Werner Kogler: "Die Rettung der
Welt darf auch Spaß machen"

Der Grünen-Chef über Verbitterung in der Politik, die Farbe Türkis und eine mögliche Vizekanzlerschaft unter Kurz

Der Spitzenkandidat der Grünen, Werner Kogler, stellte sich den Fragen der News-Leser im News-Wahlchat. Hier finden Sie das Gespräch zum Nachlesen.

von Werner Kogler © Bild: News.at

Der Grünen-Chef Werner Kogler war am Dienstag Vormittag zu Gast bei News.at und beantwortete die zahlreichen Fragen der News.at-User. Hier gibt es den ganzen Chat zum Nachlesen.

Die weiteren Wahl-Chats:

Haben Sie das Tierschutzvolksbegehren schon unterstützt? Was halten Sie davon?
Ich habe das Tierschutzvolksbegehren dahingehend unterstützt, dass ich mit den Initiatoren ausführliche Gespräche geführt habe und der Beitrag der Grünen im Hintergrund mit ausschlaggebend war, dass das Tierschutzvolksbegehren überhaupt gestartet wurde. Gemeinsam mit Sarah Wiener habe ich es in den ersten Tagen unterschrieben.

Werner Kogler
© Die Grünen / Cajetan Perwein Werner Kogler im News-Chat mit News-Redakteurin Klara Vakaj

Sind Sie Vegetarier? Wie verpönt ist es unter Grünen, Fleisch zu essen?
Erstens ich bin nicht dauernd und durchgehend Vegetarier. Ich habe aber vor vielen Jahren ein vegetarisches (nicht veganes) Jahr eingelegt. Jetzt kaufen wir ganz selten Fleisch ein, aber so gut wie immer von den regionalen bekannten Bauern bzw. im Supermarkt Bio-Fleisch. Für die Grünen ist das Wichtigste, dass eine pervertierte Agrarindustrie mit gigantischen Tierfabriken und milliardenfachem Tierleid so rasch wie möglich abgestellt wird. Und zwar als allererstes über die Umschichtung von hunderten Milliarden (!) Euro völlig falscher Förderung vor allem in der EU und teilweise in Österreich. Wir müssen diese tierfeindlichen und auch umweltschädlichen Förderungen umleiten in eine regionale Landwirtschaft, auch mit kleinbäuerlichen Strukturen, wo das Tierwohl höchsten Wert hat und im Übrigen auch die Tonnen von Gift von unseren Äckern verschwinden. Wie Grüne haben in diesem Bereich ganz viel aufgedeckt (etwa bei den Lebendtiertransporten) und hauen uns da wirklich rein. Ich habe mich selber in jüngeren Jahren an Tiertransportblockaden in und außerhalb Österreichs beteiligt.

"Sturm oder GAK?" - "Trump oder Johnson?" - Werner Kogler im News-Wordrap:

© Video: News.at

Sie haben die Grünen übernommen nach dem großen Absturz und haben sie wieder aufgebaut. Haben Sie schon einen Plan, wenn alles läuft, das Ruder dann zu übergeben oder denken Sie noch nicht so weit?
Wir haben gemeinsam entschieden, dass ich die Funktion des Bundessprechers jedenfalls einmal für die nächste Periode (bis Herbst 2021) übernehme und dann werden wir weitersehen. Viel wichtiger ist, dass mein Vorhaben, viele junge - wie etwa meine beiden StellvertreterInnen Nina Tomaselli und Stefan Klaineder - ins Führungsteam zu holen großartig gelungen ist. Darüber hinaus haben wir jetzt im Sinn der Öffnung der Grünen auch viele neue und kompetente Menschen als KandidatInnen für diese Nationalratswahl gewonnen, wie etwa Leonore Gewessler von Global 2000, Lukas Hammer von Greenpeace oder Journalistin Sibylle Hamann und das führt dazu, dass wir das Führungsteam noch weiter verbreitern werden.

» Vizekanzler unter Kurz? Kann ich mir nicht vorstellen.«

Sollten die Grünen wirklich sehr stark gewinnen, könnten Sie sich vorstellen, Vizekanzler unter Kurz zu werden?
Kann ich mir nicht vorstellen, weil ich sicher nicht irgendetwas unter jemandem bin. Was ich aber sicher machen werde, ist, bei entsprechenden Wahlergebnissen und Konstellationen im neuen Nationalrat das Gespräch zu suchen, um Mehrheiten jenseits von der alten türkis-blauen korruptionsanfälligen, konzerngesteuerten Regierung zu finden. Ich sehe bei der derzeitigen türkisen Truppe aber geringe Wahrscheinlichkeiten, dass es hier wirklich zu Koalitionsvereinbarungen kommen kann. Darüber hinaus ist für die Grünen mit Sicherhit das Wichtigste, dass wir wieder in den Nationalrat kommen. Also: Wählt's die Grünen wieder rein! Darum geht's in Wahrheit.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Peter Pilz? Der wird ja vermutlich ausscheiden aus dem Nationalrat. Können Sie sich seine Rückkehr zu den Grünen vorstellen – sollte er das wollen?
Erst einmal ist zutreffend, dass er mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit samt seinem Parteiprojekt aus dem Nationalrat ausscheiden wird. Deshalb sollten sich alle Wählerinnen und Wähler gut überlegen, wie sie ihrer Stimme Gewicht verleihen können. Immerhin geht's auch für die Grünen um den Wiedereinzug in den Nationalrat. Ich bin bekanntlich vielen gegenüber gesprächsbereit - wir werden sehen. Als Abgeordnete sind er und die wenigen anderen dort Geschichte. Wir haben aber viele Gespräche mit einzelnen der Liste Jetzt geführt und das Ergebnis ist, dass die erfolgreichste Abgeordnete, Alma Zadic, jetzt auf einem sicheren Listenplatz bei uns Grünen kandidiert.

