Wer stoppt Erdoğan?

Der Mann hat eine Mission und macht auch kein Geheimnis daraus. Man muss nur hinhören und ihn beim Wort nehmen. Die Rede ist natürlich von Recep Tayyip Erdoğan.

von Christoph Lehermayr © Bild: News/Ian Ehm

Nichts, was der türkische Präsident tut, folgt dem Zufall, alles ist einem großen Plan untergeordnet. An ihm arbeitet er sich seit zwei Jahrzehnten ab und nähert sich trotz aller Rückschläge unbeirrt seinem Ziel. Bis zum Jahr 2023, dem 100. Jahrestag der türkischen Republik, will Erdoğan der neue Sultan sein. Der unumstrittene Machthaber, der neue Atatürk, ein expansiver Herrscher mit islamischer Gesinnung statt im westlichen Wertegewand.


Es ist schon fast müßig, jenes Zitat zu wiederholen, das Erdoğan einst, als die säkulare Republik der Türkei noch stark war, ins Gefängnis brachte. Aber es erscheint nötiger denn je. Denn es stand am Anfang seines Drangs. "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten." Erdoğan zitierte dieses religiös-nationalistische Gedicht 1998. Genau 20 Jahre später ist die Türkei längst eine andere und Erdoğan auf dem Weg zur absoluten Macht. Schon nächstes Jahr will er sich wiederwählen lassen und dann mit ausgeweiteten Kompetenzen herrschen. Da die dafür nötige Verfassungsänderung aber beim Referendum vergangenes Jahr nur eine knappe Mehrheit hatte, setzt Erdoğan alles daran, mehr Zustimmung im Volk zu finden. Und führt dazu Krieg. Völkerrechtswidrig greift er die Kurden in Syrien an, ignoriert eine von der Uno verhandelte Waffenruhe und spricht bereits davon, den Kampf bis in den Irak auszuweiten. Nachdem er schon zuvor islamistische Kämpfer in Syrien unterstützte, ist es nur logisch, dass ihm diese nun auch auf dem kurdischen Schlachtfeld als Helfer dienen. Auf jeglichen Widerspruch folgt unbarmherzige Härte. Gegner im Inneren landen im Gefängnis. Und selbst dem Nato-Bündnispartner USA droht er mit einer "osmanischen Watsche", falls sie ihm in die Quere kommen. Offen trauert er dem Osmanischen Reich nach. "Wir werden nicht Gefangene auf 780.000 Quadratmetern sein", sagte er vor Jahren und setzte nach, "die Grenzen dieses Landes nie freiwillig akzeptiert" zu haben. Er späht auf "Brüder und Schwestern auf dem Balkan", begehrt griechische Inseln und rät türkischen Zuwanderern in Österreich und Deutschland zu "fünf statt nur drei Kindern".

Das alles sind klare Signale und tritt offen zutage. Man muss es nur sehen wollen und danach handeln. Man kann aber natürlich auch seinem Außenminister die Lipizzaner zeigen und ihm weiter Milliarden an EU-Vorbeitrittshilfen überweisen. Dann darf man sich nur später nicht wundern.

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