Was am "Rekordsommer"
für heuer wirklich dran ist

Verglichen zum extrem trockenen Frühling verlief die erste Junihälfte ziemlich regnerisch. Fällt der Sommer deshalb ins Wasser? Oder erwarten uns in Österreich trotzdem neue Hitzerekorde, wie es vor kurzem durch die Medien gegangen ist? Wir haben beim Wetterexperten Thomas Wostal von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) nachgefragt, worauf wir uns einstellen sollten.

von Wetterprognose - Was am "Rekordsommer"
für heuer wirklich dran ist © Bild: iStockPhoto.com

Man hat sich die letzten Jahre eigentlich schon an einen heißen Juni gewöhnt: Lässt der Regen in diesem Juni einen Hitzerekord zu?
Die ganze Zeit regnen wird es nicht, das Wetter ist momentan anfällig für Schauer und Gewitter. Momentan bewegen wir uns österreichweit ziemlich genau im Bereich eines normalen Juni. Nur weil man die letzten Jahre überdurchschnittlich hohe Juni-Werte gewöhnt war, kommt es einem jetzt tendenziell niedrig vor.
Hinsichtlich der Niederschlagsmenge ist es aufs Jahr betrachtet im Süden und Osten noch zu trocken, der Westen und Norden Österreichs bewegt sich einigermaßen im Normalbereich. Würde man nur die erste Juni-Hälfte heranziehen, wäre Österreich eine Spur überdurchschnittlich zu nass, mit ein paar Ausreißern in der Steiermark und Oberösterreich, da ist es ein bisschen trockener.

Ist der heurige Juni ist also eher als normal zu betrachten?
Genau, also im Bereich der üblichen Schwankungen.

Es hat ja einen sehr trockenen Frühling gegeben. Wäre es naheliegend, im Anschluss einen trockenen Sommer zu vermuten?
Zu dieser Thematik gibt es Studien der ZAMG über Dürre und Schwergewitter. Es gibt klare Anzeichen dafür, dass ein trockener Frühling einen trockenen Sommer unterstützt. Ist der Frühling umgekehrt sehr nass, kann die Bodenfeuchte, die sich noch hält, für mehr starke Gewitter im Sommer sorgen. Dazu müssen im Sommer aber auch Wetterlagen vorherrschen, wo sich wenig tut. Dass also beispielsweise nicht regelmäßig Tiefs vom Atlantik Einfluss nehmen, sondern wenn es sehr geringe Luftdruckgegensätze gibt, dann bildet sich das Wetter vor Ort, und die Feuchte im Boden spielt eine wichtige Rolle.

Würde ein trockener Sommer auch bedeuten, dass er wirklich so extrem heiß wird, wie man oft zu hören bekommt?
Vor zwei bis drei Wochen ging eine Meldung durch die Medien, in der die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zitiert worden ist, dass ein Sommer der Rekorde bevorstehen würde. Das hat mich ein wenig verwundert, weil die WMO keine Prognosen macht. Auf meine Nachfrage waren die Zuständigen dort ziemlich entsetzt, was im deutschsprachigen Raum mit einer normalen Pressemeldung passieren kann. In der Meldung ging es lediglich darum, dass die Sommer immer heißer werden und dass Hitze das Wetterereignis mit den meisten Toten ist. Aus unerfindlichen Gründen wurde daraus ein Sommer der Rekorde.

»Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt seriös sagen, ob 2020 ein Rekordsommer bevorsteht«

Ich habe mich viel damit beschäftigt und mit Kollegen Rücksprache gehalten: Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt seriös sagen, ob 2020 ein Rekordsommer bevorsteht. Eine billige Prognose wäre es zu behaupten, dass es ein überdurchschnittlich warmer Sommer wird. Das hätte ungefähr die gleiche Qualität wie die Behauptung, dass ein Österreicher im nächsten Skiweltcup ein Rennen gewinnen wird. Unter den zehn heißesten Sommern in Österreich ist lediglich ein Sommer vertreten, den wir nicht selbst erlebt haben können (1811).

