Medizinische
Spitzenleistungen

Die Spitalssterblichkeit bei Herzinfarkten wurde seit Einführung eines Herzinfarktnetzwerks in Wien um zwei Drittel reduziert. Das ist eine der Erfolgsgeschichten, die an Wiens Spitälern geschrieben werden. Einige Beispiele für herausragendes ärztliches und pflegerisches Können.

von Wien - Medizinische
Spitzenleistungen
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Es war an einem frühen Morgen Ende August. Kurz nachdem eine 20-jährige Wienerin aufgestanden war, hörte ihre Familie einen schweren Pumperer. Sie fand sie auf dem Küchenboden liegend, halbseitig gelähmt, unfähig, zu sprechen. Zu ihrem Glück war sie nicht allein, die Rettung kam schnell. Eine Stunde später lagen im Krankenhaus

Rudolfstiftung schon die Bilder der Untersuchung vor: Ein großes Blutgerinnsel hatte ein Gefäß im Gehirn verschlossen. So groß, dass es durch Medikamente nicht aufgelöst werden konnte. Bei fünf bis zehn Prozent der Schlaganfallpatienten ist eine solche Thrombolyse nicht ausreichend effektiv. Da begann der Wettlauf gegen die Zeit. Ein Team aus Neurologen, Radiologen, Anästhesisten und Assistenzpersonal stand für eine "endovaskuläre Schlaganfallbehandlung" bereit.

Zeit ist Hirn

Dabei wird der Patientin über die Leiste ein Katheter bis in die Gehirngefäße vorgeschoben. Ein "Stent-Retriever", ein kleines Drahtgitter, entfaltet sich in dem Gefäß, zerquetscht das Gerinnsel, und der Verschluss kann dann, ähnlich wie der Korken aus einer Flasche, herausgezogen werden. Es ist ein lebensrettender Eingriff.

Elisabeth Fertl, Primaria auf der Neurologischen Abteilung der Rudolfstiftung und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie, sagt über den Erfolg: "Am Nachmittag schon sitzt die Patientin auf der Intensivstation und spielt mit ihrem Handy. Wäre der Eingriff nicht so schnell erfolgt oder nicht gelungen, wäre die junge Frau jetzt tot oder könnte weder sprechen noch sich bewegen. Oder nur noch die Augen bewegen."

Das Zeitfenster für einen solchen Eingriff ist extrem kurz: vier bis sechs Stunden ab den ersten Symptomen. Die Neurologen sagen: "Zeit ist Hirn."

In Österreich erleiden jährlich rund 24.000 Menschen einen Schlaganfall, in Wien sind es 5.000, Tendenz steigend. In Wien gibt es zehn hoch spezialisierte Stroke Units, und die endovaskuläre Behandlung wird an drei Krankenhäusern durchgeführt, in denen reihum rund um die Uhr hoch spezialisierte Teams bereitstehen: in der Rudolfstiftung, dem AKH und dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder. "Das sind spitzenmedizinische Leistungen", sagt Fertl, "und die Erfolge sind durch Studien belegt." Im Vorjahr wurde diese Methode mehr als 1.000 Mal angewendet. Fertl: "Es ist nicht übertrieben, von einem Meilenstein in der Geschichte der Neurologie zu sprechen." Spitzenmedizin, für jedermann in Wien zu haben. Ohne "Sonderklasse".

Neurologie und Radiologie

Krankenhaus Rudolfstiftung

Hier werden besonders schwere Schlaganfälle behandelt. Massive Blutgerinnsel im Gehirn, die durch Medikamente nicht aufzulösen sind, werden mechanisch entfernt: eine medizinische Spitzenleistung von Ärzteteams, die Tod oder schwere Behinderungen verhindert

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Spitzenpflege

"Hallo Frau XY, heute konnten wir den Beatmungsschlauch entfernen. Es haben sich alle sehr darüber gefreut. Alles Gute, Albert." So lautet ein Tagebucheintrag von Albert Krumpel, Pfleger der Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin im Kaiser-Franz-Josef-Spital. Das Team um Krumpel, Silke Tremmel und Melanie-Bianca Eschler führt seit 2012 für Patienten, die länger bewusstlos sind, Tagebuch. Sie vermerken, wenn es Verbesserungen gibt, ob jemand grimassiert oder die Augen öffnet; sie beschreiben den Geruch von Desinfektionsmitteln, erklären das laute, schlagende Geräusch des Beatmungsgerätes. Dem Tagebuch liegt eine Audio-CD mit den typischen Geräuschen auf der Intensivstation bei.

Die meisten Patienten erleben diese verlorene Zeit als traumatisch, und viele haben mit den Folgen zu kämpfen. Manche erzählen später, sie hätten Fluchtgedanken gehabt. Da versuchen sie, sich den Beatmungsschlauch oder die chirurgische Drainage herauszureißen. In diesen Phasen erfordert die Pflege besondere Zuwendung.

