Die Welt unter Wasser

Tauchgänge unter dem Eis und durch riesige Algenwälder, Begegnungen mit Aalen und Orkas: Uli Kunz dokumentiert seine Forschungstauchgänge mit der Kamera und fragt sich, wie lange es Unterwasserparadiese noch geben wird.

von Leben - Die Welt unter Wasser © Bild: Uli Kunz, www.uli-kunz.com
Uli Kunz machte schon als Jugendlicher den Tauchschein. Er studierte Meeresbiologie und gründete mit Freunden die Forschungstauchgruppe Submaris. Nun arbeitet er u. a. für Greenpeace, das Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung und das Geomar Helmholtz- Zentrum für Ozeanforschung. Zudem ist er Moderator der ZDF-Serie "Terra X".
© Thomas Mauch

Seine erste Erfahrung mit der Unterwasserwelt sorgte bei Uli Kunz für einen tagelangen Schock. Von seinem Vater erhielt er als Achtjähriger eine Schnorchelausrüstung und tauchte damit im Bodensee -bis ein riesiger Hecht ihn aus dem Wasser trieb. "Das war ein kurzer Schreckmoment", erinnert sich Kunz zurück. Doch der Hecht habe es nicht fertiggebracht, ihn dauerhaft aus dem Wasser zu vertreiben. Zu groß war seine Faszination: "Jeder Mensch hat schon in der Kindheit eine große Begeisterung für etwas. Bei einem sind es die Berge, beim anderen die Luft und bei mir eben das Wasser."

Forschungstauchgruppe mit Freunden

"Unter Wasser muss ich gar nicht viel sehen, es reichen schon die flirrenden Lichtstrahlen und das Gefühl zu schweben. Wenn ich dann noch verschiedene Pflanzen und Tiere entdecke, dann stellt sich bei mir ein Gefühl der Glückseligkeit ein", beschreibt der 46-Jährige seine Begeisterung für dieses Element.

»Es stand uns nie zu, die Erde in diesem Maße auszubeuten, wie wir es gerade machen«

Sein beruflicher Werdegang war für Kunz daher schon früh klar. Als Teenager machte Kunz den Tauchschein, später studierte er Meereskunde und Ozeanografie und begann mit der Unterwasserfotografie. Mit vier Freunden gründete er außerdem die Forschungstauchgruppe Submaris. Seither hat er rund 2.500 Tauchgänge auf der ganzen Welt absolviert.

© Uli Kunz, www.uli-kunz.com Die junge Robbe wirkt auf den ersten Blick bedrohlich, allerdings spielte das Tier hier nur mit der Kamera

Bei der Arbeit wird versucht, das Risiko zu minimieren: "Wir gehen sehr bewusst an unseren Job heran und versuchen, uns nie zu überschätzen. Außerdem haben wir eine hervorragende Ausbildung."

Getaucht wird stets im Team. Dabei herrscht größtes Vertrauen. "Es hilft auch, dass die Ausrüstung standardisiert ist, sodass wir bei einem Notfall sofort wissen, wo wir eingreifen müssen. Das gibt uns Sicherheit", erklärt der Forscher.

Vorliebe für kalte Gewässer

Eine wirklich gefährliche Situation erlebte Kunz noch nie. Ab und zu gebe es welche, die es hätten werden können. Wie beispielsweise als sich bei einem Tauchgang in einer Höhle in Mexiko plötzlich viel Sediment von der Decke löste, sodass die Forscher nichts mehr sehen konnten. "Aber für solche Fälle sind in den Höhlen Leinen gespannt. Diese greift man an und findet so zum Ausgang zurück. Wir sind für solche Situationen geschult."

© Uli Kunz, www.uli-kunz.com In Französisch-Polynesien sind durch das große Schutzgebiet wieder mehr Haie anzutreffen

Besonders angetan haben es Kunz die kalten Gewässer von der Arktis bis Tasmanien. Es sind jene Orte, wo "Menschen bisher nur selten zu Besuch sind".

