Wie Gusenbauer alles richtig falsch macht

Wie Gusenbauer alles richtig falsch macht

Eine kleine Quizfrage für politisch Fortgeschrittene: An welche Person der jüngeren österreichischen Zeitgeschichte erinnert das derzeitige Treiben und Wirken von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer sehr stark?
Korrekt: an Erhard Busek, Obmann der ÖVP von 1991 bis 1995, Vizekanzler, Befürworter der großen Koalition „ohne Wenn und Aber“, heute angesehener EU-Koordinator des „Stabilitätspaktes für Südosteuropa“. Lässt man ihre unterschiedlichen Weltanschauungen beiseite, sind die Parallelen zwischen den beiden verblüffend.

Beginnen wir mit den so genannten „social skills“, wie es neudeutsch heißt, den weichen, sozialen Kompetenzen – für Politiker keine unwesentliche Berufsvoraussetzung. Beide Herren, der schwarze wie der rote, können im Umgang mit dem Gegenüber ebenso charmant wie gewinnend sein, verfügen über einen brillanten analytischen Verstand, hohe Bildung und eine Portion Selbstironie. Nicht umsonst charakterisierte sich der kurzsichtige Busek einmal als „Knackwurst mit Brille“. Eine ähnliche selbstironische Beschreibung ist von Gusenbauer zwar nicht überliefert, zuzutrauen wäre sie ihm allemal.

Gleichzeitig ist beiden ein Hang zum Zynismus eigen, der sie der breiten Masse der Bevölkerung kalt und überheblich, vor allem auf dem Fernsehschirm, erscheinen lässt. Das kann für den Vorsitzenden einer großen Volkspartei zum Problem werden.

Auch in der politischen Vita von Busek und Gusenbauer sind auffällige Parallelitäten zu entdecken. Sie werden als die Zweiten in die Geschichtsbücher eingehen, die für ihre Gesinnungsgemeinschaft vieles analytisch und strategisch richtig dachten, aber das einmal Erkannte aus gar nicht so unterschiedlichen Gründen nicht umsetzen konnten.

Als Erhard Busek nach einer Wahlniederlage seines Vorgängers Josef Riegler 1991 die ÖVP übernahm, war es für das ewige Talent der Schwarzen eigentlich schon zu spät. Der Häuptling flinke Zunge wollte die ÖVP neu gründen, alte Zöpfe abschneiden, ohne die täglichen lähmenden Zwischenrufe der rivalisierenden siebenten Zwerge von links, sei es von ÖAAB, Wirtschaftsbund oder des niederösterreichischen Kurfürstentums, regieren. Busek wurde im Alltag zerrieben: von Franz Vranitzky, der unangreifbaren Nummer eins auf der linken, vom aufstrebenden Jörg Haider auf der rechten Seite. Und von den eigenen Funktionären, denen der „Klugscheißer“, wie sie Busek respektlos nannten, schon gewaltig auf die Nerven ging, weil er als Zweiter in der Regierung das Kanzleramt nicht zurückerobern konnte. Am Ende seiner VP-Obmannschaft war Busek allein. Das Fußvolk lief nicht mehr für ihn, und die Mächtigen in der Partei hatten sich auf die Suche nach einem Nachfolger begeben.

Alfred Gusenbauer steht mitten in dieser Entwicklung. Inhaltlich ist es richtig, die Trennung von SPÖ und ÖGB via Mandatsfrage zu forcieren. Richtig auch, auf diese Art zu versuchen, das Bawag-ÖGB-Schlamassel von der SPÖ wegzuspielen. Aber kollateral der Schaden, den Gusenbauer mit seinem patzigen Machtwort im SPÖ-Präsidium angerichtet hat. Das Timing war falsch, die Durchführung ebenso und wohl auch die etwas anmaßende Grundannahme des SPÖ-Chefs, es gehe so knapp vor der Wahl nicht mehr ohne ihn.

Jetzt hat er alle gegen sich. Den Häupl und die anderen SP-Ländergrößen, viele kleine und große Gewerkschaftsfunktionäre und selbstverständlich den siebenten Zwerg von links. Ein Herr Beck, Neochef der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter, den bis vor wenigen Wochen nicht einmal innenpolitische Feinspitze kannten, zeigt dem Parteichef den Stinkefinger.

Alfred Gusenbauer ist also endgültig startklar, wie damals Zwilling Busek alleingelassen von Basis und Spitze. Einzige Frage, die sich für die Sozialdemokratie drei Monate vor verlorener Wahl noch stellt: Wer wird dereinst der rote Schüssel sein, die Frau oder der Mann, der nach Gusenbauer für die SPÖ wieder das Kanzleramt erobert? Das könnte noch dauern.