Freiheit als Liebesrezept

Den Fünfziger am 3. November feierte Monica Weinzettl mit Ehemann Gerold Rudle weit weg auf Weltreise. Davor haben die beiden ein Kabarettprogramm darüber geschrieben. Der beste Gag kam per Post

von Weinzettl & Rudle - Freiheit als Liebesrezept © Bild: News/Michael Mazohl

Wenn kurz vor dem runden Geburtstag jenseits der vierzig plötzlich ein Hochglanzmagazin für Seniorenprodukte im Postkasten liegt, ist das selten Grund zur Freude. Bitte, was ist ein Rollator-Shopper und wer braucht hier einen erhöhten Klositz? "Schatzi, wenn dir das nicht gefällt, such dir doch was anderes Schönes aus zum Geburtstag!", sagt dann Gerold Rudle und schenkt Monica Weinzettl ein gönnerhaftes Lächeln. Auf der Bühne markiert er damit den Start ins neue Kabarettprogramm der beiden -einen pointenreichen Schlagabtausch unter der Prämisse: Wenn die Falten mehr werden, wird die Beziehung nicht notwendigerweise leichter. Das zwischenmenschliche Problem verortet der unterhaltsame Abend namens "Dramaqueen &Couchpotato" in der unterschiedlichen Schmerzgrenze, was die fortschreitenden Jahre betrifft: Während sie ihm genauso egal sind wie sein Gewicht -solange er Chips zum Fußballschauen bekommt -, macht sie ein Drama daraus. Auch daraus, dass er ihre Reiswaffeln verschmäht, wo er doch auf sich achten sollte jenseits der 50.

© Video: News/Lisa Ulrich

Die Steilvorlage für das achte Programm von Weinzettl und Rudle, die privat seit 2007 Jahren glücklich liiert und seit 2011 verheiratet sind, wurde per Post frei Haus geliefert: eine Zeitschrift der S-Versicherung, in der die Vorteile angepriesen werden, die man mit 50 plus so hat. "Wortwörtlich steht dort: Die Hormone dürfen ein letztes Mal Achterbahn fahren, Sie haben Chaosblutungen, trockene Haut, Stimmungsschwankungen, aber auch viele Freiheiten: Sie müssen nicht mehr auf die Verhütung achten!", erzählt Gerold Rudle. Der seriöse Blick und das Kopfnicken betonen das Absurde der Botschaft. Monica Weinzettl nimmt im Stadtcafe Purkersdorf noch einen Schluck Wasser und schüttelt den Kopf. "Das war tatsächlich an uns adressiert!", fügt sie noch immer ungläubig hinzu. "Was für eine Verarschung! Ich kann nicht mehr schlafen, weil ich mich in der Nacht fühle wie ein Grillhuhn. Dafür muss ich nicht mehr verhüten?" Dem Sich-Wundern und -Ärgern folgte beim Kabarett-Paar, das vor den Toren Wiens seit Jahren sein perfektes Heim pflegt, die Idee zum Bühnenabend. Wobei beide erst dachten: "Das glaubt uns ja doch niemand!" Dazu sei angemerkt: Rudle hat das Dokument aufgehoben.

Wenn sie will, er aber nicht

Im Umgang mit dem runden Jubiläum hat Gerold Rudle seiner Frau vier Jahre und ein Überraschungsfest voraus. Dabei mag er keine Überraschungen und findet Geburtstage zu feiern "kindisch und deppat". Weinzettl fürchtete, mit dem 70 Gäste starken Überraschungsfest für den Liebsten an der Scheidung vorbeizuschrammen. "Aber ich konnte seinen 50er nicht einfach so vorbeigehen lassen", rechtfertigt sie sich. Außerdem haben sämtliche Familienmitglieder urgiert: "Was machen wir?" "Das heißt dann so viel wie:,Was machst du? Wir hängen uns an'", erinnert sie sich an den "schlimmsten Tag meines Lebens". An dessen Höhepunkt stand Rudle in Wollsocken, die er über die Jeans gezogen hatte, im Vorzimmer und Weinzettl scheiterte daran, ihn zum Umziehen zu bewegen, ehe er das Lokal mit den Überraschungsgästen betrat. Blöderweise war es das Stammlokal der beiden, zehn Schritte gegenüber dem Haus. Wozu also umziehen? Dass doch noch ein großartiger Abend folgte, liegt vermutlich im tiefen Gespür der beiden füreinander.

