Gewalt gegen Frauen - Wien baut ein fünftes Frauenhaus

50 zusätzliche Plätze ab 2022 - Neue Kampagne gegen Gewaltbagatellisierung

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"Es braucht ein fünftes Haus, damit wir weiterhin alle Frauen aufnehmen können", verwies Andrea Brem, Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser, auf die wachsende Stadt, aber auch auf alarmierende Zahlen in Zusammenhang mit Gewaltdelikten gegen Frauen. Laut jüngster Statistik des Bundeskriminalamts für das Jahr 2017, die derzeit Rufe nach mehr Prävention laut werden lassen, wurden in Österreich 34 Frauen ermordet. Außerdem wurde eine gestiegene Anzahl von Anzeigen wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs registriert.

Die Wiener Frauenhäuser feiern dieser Tage ihr vierzigjähriges Bestehen. Was als Projekt engagierter Sozialarbeiterinnen 1978 begonnen hat, ist inzwischen eine professionell organisierte Schutzeinrichtung. 175 Plätze, verteilt auf vier Häuser, gibt es derzeit. Aus Sicherheitsgründen werden die Standorte nicht öffentlich gemacht. Dazu kommen noch 54 Übergangswohnungen für Betroffene, die zwar nicht mehr das absolute Sicherheitsnetz eines Frauenhauses bedürfen, aber noch nicht wieder auf eigenen Beinen stehen können.

Allein im Vorjahr wurden in den vier Häusern 624 Frauen und 640 Kinder betreut, resümierte Gemeinderatsabgeordnete und Vereinsvorsitzende Martina Ludwig-Faymann (SPÖ). Seit Gründung waren es gut 17.000 Frauen und in etwa ebenso viele Kinder. Mit dem fünften Haus werden weitere 50 Plätze geschaffen, wobei jede Bewohnerin ihr eigenes Zimmer haben wird und es zudem Therapie- und Spielräume für die Kinder geben wird, wie Brem ankündigte. "Während der Bund Mittel kürzt - auch für Frauen in kritischen Situationen -, sichern wir in Wien das Schutznetz", unterstrich Gaal. Wie viel Geld die Stadt für den Neubau in die Hand nehmen wird, ließ sie auch auf Nachfrage offen.

In den vergangenen 40 Jahren habe sich freilich viel verändert, so der Tenor am Podium. Allerdings werde man das Gefühl nicht los, dass Gewalt gegen Frauen mitunter weiterhin als Kavaliersdelikt gelte. "Ich habe das Gefühl, dass auch Gerichte und Behörden das nicht ganz ernst nehmen. Es besteht immer noch dieser Generalverdacht, dass Frauen eh nur ihren Männern schaden wollen", meinte Brem.

Diese Täter-Opfer-Umkehr gelte es zu durchbrechen, so Ressortchefin Gaal. Deshalb startet die Stadt bzw. der Frauen-Notruf - rund um die Uhr unter 01/71719 erreichbar - kommende Woche eine Kampagne, in der weitverbreitete Stereotype aufgegriffen werden. Sätze wie "Kein Wunder, so wie sie immer angezogen ist" oder "Weil sie immer so viel trinkt" dürfe man so nicht stehen lassen, erklärte die stellvertretende Leiterin des Frauen-Notfrufs, Martina Steiner: "Die Schuld liegt bei der Person, die gewalttätig ist, die ein 'Nein' nicht als 'Nein' versteht." Da sei es egal, was eine Frauen anhabe oder wie viel sie vorher getrunken habe.

Das Problem laut Ludwig-Faymann: "Es gibt immer noch genug Frauen, die sich schämen und die Schuld bei sich selbst suchen." Brem betonte, dass das Thema keine Frage von Herkunft oder Einkommen sei. "Gewalt geht durch alle Gesellschaftsschichten." Die Mehrheit der Personen, die in den Frauenhäusern der Stadt Zuflucht finden, bleibe bis zu einem halben Jahr, meinte die Geschäftsführerin. Etwa ein Zehntel wird länger betreut. Rund ein Viertel der Frauen verlasse die Einrichtung schon nach zwei Wochen. Davon kämen aber viele später erneut, da sie den Ausstieg aus einer Gewaltbeziehung nicht beim ersten Mal schaffen würden, hieß es.

(S E R V I C E - Wiener Frauenhäuser, Tel.: 05 77 22, Web: http://www.frauenhaeuser-wien.at/)

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