dass der mit allen drei in Frage kommenden Parteien ab Anfang nächster Woche Sondierungsgespräche führen werde, sagte der Stadtchef. Die Reihenfolge hänge dabei allein von "terminlichen Möglichkeiten" ab und werde keinen Rückschluss auf die künftige Partnerwahl zulassen, schob er erwarteten diesbezüglichen Spekulationen gleich einen Riegel vor. Danach sollen "sehr bald vertiefende Koalitionsverhandlungen" mit jener Partei geführt werden, mit der es die meisten inhaltlichen Schnittmengen gibt.

Inhaltsüberschneidungen mit allen drei Parteien

Ludwig sagte, er sehe mit allen drei potenziellen Koalitionspartnern inhaltliche Überschneidungen. Mit den Grünen sei dies der Umwelt- und Klimaschutz, mit der ÖVP die Wirtschaftspolitik und mit den NEOS die Bildungsfragen. "Das macht die Verhandlungen auch so spannend", versicherte der Bürgermeister. Am Freitag sollen die SPÖ-Gremien - Präsidium, Vorstand und Wiener Ausschuss - über das rote Verhandlungsteam, das Ludwig dort vorschlagen will, abstimmen.

In den Sondierungsgesprächen, die Ludwig und sein Team noch kommende Woche führen und auch abschließen wollen, werde es dann darum gehen, zu erörtern, wo es die meisten Überschneidungen oder auch Punkte gebe, "die unüberwindbar sind", erklärte Ludwig. Als die für ihn prioritären Themen nannte der SPÖ-Landesparteivorsitzende heute die Bekämpfung der Folgen der Coronakrise, die Bekämpfung des Klimawandels und einen Ausbau des Bildungssystems.

Öffentliche Zurufe von Genossen, in welche Richtung es bei der Partnerwahl gehen soll, hat es bereits gegeben. So sprach sich am Dienstag der designierte Leopoldstädter Bezirksvorsteher Alexander Nikolai deutlich für eine Regierungszusammenarbeit mit den NEOS aus. "Wir sind übereingekommen, dass wir das intern besprechen", richtete Ludwig Nikolai aus. Auch dieser werde sich in die "Kommunikationsdisziplin" einordnen.

Häupl meldet sich zu Wort

Ludwigs Vorgänger, Ex-Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), wiederum ließ am Mittwoch in Interviews deutliche Skepsis in Sachen Rot-Pink anklingen und scheint eher für eine Neuauflage von Rot-Grün - Häupl hatte diese Koalitionsvariante 2010 ins Leben gerufen und 2015 verlängert - zu plädieren. "Was Neues muss nicht immer gut sein und das Alte nicht immer schlecht", so Häupl.

Der Ex-Stadtchef sei ein "sehr weiser Mann", replizierte Ludwig. "Es ist bekannt, dass ich meinen Amtsvorgänger sehr schätze und er hat, wie er die Verantwortung getragen hat, sehr richtige Entscheidungen getroffen, die ich auch immer unterstützt habe." Seine Einschätzung sei wohl getragen von dessen Erfahrungen in der aktiven Politik. Zugleich gebe es aber auch "immer neue Herausforderungen, die man unter neuen Rahmenbedingungen auch anders zu sehen hat".

Angesprochen auf im Wahlkampf sichtbar gewordene Entfremdungserscheinungen zwischen Ludwig und der Grünen Parteichefin und Vizebürgermeisterin Birgit Hebein meinte Ludwig nur, dass er zu allen Vertretern der Parteien ein professionelles und "nicht zwingend emotionales" Verhältnis habe. Eine Journalistenfrage, wie sehr ihn Hebein auf einer Skala zwischen eins und zehn zuletzt genervt habe, ließ er unbeantwortet.

Wien-Wahl komplett ausgezählt

Die Wiener Gemeinderatswahl vom Sonntag ist fertig ausgezählt. Mit der Auswertung von 321.056 Wahlkarten haben sich die Stimmenanteile noch recht deutlich verändert. Und die Wahlbehörde hat jetzt auch die erreichten Mandate bekannt gegeben. Die SPÖ ist im neuen Gemeinderat mit 46 Mandaten vertreten, die ÖVP mit 22, die Grünen mit 16, NEOS und FPÖ mit jeweils acht. Die FPÖ rangiert letztlich nur mehr hinter NEOS.

Groß wie nie war die Menge der Briefwahlstimmen, die die Bezirkswahlbehörden am Montag und Dienstag auszuzählen hatten: Fast 44 Prozent der Stimmen wurden am Postweg oder schon vor dem 11. Oktober am Bezirksamt abgegeben. 317.091 gültige Stimmen kamen zum Urnen-Ergebnis noch dazu - und veränderten einiges.

