Kindergärten:
Fehler im System

Neues Gesetz kommt, doch damit werden nicht alle Missstände beseitigt

Es gibt ein neues Wiener Kindergartengesetz. Es wird Privatkindergärten das Leben deutlich erschweren, aber kaum Verbesserungen bei der Qualität bringen.

von Kindergarten © Bild: Shutterstock.com/Dmitri Ma

Sie singen, sie basteln, sie spielen. Rund 86.200 Wiener Kinder im Alter von null bis sechs besuchen eine der 4.300 Kindergruppen der Bundeshauptstadt. Zu einem äußerst kostengünstigen Tarif und gut betreut von ausgebildeten Pädagogen und Assistenten. Den Kindern geht es gut. Das System dahinter sieht allerdings weniger schön aus. Die Misere in der Wiener Kindergartenpolitik begann bereits vor acht Jahren. Mit der Einführung des Gratiskindergartens wurde es notwendig, innerhalb von nur zwei Monaten zusätzlich zu den städtischen Kindergärten und wenigen Privaten eine Vielzahl an privaten Kindergartenbetreibern zuzulassen. Mittlerweile gibt es 480 solcher privaten Trägervereine in Wien.

Mit dieser Vielzahl kamen aber auch die Probleme. Allein in den vergangenen zwölf Monaten rutschten rund 35 Betreiber in die Insolvenz, andere wiederum mussten sich den Vorwurf religiös motivierter Erziehung (Stichwort "Islam-Kindergärten") gefallen lassen. Allein, die effektive Kontrolle des Kindergarten-Wildwuchses schien undurchführbar.

Die Lösung all dieser Schwierigkeiten ist nach Ansicht des Wiener Bildungsstadtrates Jürgen Czernohorszky das neue Wiener Kindergartengesetz. Diesen Donnerstag wurde es mit den Stimmen von Rot-Grün durch den Wiener Landtag gewunken. So müssen Trägervereine künftig unter anderem Businesspläne vorlegen und ihre Leiterinnen und Leiter zur Managementausbildung schicken. "Es ist wichtig, diese Maßnahmen nun tatsächlich in Gesetzesform zu gießen", sagt die grüne Gemeinderätin Faika El-Nagashi.

Ignorierte Betreiber

Die betroffenen privaten Betreiber sehen das anders. Selbst große Trägerorganisationen, denen gemeinhin ein entspanntes Verhältnis zur Stadt Wien nachgesagt wird, haben den Eindruck, dass ihre Anmerkungen nicht gehört wurden. Immerhin haben die Betreiber im Vorfeld 47 Stellungnahmen eingebracht, die nahezu ignoriert wurden. "Dieses Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, da es gewährleistet, dass nur Menschen mit guten Fachkenntnissen und ausreichender finanzieller Ausstattung Kindergärten oder Kindergruppen eröffnen -und damit die Qualität gesichert wird", sagt Christian Morawek, Geschäftsführer der Wiener Kinderfreunde: "Dass von unserer Stellungnahme nichts eingearbeitet wurde, ist natürlich bedauerlich, aber zu akzeptieren." Im Büro des Stadtrates weist man das zurück: "Wir haben alles angeschaut und vieles eingearbeitet." Nachsatz: "Zum Teil haben sich die Betreiber auf ganz andere Sachen bezogen, als gerade Thema war."

Dennoch bleibt Skepsis bei den Trägerorganisationen. Auch die St. Nikolausstiftung der Erzdiözese Wien hat eine umfangreiche Stellungnahme zum Gesetzesentwurf eingebracht. Einer der kritisierten Punkt war die Definition der Deutschkenntnisse der BetreuerInnen: "Was ist unter ,notwendigen Deutschkenntnissen' zu verstehen? Hier fehlen Definition und Spezifikation, zum Beispiel Niveau B2 ", ist in dem Schreiben des Betreibers zu lesen. "Es ist so gut wie gar nichts von unserer Stellungnahme umgesetzt worden", präzisiert Elmar Walter, Geschäftsführer der St. Nikolausstiftung. Die Stadt Wien tue sich aber "nichts Gutes", dass sie die Novelle beschlossen habe: "Wenn ein Gesetz so schwammig formuliert ist, ist auch die Auslegung situationselastisch." Dennoch sind sich alle einig, dass es angesichts der angespannten Situation bei privaten Kindergartenbetreibern "schon sehr gedrängt" habe, eine neue gesetzliche Grundlage zu schaffen, so Walter. Ihm sei aber unklar, warum das "in dieser Geschwindigkeit" geschehen müsse: "Man hätte es stufenweise angleichen können."

