Werner Kogler: "Dranbleiben, hackeln, kämpfen"

Der grüne Vizekanzler Werner Kogler über den Aufstieg der FPÖ und die Umfragewerte der Regierung, den Weg zur Energie-Unabhängigkeit von Russland und darüber, wann eine Millionen-Erbschaftssteuer kommen muss.

von Werner Kogler © Bild: News/Matt Observe

Nervt es Sie, wenn Sie auf das immer noch ausstehende Klimaschutzgesetz angesprochen werden?
Nein, gar nicht. Das ist ein wichtiger Hinweis auf ein wichtiges Gesetz. Es ist eines von vielen im Klimaschutzbereich, es wird den Fahrplan vorgeben für die Reduktion der Treibhausgase. Aber, wenn man ehrlich ist, die wirklichen Klimaschutzgesetze sind das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz, das dazugehörige Beschleunigungsgesetz, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das Energie-Effizienz-Gesetz. Wenn man das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz hernimmt: Das hat bewirkt, dass sich die Zahlen bei der Photovoltaik versiebenfacht haben im Vergleich zu den Jahren, bevor wir regiert haben. Nichtsdestotrotz brauchen wir das Klimaschutzgesetz. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen. Die anderen Gesetze waren ja auch das Ergebnis vom Bohren harter Bretter.

Der Bundeskanzler hat nach der Regierungsklausur dünnhäutig auf Fragen nach noch ausstehenden Regierungsvorhaben reagiert.
Ich vermute, es ging ihm darum, festzustellen, was unter schwierigsten Bedingungen und entgegen aller Prognosen gelungen ist, etwa bei der Energiesicherheit, wo wir weit über die gesteckten Ziele hinaus gekommen sind. Nach dem bestialischen Angriff Putins auf die Ukraine arbeiten wir jetzt schon an der Versorgungssicherheit für 2024 mit möglichst wenig russischem Gas. Gerade in dem Zusammenhang ist viel mehr gelungen als die grimmige Situation hoffen hat lassen - da ist ein Unverständnis sogar nachvollziehbar, wenn es nur darum geht, was noch fehlt.

Woran hakt es beim Klimaschutzgesetz?
Ich gehe davon aus, dass es in dieser Legislaturperiode kommt, es ist ja auch im Regierungsübereinkommen. Haken tut es im Wesentlichen an den Punkten, wo Industrie und Wirtschaftsvertreter Sorgen haben, wie sie die Vorgaben umsetzen können. Wichtiger ist aber, und da wird es mehr um die Bundesländer gehen und weniger um einzelne Wirtschaftssektoren, dass die Länder Ziele erreichen. Da sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg. Woran es genau bei der ÖVP hakt? Ich glaube viele mussten sich erst von einem alten Denken lösen und das schneller als erwartet, weil die Energiewende nun in Hochgeschwindigkeit umgesetzt werden muss. Ich bin da aber mittlerweile großzügig, wenn man Jahrzehnte gewisse Schemata gewohnt ist, sind zwei, drei Jahre Regierung mit den Grünen ja ein relativ schnelles Umdenken.

Warum gibt es bei Wirtschaft und Industrie Zweifel und sieht man weniger die Chancen, die durch den Innovationsbedarf entstehen? Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs: Viele Probleme hätten wir gar nicht, wäre man das Thema Energie früher angegangen.
Ja, das stimmt, aber mir geht es um die Gegenwart. Und da stellen wir bei den Vertretern der Industrie fest, dass es schon eine große Bereitschaft und immer weniger Zweifel gibt. In manchen Bereichen brauchen wir außer den Marktsignalen gar nichts, in anderen - besonders in der exportorientierten Wirtschaft - brauchen wir eine akute Abfederung der Energiekosten. Wir sind auch ein Industrieland und gemessen an den Standards im Rest der Welt gehören unsere Schlüsselindustrien zu den ökologischsten. Daher muss man sie auch in ihrem ökologischen Umbau unterstützen. Denn wenn Stahl unter schlechteren Bedingungen und Standards woanders produziert wird, hat niemand etwas davon: Im Gegenteil, Umweltschutz wird schlechter, unsere Wertschöpfung, die Arbeitsplätze und unser Wohlstand gehen massiv zurück. Daher geht es darum, die ökologische Transformation der Exportindustrie soweit zu unterstützen, wie sie das nicht mit eigenem Kapital leisten kann. Dazu gibt es die Klima- und Transformationsoffensive der Bundesregierung. Grosso modo geht es im Industriebereich gut voran.

