Werner Gruber: "Physik ist
immer noch nicht sexy"

Kein anderer kennt die Welt der Physik, aber auch das Universum besser als der gebürtige Oberösterreicher Werner Gruber. Ein Besuch beim unterhaltsamsten Erklärer des Landes.

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Nachgefragt - Werner Gruber: "Physik ist
immer noch nicht sexy"

Wir treffen Werner Gruber am ersten Tag nach seinem Urlaub im Büro des Wiener Planetariums, dessen Leiter er ist. Sein Schreibtisch wirkt so, wie man es von einem Wissenschaftler erwartet: Türme an Unterlagen, überall aufgeschlagene Bücher, Skizzen, auf der Wand mehrere Kreideformeln, daneben auf einem Regal das originalgetreue Modell einer mannshohen Apollo-11-Rakete, mit der vor 50 Jahren die erste bemannte Mondlandung gelang.

Herr Gruber, Sie werden in den Medien abwechselnd als Wissenschaftler und Kabarettist bezeichnet. Sind Sie vor allem mit der letzteren Anrede ganz zufrieden?
Gar nicht. Ich bin kein Kabarettist. Wenn ich das in einer Zeitung lese, gibt's von mir sofort einen Anruf in der Redaktion mit den Worten "Freunde, das ist ein Blödsinn."

Warum wehren Sie sich so gegen diese Bezeichnung?
Ich habe nichts gegen diesen Berufsstand, im Gegenteil, aber: Als Kabarettist MUSS ich witzig sein. Ich aber halte Vorträge, in denen es passieren kann, dass er witzig ist. Nichtsdestotrotz bin ich sehr stolz auf den Deutschen Kleinkunstpreis. Schließlich ist es auch eine echte Kunst, einen Vortrag zu halten.

Und diese Physiker-Geschichte -war das für Sie immer schon klar: Das wird's einmal?
Ja, sechstes Lebensjahr. Ich hab damals schon die ersten Bücher in diese Richtung gelesen und ziemlich schnell gewusst: Das kann bei mir gar nicht woanders hingehen.

»Physik ist immer noch nicht sexy«

Physik war ja früher noch viel weniger sexy als heute. Warum, Herr Gruber, haben Sie es sich trotzdem angetan?
Physik ist heute immer noch nicht sexy, da hat sich nicht viel geändert. Ich hatte zudem das Pech, dass manche meiner Physiklehrer Wissen nicht wirklich interessant vermitteln konnten und sie auch fachlich nicht die Besten waren. Ich blieb trotzdem dabei.

Wissenschaftler werden gern -wohl auch nicht zu Unrecht -als Freaks bezeichnet und in Filmen oft so dargestellt. Haben Sie auch ein bisschen etwas von einem "Nutty Professor"?
Jeder Mensch hat seine verrückten Eigenheiten. Wenn jemand zum Beispiel ständig mit dem E-Roller durch die Stadt fährt und dann in seiner Freizeit walken oder laufen geht, um sich zu bewegen, ist das noch viel freakiger. Es stimmt aber: Steckt man in der Phase des Forschens, ist man sozial nicht ansprechbar. Ganz schlimm.

Sind Physiker und Wissenschaftler besonders anfällig für Serien wie Raumschiff Enterprise -oder belächelt man so was eher?
Ja, ich gebe zu, es gibt viele Physiker, die Star-Trek-Fans sind. Es gibt aber noch viel mehr Menschen, die keine Physiker sind und auch auf die Serie stehen.

Ist die Wissenschaft eine brotlose Kunst?
Ja und nein. Wir haben in Österreich diesbezüglich leider kein besonders vernünftiges Fördersystem. Manche gehen daher zu privaten Unternehmen, da passiert dann aber weniger Wissenschaft, sondern eher Forschung und Technologieentwicklung.

Die große Herausforderung der nächsten Jahre ist das Problem des Klimawandels. Ideen dazu?
Das Problem wäre im Grundsatz bereits gelöst. Nur es fragt uns leider keiner. Ich habe erst kürzlich wieder eine Politikerdiskussion mitverfolgt und mich gewundert, wie wenig Ahnung manche haben.