Stadtkarte bekam zwei türkise Tupfer

So bekam die Stadtkarte - die am Sonntag nach der Urnenwahl durchgehend rot eingefärbt war - zwei türkise Tupfer: In der Inneren Stadt und in Hietzing liegt die ÖVP letztlich doch recht deutlich vor der SPÖ.

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Insgesamt schnitten ÖVP und Grüne bei den Briefwählern - auch von den Hochrechnern nicht ganz in diesem Ausmaß erwartet - stark ab. Die ÖVP kam letztlich doch noch knapp über die 20-Prozent-Marke, mit 20,43 Prozent, das ist ein Plus von 11,19 Prozentpunkten. Die Zahl ihrer Abgeordneten hat sich mehr als verdreifacht, von sieben auf 22.

Bestes Wiener Ergebnis für Grüne

Die Grünen stiegen letztlich doch mit ihrem besten Wiener Ergebnis je - 14,80 Prozent (+2,96) - aus und stellen um sechs Gemeinderäte mehr (bisher 10). Sie sind jetzt drittstärkste Kraft, anstelle der eingebrochenen FPÖ.

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Unangefochten Platz 1 verteidigte die SPÖ - und baute ihn um 2,03 Prozentpunkte auf 41,62 Prozent aus, ebenso die Zahl der Mandate von 44 auf 46. Anders als in den vergangenen Jahren schnitt sie bei den Briefwählern aber deutlich schlechter ab, bei den Urnenwählern hatte sie 43,09 Prozent.

Zu den Wahlsiegern zählen auch NEOS, die sich auf 7,47 Prozent (+1,31) und ihre Mandate von fünf auf acht steigern konnten.

Wahlverlierer im "dritten Lager"

Die Wahlverlierer fanden sich diesmal im - 2015 noch so erfolgreichen - "dritten Lager": Die FPÖ brach in Folge von Ibiza und Spesenaffäre vom Rekordwert 30,79 auf nur mehr 7,11 Prozent ein. 26 ihrer bisher 34 Mandatare müssen sich verabschieden - und auch vom Posten des Vizebürgermeisters.

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Gescheitert ist Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Seine neue Partei, die Liste HC Strache, blieb mit 3,27 Prozent weit unter der Fünf-Prozent-Hürde. Sowohl FPÖ als auch HC schnitten bei den Briefwählern stark unterdurchschnittlich ab, ihre Gesamtergebnisse waren noch deutlich schlechter als im am Sonntag verkündeten Urnen-Ergebnis.

Wahlbeteiligung hat zugenommen

Zugelegt hat mit den Briefwählern natürlich die Wahlbeteiligung - und zwar auf 65,27 Prozent. Das bedeutet freilich immer noch einen kräftigen Rückgang um 9,48 Prozentpunkte. Zurückzuführen war dieser einerseits auf die Corona-Pandemie und andererseits auch darauf, dass viele frühere FPÖ-Wähler den Urnen fern blieben.

ÖVP-Parteichef und Finanzminister Gernot Blümel zeigt sich über die Tatsache, dass der ÖVP dank der Briefwöhler mit 20,43 Prozent nun doch ein Zweier vorne im Wahl-Ergebnis steht, höchst erfreut. "Es ist eingetreten, was wir niemals zu hoffen gewagt haben: Wir haben 2020 tatsächlich 20 Prozent erreicht", jubelte er via Aussendung. Das sei ein "klarer Auftrag für mehr bürgerliche Politik in Wien". Die Rathaus-ÖVP sei "nicht nur wieder da, sondern wir haben das beste Ergebnis seit 33 Jahren erreicht", so Blümel.

Gute Laune bei NEOS

Gute Laune versprühten auch die NEOS, die sich laut eigenen Angaben mit dem Endergebnis nun fix einen Sitz im Stadtsenat - also einen Stadtrat - gesichert haben. Das ist relevant für eine Ressortübernahme bei einer etwaigen rot-pinken Koalition. NEOS-Landesgeschäftsführer Philipp Kern betonte in einer Aussendung auch gleich, dass die Pinken den Sitz im Stadtsenat nur annehmen würden, "wenn wir in die Regierung kommen". Die NEOS hatten immer wieder betont, im Fall des Falles auf den Posten eines nicht amtsführenden Stadtrats verzichten zu wollen.

»Wir könnten nicht zufriedener sein«

Insgesamt zeigte sich Kern mit dem Endresultat von 7,47 Prozent und acht Mandaten äußerst zufrieden: "20 Prozent Zuwachs beim Stimmenanteil, 60 Prozent Zuwachs bei den Mandaten, der erste NEOS-Bundesrat und NEOS vor der FPÖ - wir könnten nicht zufriedener sein."