Muss sich der Staat Innovationen erkaufen?
Wenn Österreich ein Standort werden will, wo CO2-freier Stahl produziert wird, dann wird der Staat einen Beitrag leisten müssen. Von den exportorientierten Unternehmen kann das nicht alleine gestemmt werden. Das wird aber in Jahren und Jahrzehnten in Form von Steuereinnahmen zurückfließen. Beim Klimaschutz muss man endlich die großen Chancen sehen. Da steckt viel drinnen für Wertschöpfung und Arbeitsplätze. In Österreich gibt es Unternehmen mit Weltmarktführerschaft. Zum Beispiel bei Spezial-Photovoltaik-Produktion, wo nur mehr Rohstoffkomponenten aus China kommen. Selbst bei der CO2-intensiven Ziegel- und Baustoffindustrie gibt es ökologische Innovationen, die schlussendlich zu klimaneutralen Baustoffen führen werden. Wenn diese Verfahren greifen, sind wir ganz vorne dabei und andere Staaten werden nachziehen.

Werner Kogler
© News/Matt Observe Werner Kogler

Sind die Wirtschaftskammer und der Wirtschaftsflügel der ÖVP älter im Denken als die Unternehmer selbst?
Tatsächlich ist in den meisten Firmen das Denken schon weiter. Wir haben uns bei der Energiewende auf die Überholspur begeben und wir müssen noch schneller werden. Gerade vor dem Hintergrund des Angriffskriegs auf die Ukraine sieht man ja, wie wichtig das ist. Die Energiewende ist der Schlüssel für mehr Unabhängigkeit, Freiheit und Wohlstand.

Ist das, was dabei bisher passiert ist, unumkehrbar? FPÖ-Politiker stellen z. B. die Pariser Klimaziele infrage.
Die Blauen und Herbert Kickl haben sich bei ihrer letzten Regierungsbeteiligung als Klimawandelleugner betätigt. In der Demokratie ist es natürlich so, dass eine Mehrheit Dinge anders oder neu machen kann. Vieles was wir tun, könnte rückgängig gemacht werden. Man hat das ja in Oberösterreich gesehen als nach Schwarz-Grün eine ÖVP-FPÖ-Koalition übernommen hat und den Klimaschutz runterfährt. Das wird sicher irgendwann Gegenstand der Auseinandersetzung sein, jetzt ist unser Fokus, so viel Klimaschutz und Energiewende wie möglich auf den Boden zu bringen.

Die FPÖ liegt auf Platz eins in den Umfragen. Dass die Regierung viel Geld ausgegeben hat, um Corona-und Inflationsfolgen abzufedern, hat Ihnen nichts genützt.
Ja. Aber in einer derartig fundamentalen Krise wie jetzt hat man als Regierung die Aufgabe, das Notwendige zu sichern. Das hat nichts mit Schielen auf Umfragen zu tun, sondern man nimmt seine Verantwortung wahr. Bei den Tausenden Entscheidungen, die zu treffen waren, waren fünf oder zehn nicht so gut oder sind überhaupt in die falsche Richtung gegangen - so selbstreflexiv sind wir Grüne jedenfalls. Dramatische Kriegs- und Krisenzeiten bringen sehr viel Unsicherheit und Sorge. Wir sehen die Tendenz in vielen europäischen Ländern, dass vor diesem Hintergrund die Vertrauenswerte sinken. Das ist nicht gut. Was dagegen hilft, ist nicht das Schielen auf Umfragen - da bin ich ohnehin relativ immun -, sondern dran zu bleiben, zu hackeln und zu kämpfen. Ob jede Entscheidung goutiert wird, ist eine andere Frage, aber in Krisenzeiten ist zu tun, was zu tun ist.