Tremmel erklärt: "Viele Patienten erleben zum Beispiel das Absaugen von Schleim aus der Lunge als Erstickungsgefühl. Wenn sie später das Tagebuch lesen, können sie das zuordnen." Sie bekommen das Tagebuch, wenn sie auf die Normalstation verlegt wurden und die Pflegerinnen und Pfleger sie dort besuchen. Das sei, berichten diese, auch für sie ein schöner Moment. Und den Patienten hilft es, zu verstehen, warum sie noch nicht wieder gut sprechen oder schreiben können oder woher ihre Erinnerungslücken kommen.

Intensivstation

Kaiser-Franz-Josef-Spital

Je länger ein künstlicher Tiefschlaf dauert, desto schwerer sind die Folgen. Ein Tagebuch (s. o.), das die Pflegerinnen oder Pfleger für die Patienten führen, hilft ihnen auf dem Weg "zurück". Entwicklungsschritte oder besondere Vorkommnisse werden notiert

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Chancen für die Kleinen

In der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde des Wilhelminenspitals sitzt Alexandra, eine junge Mutter, die ihre Tochter Emilija wegen einer Schwangerschaftsvergiftung schon in der 32. Woche zur Welt brachte. Das 1.415 Gramm zarte Kind wird jetzt aufgepäppelt. Es ist eines von vielen Frühchen, die durch ärztliche Kunst und höchste Technik gut ins Leben finden.

"Wir können", sagt Primar Thomas Frischer, "Kinder ab der 26. Schwangerschaftswoche nehmen. Gerade haben wir ein in der 23. Woche geborenes durchgebracht -ohne Schäden. Früher hatten Kinder, die überlebt haben, oft große Defizite. Heute haben wir Therapien, bei denen nicht beatmet werden muss und die Lunge nicht durch Druck geschädigt wird. Weniger invasiv zu arbeiten, hat sich durchgesetzt." Deshalb überleben heute mehr Kinder als früher. Frischer: "Wir haben ganz wenige Todesfälle auf der Station, nicht einmal einen im Jahr."

Zu seiner Station gehören neben Neonatologie und Neugeborenenstation noch die allgemeine Pädiatrie, Psychosomatik, Notfallambulanz, Infektion und Pulmologie und eine Schreiambulanz, wo Kindern und ihren Eltern geholfen wird. Sorgen, Schmerz und Glück liegen oft dicht beieinander.

Kinder-und Jugendstation

Wilhelminenspital

Jedes Frühchen, das gut durchkommt, macht allen auf der Kinderabteilung im Wilhelminenspital Freude. Nicht nur im AKH, auch hier werden Kinder, die zu früh geboren wurden, immer besser und mit weniger Defiziten als früher auf den Weg ins Leben gebracht

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Leben retten

Ab der Diagnose "großer Herzinfarkt" läuft die Uhr, sagt Kurt Huber, Primar der Kardiologie am Wilhelminenspital. Spätestens zwei Stunden danach soll der Patient im Herzkatheterlabor "auf dem Tisch" sein. Da ist aber der Transport schon eingerechnet. "Das Wiener Herzinfarktnetzwerk, das wir seit 2003 haben, ist international anerkannt und hat die Prognosen für Patienten deutlich verbessert", sagt Huber. Zwischen den Wiener Gemeindespitälern mit Herzkatheterlabor, von denen jedes Haus einen Tag pro Woche rund um die Uhr für Herzinfarkte zuständig ist, dem Hanusch-Krankenhaus und dem AKH gibt es ein der Rettung bekanntes Rotationssystem der Herzkatheterverfügbarkeit.

Das hat sich bewährt, sagt Huber: "Die Spitalssterblichkeit nach großen Herzinfarkten -1.000 bis 1.200 pro Jahr -lag vor der Einführung des Herzinfarktnetzwerks 2003 bei 13 bis 15 Prozent und ist seither auf drei bis vier Prozent zurückgegangen. Das ist ein Rückgang um zwei Drittel. Man kann weiter optimieren, indem man sogenannte Chest Pain Units mit besonders gut ausgebildeten und erfahrenen Teams etabliert. Unsere Abteilung im Wilhelminenspital ist als erste Abteilung in Österreich als Chest Pain Unit seit 2016 durch die Deutsche Gesellschaft für Herzkreislaufforschung zertifiziert." Damit sind besonders schnelle Abläufe, kurze Zeiten und Behandlung im Herzkatheterlabor garantiert. Huber: "Das ist wie eine Medaille und wird alle paar Jahre kontrolliert." Sein Rat an alle: "Bei anhaltenden Brustschmerzen, die also länger als 20 Minuten anhalten, unbedingt die Rettung rufen. Wenn man da zwei Stunden wartet, geht wertvolle Zeit verloren."

Leopold Tauscher hatte Glück im Unglück. Er erlitt in einem anderen Spital nach einer Gallenblasenoperation einen großen Herzinfarkt. Durch Zufall lag er schon innerhalb einer Stunde bei Kurt Huber "auf dem Tisch". Er hat überlebt und ist ziemlich froh darüber.

Kardiologie

Wilhelminenspital

Primar Kurt Huber hat seine Abteilung Kardiologie und Internistische Intensivmedizin als Chest Pain Unit zertifizieren lassen. Das bedeutet, dass hier ein besonders erfahrenes Team Herzinfarkte behandelt. Das Ergebnis: höhere Überlebensraten

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