"Welteröffnung" für
das Weltmuseum in Wien

Direktor Steven Engelsman führt einen Monat vor der Eröffnung durch die Ausstellung

Noch wird in den Räumlichkeiten des "Weltmuseum Wien" eifrig gearbeitet: Die insgesamt 142 Vitrinen werden befüllt, Möbelstücke angeliefert und Beschriftungen angebracht. Mit Stolz und viel Enthusiasmus führt Direktor Steven Engelsman durch das 3.900 Quadratmeter Ausstellungsfläche umfassende Haus: "In zwei Wochen ist alles fertig!" Müsste es gar nicht. Eröffnet wird erst am 25. Oktober.

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© Video: APA

Noch bevor der Besucher am Heldenplatz das renovierte, umgebaute und umbenannte ehemalige Völkerkundemuseum im Corps de Logis der Neuen Burg betritt, wird er von einem filigranen, in schwarz gehaltenem Kubus begrüßt, der in Zukunft als Informationsplattform, Schanigarten, Kino oder Veranstaltungs-Location dienen wird. Schlichte Betonbänke laden zum Verweilen auf dem Vorplatz ein. Noch nicht geklärt ist hingegen, ob das bisher als Parkplatz genützte Areal direkt vor dem Eingangsportal in Zukunft autofrei sein wird. "Das entscheidet die Burghauptmannschaft", so Engelsman, der "eine kleine Angst" verspürt, dass sein Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird. "Das wäre ziemlich schade."

Vorfreude auf eine "Welteröffnung"

Zunächst freut er sich allerdings auf eine "Welteröffnung" am 25. Oktober, die André Heller auf einer Bühne auf dem Heldenplatz inszeniert und im Anschluss im Inneren des Hauses ihre Fortsetzung findet. Nach der neu gestalteten Kassenhalle betritt der Besucher über ein paar Stufen ein Foyer, in dem ein Orientierungstisch die Struktur des Hauses vermittelt: Von hier gelangt man künftig nicht nur ins Weltmuseum, sondern auch in die Hofjagd- und Rüstkammer und die Sammlung Alter Musikinstrumente. Das Ephesos-Museum und das künftige "Haus der Geschichte Österreich" wird man über den Haupteingang der Nationalbibliothek betreten.

Die weitläufige Säulenhalle im Hochparterre, die auch ohne Museums-Ticket zugänglich sein wird und für die Engelsman noch um ein prominentes Kunstwerk verhandelt, bietet in den Nischen auch Platz für einen Museumsshop und das kleine Café "Cook". Die ausgestopften Pferde, die über die Balustrade des 1. Obergeschoßes in die Halle hinunterschauen, sind allerdings keine ethnologischen Exponate, sondern sollen auf die dort befindliche Hofjagd- und Rüstkammer neugierig machen. Ebenerdig gelangt man hingegen rechter Hand in jene Bereiche, die Sonderausstellungen vorbehalten sind. Auf 1.400 Quadratmetern steht dort zunächst bis Ende 2018 das begehbare Buch namens "Pop-Up World: Erzählungen" auf dem Programm, die weitere Bespielung sei vor allem eine "Budgetfrage", so Engelsman. Eine Nepal-Ausstellung sei jedenfalls bereits in Vorbereitung.

"Korridor des Staunes" ab Februar

In Nachbarschaft des neuen Veranstaltungssaals wartet eine Überraschung: Eine weitere Tür führt in einen Teil des Museums, der eigentlich der "Redimensionierung" zum Opfer gefallen war: den "Korridor des Staunens". Ursprünglich im Mezzanin auf rund 700 Quadratmetern in jenen Räumen vorgesehen, die nun für das "Haus der Geschichte Österreich" adaptiert werden, wird sich der "Korridor des Staunens 2.0", wie ihn Engelsmann liebevoll nennt, nun ab Februar 2018 im Hochparterre auf fast derselben Fläche erstrecken. Auf Regalen sollen in Form eines immer wieder wechselnden Schaudepots Teile jener 98,5 Prozent der Sammlungsobjekte präsentiert werden, die es nicht unter die 3.127 Exponate der Dauerausstellung geschafft haben. Dazu soll es auch eine frei bespielbare Fläche geben.

»Wir sind ein Storytelling-Museum«

Das Herzstück des Weltmuseums findet sich jedoch im Mezzanin: In der 2.500 Quadratmeter umfassenden ständigen Schausammlung sollen in 14 Sälen "viele kleine Erzählungen" einen Einblick nicht nur in die Sammlung selbst, sondern auch in deren Geschichte geben. "Es geht hier nicht mehr um Repräsentation, sondern um Geschichten. Wir sind ein Storytelling-Museum", sagt Engelsman.

"Für viele Besucher ist es sicher eine Überraschung, wie viele Beziehungen Österreich schon vor Hunderten von Jahren in der ganzen Welt hatte, ohne eine Kolonialmacht zu sein." Früher habe man im Museum für Völkerkunde "einen Spaziergang über die ganze Welt in 80 Minuten gemacht, die Völker wurden repräsentiert. Seit einigen Jahrzehnten ist das nicht mehr üblich. Das wird heute eher als Beleidigung erfahren. Wir haben einen neuen Zugang gesucht und uns gefragt, was das Einzigartige des Weltmuseum Wien ist." Das sei einerseits die "fantastische Sammlung", auf der anderen Seite eben die Frage, wie und warum die Objekte nach Wien gekommen seien.