Lässt sich ein "Rekordsommer" als Individuum überhaupt noch als solcher wahrnehmen?
Es ist immer die Frage, wie die Hitzewellen kommen und in erster Linie auch ein Problem der Großstädte. Der Mensch verträgt Hitze prinzipiell ganz gut, aber der Stress nimmt zu, wenn es in der Nacht nicht abkühlt. Sind es nur vier heiße Tage in Folge, in denen es nachts immer wieder abkühlt, ist es etwas anderes als 14 bis 20 Tage lang schwüles, heißes Wetter ohne Entlastungsmöglichkeiten. Ein Sommer kann also die gleiche Durchschnittstemperatur haben, aber von den Auswirkungen völlig anders sein, weil er statt ein paar Spitzen von 35 Grad konstant 30 Grad hat, es aber keine Abkühlung gibt.

Lässt sich schon prognostizieren, ab wann es heuer mit dem Sommer richtig losgeht?
Momentan ist die Wetterlage schwierig zu beurteilen, aber es gibt erste Anzeichen dafür, dass es Ende Juni überdurchschnittlich warm werden könnte. Die Temperatur alleine macht aber noch keinen Sommer. Auch die Aussage, dass es derzeit für den Juni kühl sei, stimmt so nicht, weil es bislang statistisch gesehen ein relativ normaler Juni ist, nur hört man das eben nicht gerne (lacht) .

»Mit Langzeitprognosen lassen sich kein Urlaub und auch keine Grillfeier planen«

Der Beginn extrem heißer Phasen lässt sich noch nicht festmachen?
Nein, das geht noch nicht. Das Signal, dass das Wetter im Verlauf der nächsten Woche wieder stabiler wird, das ist da, aber die Prognose extrem heißer Phasen ist noch mit großer Unsicherheit verbunden. Aktuelle Langzeitprognosen deuten zwar auf einen überdurchschnittlich warmen Sommer hin, aber damit lassen sich kein Urlaub und auch keine Grillfeier planen, da geht es nur um Tendenzen. Und selbst bei einem Jahrhundertsommer kann man Pech haben und ausgerechnet die eine Woche Regen im Urlaub erwischen.

Glauben Sie, dass wir ohne Corona-Lockdown ein anderes Wetter gehabt hätten?
Nein, das hatte kaum Einfluss auf das Wetter. Am Sonnblick-Observatorium, das zur ZAMG gehört, und wo das Bundesumweltamt CO2-Messungen durchführt, gibt es die üblichen Schwankungen. Man merkt so gut wie nichts von dem Lockdown, weil der Austausch vom Boden in die Höhe relativ lange dauert. Und die Wirkung des CO2 auf das Wetter ist extrem langfristig.

Was hält die Meteorologie von Bauernregeln für Juni? Inwieweit kann man das ernst nehmen?
Ich habe vor einigen Jahren sogar ein Buch dazu geschrieben und gemeinsam mit der ZAMG 100 Bauernregeln auf ihre Gültigkeit untersucht. Eine Regel hätte ich schnell bei der Hand: „Wenn es nicht wintert, so sommert es nicht.“ Das müsste auch heuer der Fall sein, weil wir den zweitwärmsten Winter der Messgeschichte hatten. Statistisch überprüft kommt man bei dieser Aussage auf eine Trefferquote von 40 bis 50 Prozent, das heißt also, man könnte genauso gut eine Münze werfen (lacht) .

Ganz spannend hingegen ist die Regel zum Siebenschläfer-Tag am 27. Juni: „Regnet es am Siebenschläfertag, der Regen sieben Wochen nicht weichen mag.“ Das stimmt zwar auch nicht wortwörtlich, aber spannend aus meteorologischer Sicht daran ist, dass Ende Juni wirklich die Zeit ist, wo sich die Großwetterlage entscheidet. Gibt es ein stabiles Hoch bleibt es in den Sommer hinein erhalten. Ist es rund um den Siebenschläfertag wechselhaft, dann zieht sich auch das tatsächlich noch einige Wochen nach. Das ist schon verblüffend. Es wäre aber natürlich ein Irrtum zu glauben, dass Bauernregeln 1:1 umzusetzen sind.