Mehr Kosten

Die Neuerungen verursachen den Privaten jedenfalls erhebliche Mehrkosten. Das ist auch ein wesentlicher Punkt für Ulrike Rehulka, Geschäftsführerin der Diakonie Bildung. In ihrer Stellungnahme zum Kindergartengesetz schreibt sie, dass "die Finanzierung dieser Verbesserungen gänzlich ausgeblendet wurde". Nachsatz: "Die Umsetzung dieser Novelle bedarf einer Anpassung der Förderungen, da sie für alle Träger enorme finanzielle Auswirkungen mit sich bringt." Walter rechnet für die St. Nikolausstiftung immerhin mit 70.000 bis 80.000 Euro im Jahr. Änderungen beim Fördersystem, die diese Mehrbelastungen abfedern könnten, sind laut dem Stadtrat-Büro aber erst im Laufe des kommenden Jahres zu erwarten.

Auch die Opposition ist unzufrieden mit dem neuen Gesetz. Am Vortag der Beschlussfassung hatte die Wiener ÖVP eine dringliche Anfrage zum Thema eingebracht, die sich vornehmlich mit der Vermeidung von Parallelgesellschaften innerhalb der Kindergärten auseinandersetzt. "Rot-Grün behauptet ja, das gibt es nicht", sagt die stellvertretende ÖVP-Wien-Landesgeschäftsführerin Iris Müller-Guttenbrunn. "Und auf der anderen Seite herrscht eine Pseudo-Aufregung um die Kindergartenstudie von Professor Ednan Aslan."

Auch für den Neos-Gemeinderat Christoph Wiederkehr bedeutet das Kindergartengesetz keine Verbesserung. Er sieht im Gegenteil "Tür und Tor für die behördliche Willkür geöffnet". So erlaubt die neue Regelung, eine Kindergruppe selbst dann zu schließen, wenn alle Auflagen in pädagogischer, sanitärer, hygienischer oder feuerpolizeilicher Sicht eingehalten werden. Nämlich dann, "wenn die Kinder ,nicht ausreichend geschützt' sein sollten". Außerdem werde bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens den Trägervereinen künftig automatisch die Bewilligung für das Betreiben von Kindergärten entzogen, "obwohl der Sinn eines Insolvenzverfahrens auch die Sanierung eines Betriebes sein kann", so Wiederkehr: "Das wird ohne Bewilligung aber nicht möglich sein."

Die Stadt Wien muss sich damit einmal mehr den Vorwurf gefallen lassen, im Fall ihrer Kindergärten gleichzeitig Fördergewährer, Abwicklungsstelle und Kontrollorgan zu sein. Eine Dreiteilung, die das neue Gesetz tendenziell verschärft. Das geschieht auch bei anderen Bestimmungen. So ist es künftig möglich, die Höchstzahl der Kinder in den Gruppen (bisher 15 bei Unter-Dreijährigen, 25 bei Älteren) den Notwendigkeiten anzupassen. Das macht für jene Eltern, deren Kindergärten aufgrund eines Förderungsstopps der Stadt Wien geschlossen wurden und die neue Plätze suchen, durchaus Sinn. Für alle anderen bedeutet es eine weitere Verschärfung des Betreuungsschlüssels. Und der ist im internationalen Vergleich ohnehin nicht berauschend gut. Der Platz zum Singen, Basteln und Spielen wird immer enger.