Entdeckungsreise für Sammlerstücke

Zu erleben ist dies etwa im Raum "Geschichten aus Mesoamerika", wo "drei große Begegnungen" verhandelt werden. Zentral im Raum angeordnet, unter einer riesigen, gegen Schwingungen gedämpften Vitrine, findet sich der berühmte "Penacho" als Teil jener prunkvollen Federarbeiten, die bereits im 16. Jahrhundert aus Mexiko nach Österreich kamen. Parallel dazu zeigt man auch spätere Sammelstücke aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, um schließlich einen Blick auf die Sammlertätigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu werfen, als die Sammlung bewusst erweitert und ergänzt wurde.

Auch im anschließenden Raum "Orient vor der Haustür" widmet man sich den intensiven Beziehungen und erzählt 14 Geschichten mit Wien-Bezug. Angeschlossenen an den Raum ist der Vermittlungsraum, in dem Kinder mit Blick über den Heldenplatz in die Sammlung des Hauses eintauchen können. Die ursprünglich geplante, größer dimensionierte Kooperation mit dem ZOOM Kindermuseum fiel dem Sparstift zum Opfer.

»Migration gehört zum Menschen wie Sonne und Regen zum Wetter«

Auch das gestalterische Raumkonzept von Ralph Appelbaum erzählt Geschichten: Während die Räume, in denen man sich einzelnen Regionen widmet, in schlichtem Schwarz gehalten sind, stechen immer wieder strahlend weiße Interieurs hervor: So wird dem Besucher deutlich, dass es sich um einen Themensaal handelt. Ein solcher ist etwa "Welt in Bewegung", der sich dem Thema Migration widmet: "Migration gehört zum Menschen wie Sonne und Regen zum Wetter", sagt Engelsman bestimmt.

Multimedia trifft Ausstellung

Zeitgenössische Ansätze finden sich immer wieder: So schließt im Säulengang "Sharing Stories" an - ein Projekt, das anhand von 20 Fotos verschiedene von der Bevölkerung eingebrachte "Ding-Geschichten" erzählt. Auch im "Südsee"-Saal trifft der Besucher in Zukunft auf den zeitgenössischen Blick auf Kolonisierungsgeschichte: Das Weltmuseum hat die Videoarbeit "In Pursuit of Venus" der neuseeländischen Künstlerin Lisa Reihana angekauft, die derzeit noch auf der Biennale in Venedig gezeigt wird und Ende November ins Museum übersiedeln wird. Mit leuchtenden Augen führt Engelsman weiter, schreitet durch den Raum "Sammlerwahn", seinen Lieblingssaal, in dem die Sammelwut der drei österreichischen Erzherzöge Ferdinand Max, Kronprinz Rudolf und Franz Ferdinand einander gegenübergestellt werden, oder zeigt im Indonesien-Saal jüngst zur Sammlung hinzugekommene Batiken.

Auch die multimediale Übersetzung der einzelnen Geschichten kommt nicht zu kurz: Im Japan-Saal kann man dem 1873 auf der Wiener Weltausstellung erstmals gezeigten riesigen Modell einer Daimyo-Residenz mithilfe eines verschiebbaren Bildschirms näher kommen, im China-Saal bietet ein großer Touchscreen die Möglichkeit, eines der Prunkstücke, einen prächtigen Lack-Stellschirm, zu erkunden.

»Wir stellen nicht andere Kulturen aus, sondern zeigen Schätze«

Immer wieder werden auch Fragen gestellt: "Was hat Österreich mit Kolonialismus zu tun?" oder "Wie sammelt man heute?" Explizit widmet man sich diesen Themen im Saal "Im Schatten des Kolonialismus". Engelsman: "Wir stellen nicht andere Kulturen aus, sondern zeigen Schätze und erzählen, wie wir dazu gekommen sind." Auch weitaus kritischere Töne sind willkommen, wie eine Installation von Lisl Ponger zeigen wird, die einen schwarzen Kubus schräg in den Säulengang gesetzt hat. Damit negiere sie die imperiale Architektur des Hauses und mache "ihr eigenes Ding", meint der Direktor: "Ich bin stolz darauf, dass auch die Kritik am Haus im Haus gezeigt wird."

Mord im Museum als App

Noch nicht zu sehen sind zwei elektronische Gadgets: Das Weltmuseum Wien wird auch über eine eigene App erlebbar gemacht, hinzu kommt ein Handy-Spiel, das man zu Hause beginnen kann, für dessen Abschluss man jedoch das Museum besuchen muss. In dem Spiel geht es darum, einen Mord aufzuklären. Steven Engelsman wird eine zentrale Rolle einnehmen - als Leiche. Auf die Dreharbeiten freue er sich schon sehr, erklärt der Direktor fröhlich.

Virtuell wird der Geist des Holländers deutlich länger im Haus präsent sein als real. Sein - wegen der Verzögerungen bereits um acht Monate verlängerter Fünf-Jahres-Vertrag läuft mit 31. Dezember dieses Jahres aus. "So kann ich noch zwei Monate lang den Applaus genießen. Sobald die Kritik kommt, gehe ich zurück nach Holland", schmunzelt der 67-Jährige. Seine Nachfolge als Direktor des Weltmuseums wurde noch nicht ausgeschrieben, Engelsman rechnet daher mit einer Interimslösung und hofft auf eine internationale Ausschreibung des regulären Leitungspostens. Das habe sich das Haus verdient, findet er. Als größte Herausforderung für seine Nachfolge sieht er die Notwendigkeit, "dem Anspruch, den wir jetzt haben, in den nächsten Jahren gerecht zu werden. Das Programm muss dafür sorgen, dass es hier nicht langweilig wird."

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