Sie meinen die Wasserstoff-Technologie?
Nein, aber die klingt gut. Aus dem Auspuff kommt nur Wasser heraus und fertig, lernen wir in der Schule.

Ist doch perfekt, oder?
Leider basiert diese Annahme auf einem Schulversuch. Es erwähnt aber keiner, dass bei der Verbrennung Stickoxide entstehen - und als Endprodukt dann der saure Regen. Das ist aber nicht das Hauptproblem. Die Frage ist, wie komme ich zum Wasserstoff? Dazu brauche ich Methan, das ein Megaproblem aufwirft: Beim Transport kommt es zu Leckagen, was zu Verlust von ein paar Promille des Stoffes führt. Methan ist ein 20-mal so starkes Klimagift wie CO2 Wenn ich heute also auf Wasserstoffenergie umsteigen würde, hebe ich die gesamte CO2-Einsparung auf.

»Die Lösung ist eine andere: ITER - ein Reaktor mit Kernfusionstechnologie«

Und das Thema Elektromobilität?
Da haben wir das bekannte Problem mit der Herstellung der Batterien. Außerdem kommt der Strom vielfach von Kohlekraftwerken. Die Lösung ist eine andere: ITER - ein Reaktor mit Kernfusionstechnologie. 5000 Stück davon weltweit und wir können jedes Atomkraftwerk und Kohlekraftwerk zusperren. 1992 hat man in England erstmals die Kernfusion erfolgreich zusammengebracht. Damals benötigte man für den Prozess allerdings noch mehr Energie, als man herausbekommen hat. 1997 gelang es, 16 Megawatt zu produzieren. Die EU hat daraufhin ein Projekt in Südfrankreich gestartet, 2018 hätte der Reaktor in Betrieb gehen sollen. Die Bürokratie und Streitereien innerhalb der Führungskommission haben es bislang aber verhindert.

Und die negativen Seiten von ITER?
Das einzige, allerdings kleine Problem: Die Innenseite des Reaktors wird mit der Zeit leicht radioaktiv, diese Kacheln müssen alle zehn Jahre gewechselt werden. Die Strahlung ist aber minimal. Auch explodieren kann der Reaktor nicht.

Was halten Sie von einer CO2-Steuer - etwa für Flugzeuge?
Nette Idee, geht aber nicht. Es gibt einen wasserfesten internationalen Vertrag von 1944, der steht. Demnach zahlen die Fluggesellschaften die gesamte Infrastruktur des Flugverkehrs selbst, dafür zahlen sie keine Steuer aufs Kerosin.

Das ist ein ehrlicher Deal. Das zu verändern, ist Illusion. Man könnte das Ganze also nur im innerösterreichischen Verkehr anwenden, aber die paar Flüge weniger machen das Kraut auch nicht fett.

Was ist jetzt los mit dem Klimawandel - wie geht's weiter, was tun?
Da muss sich die Menschheit entscheiden, wie es weitergeht, das hat mit Physik nichts zu tun. Auch wenn wir Vorbildwirkung haben: Wichtig ist vor allem, wie Länder wie China und Indien weitermachen.

Der Klimawandel hat auch positive Auswirkungen.
Ja, hat er. Das Problem ist: Sie betreffen eigentlich nur die Polarregionen. Ich war letztes Jahr in Grönland, dort haben sie die erste Erdäpfelernte überhaupt gefeiert. Ein Fischer hat mir erzählt, dass die dortige "Diskobucht" nicht mehr zufriert und die Shrimps zwar kleiner wurden, die gefangene Tonnage aber größer. Für Grönland bringt der Klimawandel echte Vorteile. Im Norden und rund um den Polarkreis wohnen aber wenige Menschen, was sich in Zukunft wohl ändern wird. Die Kehrseite der Medaille: Binnenländer wie Österreich wird's von den Temperaturanstiegen viel härter treffen als Länder an der Küste.