»Es hat nachgerade etwas Freches, wie die FPÖ bei den Antikorruptionsbemühungen mitschwimmt«

Also wenigstens mit wehenden Fahnen untergehen?
Umfragen sind ja nicht die einzige Wahrheit. Wenn es nur nach diesen gegangen wäre, hätten unsere Ergebnisse bei der letzten EU-Wahl und bei der Nationalratswahl 2019 sehr viel schlechter ausgesehen, als sie es dann waren. Am Ende sind die Mehrheiten entscheidend, die sich nach der Wahl bilden. Da wird man sehen, ob die FPÖ ihre derzeit hohen Werte in Wählerstimmen ummünzen kann. Das wird auch vom politischen Mitbewerber abhängen, nicht nur von uns. Alles, was die Blauen so vorschlagen, ist ja kein Vorschlag, sondern ein Vorschlaghammer. Mit dem fuchteln sie herum und plärren aus der Ecke. Damit erzeugen sie Aufmerksamkeit, einfache Parolen bleiben hängen. Aber man muss darauf hinweisen: Wenn es nach der FPÖ ginge, würden wir längst wieder am Rockzipfel Putins hängen. Wenn es nach der FPÖ ginge, wäre die CO2-Bepreisung und vor allem aber der Klimabonus weit weg. Das ist eine Partei die dem Präsidenten den Beifall verwehrt, wenn er zu "Nie wieder Nationalsozialismus" aufruft! Das Kurioseste ist ja: Es hat nachgerade etwas Freches, wie die FPÖ bei den Antikorruptionsbemühungen mitschwimmt. Also, wenn es irgendjemanden gibt, der für den Kreislauf Oppositionsbank-Regierungsbank-Anklagebank steht, dann ist es die FPÖ. Das ist bei denen empirisch eingraviert.

Die FPÖ vermittelt im ÖVP-Korruptions- und im Ibiza-U-Ausschuss das Bild, es ging nie um sie.
Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Wahrnehmung des U-Ausschusses, aber als Regierungsmitglied halte ich mich da raus. Es wird gut sein, wenn die Auseinandersetzung darüber geführt wird, dass bei der FPÖ eine Schlagseite zu einem Abgrund herrscht, in den man aus antikorruptions- und demokratiehygienischen Gründen nicht will.

Dennoch hat die FPÖ in Niederösterreich zugelegt.
Es ist besorgniserregend, dass eine rechtsradikale Partei so einen Zuwachs einfahren kann. Ich sehe hier auch eine gemeinsame Verantwortung aller konstruktiven Kräfte, besser zusammenzuarbeiten und aufeinander zuzugehen, um gemeinsam -trotz aller inhaltlichen Differenzen -auch wieder gute, verlässliche Alternativen der Bevölkerung anzubieten. Es geht darum, dass die FPÖ in diesen Kriegs-und Krisenzeiten nicht ungestört die Verunsicherung der Menschen für ihr zunehmend rechtsextremes Treiben nutzen kann. Wir Grüne werden dieses Angebot zur konstruktiven Zusammenarbeit jedenfalls erneuern.

Ist die Bundespolitik am Ergebnis der ÖVP schuld, wie die Landeshauptfrau sagt?
Ob das wirklich so ist, bezweifeln viele. Was mich freut, ist das grüne Ergebnis in Niederösterreich mit zusätzlichen Mandaten und dem Erreichen der Klubstärke. Es ist übrigens die sechste Landtagswahlwahl seit dem Beginn unserer Regierungsverhandlungen, bei der die Grünen dazugewinnen. Da sieht man, dass immer mehr Menschen Klimaschutz stärken wollen und ihn konsequenterweise auch wählen.

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr kritisiert, dass die Inflationshilfen mit der Gießkanne verteilt wurde. Wäre das auch besser gegangen?
Wir sind mit Gabriel Felbermayr im Austausch und sehen vieles ähnlich. Natürlich wäre es beispielsweise bei der Stromkostenbremse gut, wenn es noch treffsicherer ginge. Aber es ist eine sozial verträgliche Maßnahme, dass ein gewisser Grundbedarf des Strombezugs vergünstigt ist. Was gefehlt hat, da gebe ich ihm recht, ist die Differenzierung nach Haushaltsgröße. Das wird repariert, indem größere Haushalte mit einem Zusatzantrag die entsprechende Unterstützung bekommen. Natürlich wäre es super, wenn wir von vornherein die notwendige Datenlage zur Verfügung gehabt hätten. Unter den aktuellen Voraussetzungen, die nicht nur Österreich, sondern auch viele andere Länder wie etwa Deutschland haben, ist es so: Alles, was besonders schnell gehen soll, hat weniger Genauigkeit. Alles, was treffsicher sein soll, dauert länger. Aber für die Zukunft werden wir solche Konstruktionen, die für alle Bevölkerungsgruppen und Einkommensschichten greifen, kaum mehr brauchen, denn die Akutmaßnahmen haben gegriffen, und wir haben jetzt mehr Zeit zum Differenzieren. Zudem muss man sagen, dass etliche große Maßnahmen auf die unteren 30 Prozent der Einkommen abzielen, etwa mit eigenen Absetzbeträgen, die gerade dort eine große Hilfe waren, genauso wie die differenzierten Pensionserhöhungen.