"Brain Freeze" im kalten Wasser

Gerade eben kehrte der Unterwasserfotograf von einer vierwöchigen Expedition aus Grönland zurück. "In diesen kalten Gewässern erlebe ich immer wieder überraschende Momente. Vor allem auch, weil wir so wenig darüber wissen", erklärt der Meeresbiologe. Natürlich sei das Wasser extrem kalt. Die Tauchgänge unter Eis seien die kältesten, die man machen kann. "Hier hat das Wasser bis zu minus zwei Grad. Wenn ich hineinspringe, verursacht das zunächst einen ,Brain Freeze'. Wir tragen einen Trockentauchanzug und darunter wärmende Kleidung. So ist die Kälte erträglich", erklärt Kunz. Aber nach rund einer halben Stunde beginnen Hände und Füße dennoch zu schmerzen und taub zu werden. Dann sei es Zeit aufzutauchen.

Klimawandel, Plastikmüll und Übersäuerung setzen den Meere stark zu. Das beobachtete Uli Kunz in den vergangenen Jahren immer häufiger.

© Uli Kunz, www.uli-kunz.com Rund 2.500 Tauchgänge absolvierte Uli Kunz bereits und hielt dabei mit seiner Kamera faszinierende Momente fest

Dazu sei es gar nicht notwendig, weit in die Ferne zu schauen. "Die massiven Veränderungen sind auch in der Ostsee feststellbar", sagt er. "Die Zahl der Fische in der Ostsee ist drastisch zurückgegangen. Seegraswiesen verschwinden an manchen Stellen und kommen an anderen dazu. Noch ist nicht vollständig geklärt, warum das so ist."

Forderung nach Schutzgebieten

Schockiert war der Taucher über einen innerhalb eines Jahres verschwunden Kelpwald im Ozean vor Tasmanien. Diese Braunalgenwälder können bis zu 40 Meter hoch werden und gelten als Unterwassergegenstück zu den Regenwäldern. Sie sind Lebensraum unzähliger Tier-und Pflanzenarten. "Zu sehen, dass dieses Ökosystem durch die Erwärmung des Meeres so schnell abstirbt und nicht mehr nachkommt, ist traurig", so Kunz.

In "Leidenschaft Ozean"* zeigt Uli Kunz eindrucksvolle Bilder seiner Tauchgänge und beschreibt dazu u. a., wie sich die Meere verändern. Knesebeck Verlag, 36 Euro

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Für den Forscher ist klar: "Es müssen viel größere Bereiche der Meere unter Schutz gestellt werden. Da darf dann auch nicht mehr gefischt werden." Generell, fordert der Meeresbiologe, sollten die Menschen besser mit der Natur umgehen: "Wie müssen lernen, weniger zu produzieren und uns ein bisschen in Verzicht zu üben. Es stand uns nie zu, die Erde in diesem Maße auszubeuten, wie wir es gerade machen. Wir nehmen uns einfach zu viel."

Weniger Plastik und Energiewende

Nur ein Beispiel sind für ihn die Plastikprodukte. Hier reicht laut Kunz das Recyceln nicht aus. Das Ziel müsse vielmehr sein, Plastik so gut wie möglich zu vermeiden. "Außerdem wäre es wichtig, die Energiewende viel schneller voranzutreiben", sagt Kunz, der mit seinem soeben erschienenen Buch "Faszination Ozean" die Leser nicht nur auf seine Abenteuer rund um die Welt mitnimmt, sondern es gleichzeitig als "Bildungsauftrag" sieht.

© Florian Huber

Kunz selbst ist derzeit gerade zu Hause in Hamburg. Doch die nächsten Reisen stehen schon bevor. Es geht wieder in den Norden, nach Grönland und Norwegen, um die Meere hier weiter zu erforschen und neue, außergewöhnliche Begegnungen und Eindrücke mit der Kamera festzuhalten.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News 38/2021.