»Türkis ist aber an sich eine coole Farbe«

Ein türkises Hemd - hat das etwas zu bedeuten ;-)?
Wir inspizieren das gerade und kommen zum eindeutigen Befund: Es handelt sich um ein hellblaues Hemd, zugegeben sehr grell. ;-) Türkis ist aber an sich eine coole Farbe, die sollte man sich auch durch innerparteiliche Revolutionen bei den Schwarzen nicht fladern lassen. Ich zum Beispiel denke beim Anblick eines türkisen Meeres auch nicht an die nicht mehr ganz junge Schnösel-Truppe in Wien.

Werner Kogler
© Die Grünen / Cajetan Perwein Werner Kogler im News-Chat

In Österreich ist die Rollenverteilung recht klassisch sobald Kinder da sind: Männer arbeiten Vollzeit, Frauen Teilzeit und kümmern sich um die Kinder. Wie wollen die Grünen da mehr Ausgeglichenheit schaffen? Was wäre ihr erster Schritt?
Wir Grüne haben diesen auch aus unserer Sicht zutreffenden Befund als Ausgangspunkt genommen, um hier andere Anreize zu setzen. Das beginnt vor allem mit der flächendeckenden Bereitstellung eines ganztägigen Kindergartenangebots schon im frühen Vorschulalter. Darüber hinaus kann man in der Steuerpolitik und in der Familienförderung durchaus noch in diesem Sinne zielgerichteter wirken. Im Übrigen ist es ein großes Defizit in Österreich, dass zwar relativ hohe finanzielle Beiträge fließen, aber das reale Angebot eben an solchen Kindergartenplätzen oder ganztägiger Schulbetreuung (und, und, und ...) unzureichend ist. In Ländern wie Frankreich ist es zum Beispiel genau umgekehrt. Dort gibt es diese Angebote und das bietet den Frauen für tägliche (und damit das ganze) Leben mehr Möglichkeiten. Und viele nutzen es auch.

»Wir brauchen Integrationspolitik mit Herz und Hirn«

Lieber Herr Kogler, wie geht es Ihnen, wenn heute haufenweise Geflüchtete nach Afghanistan abgeschoben werden? Ist ein allgemeiner Abschiebestopp ein wichtiges Anliegen für die Grünen?
Ich habe eben erst von den zuständigen Stellen verlangt, dass Abschiebungen von in Ausbildung befindlichen Jugendlichen - gerade nach Afghanistan - sofort zu stoppen sind. Generell sind für alle die Menschenrechte anzuwenden und einzuhalten. Das bedeutet insbesondere, dass bei der möglichen Bedrohung von Leib und Leben Abschiebungen nicht infrage kommen können. In den Fällen der vielen gut integrierten Lehrlinge ist es besonders bösartig, wenn diese "leicht greifbar" von ihrem Arbeitsplatz wegverhaftet werden. Im Übrigen werben tausende Unternehmerinnen und Unternehmer dafür, diesen bösartigen Unsinn sofort zu beenden. Wir brauchen also Integrationspolitik mit Herz und Hirn. Dass beides fast zum Verschwinden gekommen ist, ist eben Folge dieses bösartigen, ideologiegetriebenen Fuhrwerkens von Türkis-Blau.

»Die Verantwortungsschwänzer sitzen in dieser Fossil-Regierung«

Wie schafft man es, im politischen Tagesgeschäft nicht verbittert und zynisch zu werden?
Was soll den Grünen und mir nach den letzten zwei Jahren noch großartig passieren, dass wir verbittert wären? Es funktioniert - ganz im Gegenteil: Wenn man von Ideen überzeugt ist, kann man auch andere überzeugen. Und das soll auch Spaß machen. Ich sag' ja immer "Die Rettung der Welt darf auch Spaß machen". Und wenn wir Bewegungen wie die Fridays for Future beobachten und erleben dürfen, dann macht's gleich noch viel mehr Spaß. Und die haben's auch heraußen, wenn sie sich nicht als Schulschwänzer verunglimpfen lassen wollen und etwa zur Regierung von Konzernkanzler Kurz sagen "Macht ihr eure Hausaufgaben, dann machen wir unsere". Und ich hab auch schon wieder Spaß und ergänze "Ihr habt Recht, die Verantwortungsschwänzer sitzen in dieser Fossil-Regierung".

Wie viele von den grünen Brillen besitzen Sie?
Es handelt sich jedenfalls ausschließlich um Restbestände aus dem Wahlkampf 2013 (!). Da haben wir bei den vielen einsparungsbedingten Umzügen der letzten Zeit noch ein paar Kartons im Keller gefunden. Bei mir befinden sich vier oder fünf. Aber die mit der allergrellsten grünen Farbe hab ich mir geschnappt. Und nachdem wir eben fast kein Geld haben, bin ich schon bald nach dem Ausscheiden aus dem Nationalrat auf die Idee gekommen, mit fast nix trotzdem eine Marke zu schaffen.