Mehr Zeit, weil der Höhepunkt der Krise vorbei ist?
Da bin ich mir nicht so sicher. Wir haben in der Energieversorgung weiter Krisenmodus. Dazu kommt, dass Kredite, die Geldbeschaffung des Staates, zunehmend etwas kosten. Bei null Prozent Zinsen schaut die Welt anders aus als bei fünf Prozent.

Auch Sie haben oft gesagt: Der Staat könne Geld ausgeben, er refinanziere sich ohnehin so günstig.
Dass das irgendwann nicht mehr so sein wird, haben wir immer dazu gesagt.

Es ist nur schneller gegangen als gedacht.
Daher muss man jetzt stärker darauf achten, das Geld zusammenzuhalten und zielgerichteter vorzugehen. Die Krise ist nicht vorbei, auch wenn die Vorsorge für diesen Winter sensationell funktioniert hat.

Es greift das Vorsorgeparadoxon: Man hält die Aufregung für übertrieben und wundert sich, warum so viel Geld ausgegeben wurde?
Wenn man sich ansieht, wie wir im Frühjahr und Sommer um die Gasversorgung gerungen haben, da war die Prognose finster - im wahrsten Sinn des Wortes. Mittlerweile sind wir bei der Planung der Energieversorgungssicherheit schon im Jahr 2024. Es ist gelungen, zu diversifizieren und die Unternehmen anzureizen, andere Energieträger heranzuziehen. Das hat viel Geld gekostet, das muss man ehrlicherweise sagen. Es ist komplex, aber es ist gelungen. Vor dem Hintergrund - und da ist bei mir wirklich sehr viel Grant drinnen -, dass Österreich seit 2014 die ohnehin schon schlimme 50-Prozent-Gasabhängigkeit von Putin auf über 80 Prozent geschraubt hat. Damit finde ich noch keinen echten Frieden.

Wäre das eine Thema für einen U-Ausschuss?
Natürlich! Es geht einfach nicht an, dass Leute aus anderen Parteien, die das mitzuverantworten haben, uns jetzt ausrichten, wie wir energiepolitisch vorzugehen haben. Wir waren es, die diese Abhängigkeit mittlerweile auf 20 bis 40 Prozent gedrückt haben. Wir werden noch ein paar Jahre brauchen, um ganz aus russischem Gas rauszukommen, aber da passiert von vielen unbemerkt gerade relativ Großes.

Sie haben die Budgetsorgen angesprochen. Felbermayr hat sich in der ORF-Pressestunde für eine Debatte über Vermögenssteuern ausgesprochen. Sie sind dafür, aber es ist chancenlos, oder?
Das glaube ich nicht. In Wahlkämpfen hat das außer uns nur die SPÖ vertreten. Aber, wenn man das Thema spezifiziert, könnten auch Vertreter der christlich-sozialen ÖVP mitgehen. Es geht nicht um das Herbeigerede des Schreckgespensts für die Häuslbauer -da tun manche ja so, also sollte jedes Schrebergartenhaus besteuert werden. Blödsinn! Es geht um Millionen-Erbschaften. Da soll es hohe Freibeträge geben, von einer Million Euro -das ist für Normalsterbliche irrsinnig viel Geld. Es geht also um die ganz großen Erbschaften. Wer zum Beispiel 20 Millionen erbt, soll auf 19 Millionen eine Steuer zahlen. Und siehe da: Da springt Gerechtigkeit heraus, deshalb braucht sich keiner fürchten. Arbeitsmarktpolitisch ist man damit auf der richtigen Seite, weil man damit wirtschaftlich schädliche Abgaben reduzieren kann. Das eigentliche Problem liegt ja -trotz der Abschaffung der Kalten Progression -bei den Kosten auf Arbeit.