Bereits in den 1990er-Jahren hieß es, durch die Gletscherschmelze würde das Meer um viele Meter ansteigen. Bislang spürt man diesen Effekt aber kaum. Es gibt jetzt bereits viele nicht mehr bewohnbare Inseln. Wobei der Wasseranstieg nicht aufgrund der schmelzenden Gletscher verursacht wird, das sind weltweit ein paar Zentimeter. Ein viel größeres Thema ist der Anstieg der Meerestemperatur, denn dadurch dehnt sich das Wasser aus -und das ist das eigentliche Problem.

»Die unterste Grenze von Planeten mit Leben liegt bei 50 bis 250«

Die Physik kann eigentlich alles genau berechnen. Wie groß ist denn die Chance, dass es da draußen eine zweite Erde gibt?
Man rechnet das nicht in Wahrscheinlichkeiten, sondern in absoluten Zahlen. Bis 1995 wussten wir gar nicht, wie viele Planeten es überhaupt gibt. Damals rechneten wir mit einer Zivilisation pro Milchstraße, das wäre wir gewesen und sonst keiner. Mittlerweile sind wir draufgekommen, dass um jede Sonne ein oder mehrere Planeten kreisen. Die unterste Grenze von Planeten mit Leben liegt bei 50 bis 250. Das Problem: Die mittlere Entfernung dorthin beträgt bei dieser Zahl um die 5000 Lichtjahre. Selbst bei einer Million Zivilisationen wären wir bei durchschnittlich 150 Lichtjahren Entfernung.

Also ist es eine Illusion, dass wir jemals mit unseren "Nachbarn" plaudern werden?
Nein, keineswegs. Die Antwort würde 300 Jahren dauern, aber wo ist das Problem? Es gibt wissenschaftliche Projekte, die haben vor 150 Jahren begonnen und die laufen heute noch. Die Antwort auf unsere gesendeten Botschaften werden halt erst unsere Nachnachnachfolger erhalten.

Ist es denkbar, dass auf einem Planeten mit Leben komplett andere physikalische Gesetze herrschen als bei uns?
Nein, unmöglich, weil wir dazu Messungen haben. Die physikalischen Gesetze sind im gesamten Universum auf jeden Fall ident.

Wie können Sie da so sicher sein?
Schauen Sie sich die Sonnen an. Damit diese zu leuchten beginnen, müssen alle vier Grundkräfte im Universum fein abgestimmt sein. Wäre nur eine dieser Kräfte eine Spur anders, würden die Sonnen komplett anders leuchten.

Wie schaut er Ihrer Meinung nach aus, der Außerirdische: klein und grün -oder doch eher unspektakulär menschlich?
Es gibt zwei Varianten: Entweder ähnlicher, als wir denken, weil die physikalischen Gesetze wie erwähnt überall gelten. Oder es geht ins Exotische - käferartig, eine intelligente Entwicklung des Dinosauriers oder auch eine Lebensform unter Wasser. Ich persönlich glaube zum Beispiel, dass nach der Menschheit die Oktopoden groß herauskommen werden.

»Ich strebe kein politisches Amt an«

Sie unterstützen auch immer wieder die SPÖ. Jetzt kandidieren Sie sogar selber für den Nationalrat -allerdings auf einem wenig aussichtsreichen Listenplatz. Wie ernst ist es Ihnen damit?
Ganz ehrlich: Im Moment ist es ein Hobby, ich strebe kein politisches Amt an. Ich will mich mit meinem Fachwissen einbringen, weil einfach mehr Wissenschaft in die Politik gehört.

Nächstes Jahr werden Sie 50. Was wollen Sie da erforschen?
Es hat zwar nichts mit meinem runden Geburtstag zu tun, aber ich werde mir 2020 eine längere Auszeit nehmen. Zudem muss ich eine Unmenge an Überstunden abbauen, das muss jetzt endlich mal sein.

Werden Sie dann auch die Riesenstapel auf Ihrem Schreibtisch aufarbeiten, oder sind die das klassische "Muss"-Chaos eines Forschers?
Das ist kein Chaos, alles ist sehr wohl geordnet, mein Ordnungsprinzip ist Ihnen nur nicht klar. Ganz so wild schaut es normal nicht aus. Die Aufarbeitung ist auch fix eingeplant, allerdings erst für Februar und März 2020, vorher geht es sich leider nicht aus.

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