Wie kann man Sozialabgaben senken, ohne die Sozialleistungen zu kürzen?
Indem man gleichzeitig dafür sorgt, dass die Sozialversicherungen andere Einnahmequellen haben, etwa aus einer Abgabe für Millionen-Erben. Nachdem gerade die Erbengeneration übernimmt, bringt eine solche Abgabe nicht nur Millionen, sondern da geht es fix um Milliarden. Wer bei diesem Thema abseits steht, sind die NEOS und die Blauen, aber das wundert uns nicht.

»Bevor die Idee kommt, Gesundheitsausgaben zu kürzen, führen wir einen Beitrag der Millionen-Erben ein«

Im Regierungsprogramm steht die Erbschaftssteuer aber auch nicht.
Aber bevor die Idee aufkommt, bei Gesundheitsausgaben zu kürzen oder die Lohn-und Einkommensteuer zu erhöhen, führen wir einen Beitrag der Millionen-Erben ein. Auch wenn es nicht im Regierungsprogramm steht.

Man könnte sich auch die klimaschädlichen Subventionen vorknöpfen.
Das wäre dann die Ausgabenseite. Aber auch das treiben wir intensiv voran. Wobei man aber fragen muss, was fällt da eigentlich darunter? Ich bin dafür, die Pendlerpauschale völlig umzukrempeln und sie sozialer und ökologischer zu machen. Aber es ist jetzt schon eine kleinere soziale Komponente drin und was diese Teile dann für eine klimaschädliche Subvention sind, ist Definitionssache. Ebenso ob das Dieselprivileg dann noch ein Privileg ist, wenn Diesel eh schon viel teurer ist als Benzin. Wofür ich plädiere, ist, sich anzusehen, wie überhaupt umweltschädliche Subventionen zu definieren sind.

Dazu gibt es eine Studie vom Wifo: 5,7 Milliarden Euro an Subventionen sind demnach klimaschädlich.
Ich würde dafür plädieren, dort anzusetzen, wo am dringendsten etwas zu streichen ist. Aber nicht jede Position auf dieser Liste hat gleiche Priorität, insbesondere, wenn sie eine soziale Komponente hat.

Verstehen Sie, dass Ihnen ihre eigenen Wählerinnen und Wähler zu viel Pragmatismus vorwerfen?
Ich glaube nicht, dass das so ist. Bei unseren Bundeskongressen und Mitgliedertouren, die ich regelmäßig durch alle Bundesländer mache, merke ich davon nichts. Thema ist dort eher die Kommunikation beziehungsweise die Wahrnehmung der Ergebnisse unserer politischen Arbeit, nicht die getroffenen Entscheidungen.

Werner Kogler
© News/Matt Observe Werner Kogler

Ein Thema für die grüne Fankurve wäre Tempo 100. Dafür? Dagegen?
Die Grünen wären wahrscheinlich mehrheitlich dafür. Aber die Klimaministerin hat es ja gesagt: Es gibt im Nationalrat weit und breit keine Mehrheit für diese Maßnahme. Wenn ich auf die europäische Landkarte schaue, finde ich nirgendwo Tempo 100. Deshalb können wir uns nicht von den Klippen stürzen, sondern müssen weiterarbeiten. In vielen anderen Bereichen im Klimaschutz, wo bisher nichts weitergegangen ist, ist in den letzten drei Jahren mehr passiert als die 30 Jahre davor.

In früheren Wahlkämpfen haben sich fast alle Parteien ein grünes Federl an den Hut gesteckt, um bei dieser Zielgruppe zu punkten. Heute profiliert man sich, indem man Klimaaktivisten kritisiert und gegen strengere Maßnahmen gegen die Klimakrise ist. Ist das Thema ausgereizt?
Jedenfalls klafft beim Thema Klimaschutz eine Riesenlücke zwischen dem, was von SPÖ und ÖVP in Reden gesagt wird, und dem was dann wirklich passiert. Das haben wir ja auch bei anderen Themen erlebt. Seit Jahrzehnten haben SPÖ und ÖVP in Wahlkämpfen die Valorisierung der Sozialleistungen bzw. die Abschaffung der kalten Progression versprochen und es nie gemacht, wenn sie in der Regierung waren. Wer hat es gemacht? Wir!

Was wollen Sie damit sagen? Die Parteien, die Klimaaktivisten angreifen, sind in Wirklichkeit eh dafür?
Das heißt nur, überall, wo sie groß geredet haben, war das halt meist nicht ernst zu nehmen. Im Klimaschutz muss es noch schneller vorangehen, insgesamt geht aber so viel weiter, wie seit Jahrzehnten nicht. Wenn Parteien jetzt Strafverschärfungen für Klimaaktivisten fordern, machen sie das für die Galerie.

Literaturtipps:

Das Buch "Weltuntergang fällt aus!: Warum die Wende der Klimakrise viel einfacher ist, als die meisten denken, und was jetzt zu tun ist " können Sie hier erwerben.*

Das Buch "Das grüne Jahrzehnt: Countdown bis 2030 – Wie die Klimakrise die Wirtschaft revolutioniert" können Sie hier erwerben.*

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Weil die das gerne hört?
Naja, im Moment ist alles höchst opportunistisch. Die SPÖ hat viel dazugelernt in Umwelt- und Klimaschutz. Aber dann rennen sie herum und wollen die CO2-Bepreisung abschaffen. Was soll das bitte? Gerade beim Klimabonus, der an der CO2-Bepreisung hängt, funktioniert ja die Umverteilung von oben nach unten, weil die oben mehr CO2 verbrauchen, daher mehr bezahlen und im Verhältnis weniger zurückbekommen. Aber Teile der SPÖ sind populistisch genug, wegen einiger Cent am Spritpreis mehrere hundert Euro Klimabonus zu kippen. Beim Rendi-Wagner-Leichtfried-Flügel, mit dem ich durchaus positive Erfahrungen habe, gibt es jetzt einen echten populistischen Rückschritt. Der Doskozil-Flügel bringt ja im Burgenland einiges an Tempo in die Energiewende, aber gegen die CO2-Bepreisung und damit den Klimabonus ist auch er mit Karacho unterwegs.

Welcher Flügel wäre Ihnen denn als potenzieller Regierungspartner lieber?
Ich werde mir das beim politischen Mitbewerber nicht aussuchen. Die SPÖ hat selber was zu klären. Wir arbeiten jetzt noch mehr als eineinhalb Jahre und dann gibt es eine Wahl, bis zu der die SPÖ ihre Haltung zu Umwelt-und Klimaschutz klären kann. Einzelne Abgeordnete als Aushängeschild werden jedenfalls nicht mehr genügen, wenn man sonst in den großen Fragen als Geisterfahrer unterwegs ist.

Was muss noch passieren, dass Sie in zwei Jahren - ob in der nächsten Regierung oder nicht - sagen: Es hat sich ausgezahlt?
Es hat sich jetzt schon ausgezahlt, vieles aus dem grünen Programm ist umgesetzt. Was noch kommen wird, ist die Vervollständigung des Pakets im Bereich Transparenz. Das ist ein bisschen komplexer als man glaubt, aber ich bin zuversichtlich. Mit dem Anti-Korruptionsgesetz und den gläsernen Parteikassen haben wir schon extrem viel erreicht. Die Klimawende werden wir weiter vorantreiben und die ganzen Klimaschutzgesetze noch im Detail zur Anwendung bringen. Raus aus fossiler Energie, rein ins Solarzeitalter, Transformation statt Depression. Wir Grüne tun das, wofür es uns gibt: Umwelt, Wirtschaft und soziale Tragfähigkeit unter einen Hut bringen.

Ex-Minister Rudi Anschober hat eine Klima-Initiative gestartet mit Forderungen an die Bundesregierung. Läuft sich da jemand für einen Bundespräsidentschaftswahlkampf warm?
Jetzt sind wir sehr froh, dass wir den jetzigen - Alexander Van der Bellen -gerade erst wieder angelobt haben. Bei aller Langfristigkeit von Planung, uns geht es um das Hier und Jetzt.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 05/2023 erschienen.