"Manchmal stimmen wir so überein, dass wir schon fast fad sind", sagt Rudle diesbezüglich. Die Überraschungsparty wurde übrigens zum Erfolg dank Weinzettls Idee, daraus ein Fest mit Versteigerung unliebsamer Besitztümer der Gäste zu machen. Statt unnützer Geschenke bekam der Jubilar den Erlös der Auktion. Wie gesagt: Man hat dieses Gespür füreinander. Rudle weiß demnach vermutlich, was es für sie zum Fünfziger sein soll. Das größte Geschenk macht sich die Kabarettistin ohnehin selbst: eine gemeinsame vierwöchige Reise um die Welt, von Amerika in die Südsee, dann nach Neuseeland und Singapur. Blöd findet sie, wenn man gefragt wird, was man sich wünscht. "Warum überlegt sich niemand mehr etwas?", bringt sie auf den Punkt, was dann meist in eine Geldsammlung und den Hinweis "Kauf dir was Schönes!" mündet. Da freut sie sich schon mehr, wenn Rudle im Urlaub in Kroatien ein Armband vom Dorfausflug mitbringt. "Das erinnert mich an mehr als irgendein sauteures Luxusgeschenk." Und Rudle hat schon eine Idee: "Auf Bora Bora gibt es bestimmt Muschelketten." Als Flucht will Weinzettl die Auszeit auf Reisen zum Geburtstag nicht sehen. Außer vielleicht als Flucht vor der Kälte: Das Paar würde generell gern den Winter im Süden verbringen, was zur beruflichen Hauptsaison freilich nicht geht.

»Ich muss nichts mehr. Das nimmt mir viel Druck«
© News/Michael Mazohl Monica Weinzettl über ihren runden Geburtstag

Die Gelassenheit, mit dem Jubiläum umzugehen, hat sie ein bisschen dem Gefährten abgeschaut, sagt sie. "Da war nie ein Midlife-Krise. Sein Alter ist ihm einfach egal. Sein Motto ist: Nur weil irgendwer einmal angefangen hat, die Jahre zu zählen, muss ich doch nicht alt werden. Das gefällt mir. Man wird im Kopf alt, und das wird er nicht."

Sollte sie doch leichte Hysterie befallen, hilft er ihr, den wichtigen Schritt zurück zu tun und alles mit Abstand zu betrachten. "Es ist doch so", sagt sie dann: "Ich muss nichts mehr, und das ist schön. Ich habe keine Idealmaße und werde sie nicht mehr kriegen. Punkt. Model oder Spitzensportler werde ich nicht mehr. Das nimmt Druck, wenn man Dinge abhaken kann." Wobei klar ist, dass man diese Freiheit auch wollen muss. "Blöd ist, wenn man sagt: ,Gott, du hast mir das Können genommen; warum nicht auch das Wollen?'"

Ganz gelassen im Alltag

Auf der Bühne, wo Weinzettls 50er im Mittelpunkt steht, sind Rudles Scherze teilweise so böse, dass das Publikum feministisch-solidarisch "Buuuh" ruft. Im Gegenzug demaskiert sie ihn als "Lusche". Ganz anders erlebt man das Paar im beschaulichen Purkersdorfer Stammcafe: gelassen und voll gegenseitiger Bewunderung. Es ist Respekt vor dem anderen und seiner Freiheit, auf dessen Basis Scherze wachsen dürfen. Darüber, dass Weinzettl gefühlte zwei Stunden den Autoschlüssel nicht in der Handtasche findet oder Rudle mit Hammer in der Hand zur Gefahr wird. Die Grenze bei gemeinsamen Programmen bleibt, dass beide sich für eine Pointe begeistern. "Wenn einer nicht will, ist die Pointe und das ganze Thema erledigt. Dann wird er auch nicht überredet", sagt Rudle. "Das halten wir auch privat so. Wenn einer nach Hause will und der andere noch bleiben, dann gehen wir. Wer darunter leiden würde, hat das Vorrecht."

»Ich mag keine Überraschungen. Geburtstage finde ich kinidisch«
© News/Michael Mazohl Gerold Rudle freute sich trotzdem über seine Überraschungsparty

Ausgemacht haben sich die beiden diese Dinge nie, sagen sie. Es sei vieles einfach klar gewesen. "Wir haben ein unglaubliches Glück miteinander, weil wir nie um Ansichten oder Respekt kämpfen mussten, wir stimmen in grundlegenden Dingen einfach überein", stellt Weinzettl fest.

Wobei die einstige Fitnesstrainerin die Gelassenheit besitzt, dem Gatten auch zum zweiten Riesenkübel Eis an einem Tag noch "Guten Appetit" zu wünschen, obwohl sie weiß, dass ihm schlecht wird und die Waage Nein sagt. "Oder wenn ich sage, ich möchte das Küstenpatent machen und nachher eine Woche in Kroatien Schiff fahren gehen, sagt sie: ,Cool. Ich nicht. Viel Spaß.'" Dann fährt er allein. Gern zitiert er Weinzettls Credo: Es gibt kein "Wir", nur ein "Du" und ein "Ich", die gemeinsam glücklich sein können, wenn sie einzeln glücklich sind.

Dieses Loslassen des Partners habe sie erst lernen müssen, sagt Monica Weinzettl. Und auch, dass sie diesbezüglich selbstbewusster sei als früher, weil sie ihrem Mann vertraut. "Das Klammern kommt ja aus der eigenen Unsicherheit, mit der man den Partner nur vertreibt. Aber wenn er glücklich ist, weil er einmal im Jahr mit seinen Freunden Urlaub macht, ohne sich quer durch den Gemüsegarten zu bumsen, bekomme ich das zurück und alle sind glücklich." Entscheidend für den Bestand der Liebe sei, sich den Anfangszauber immer wieder bewusst zu machen. "Ich weiß schon genau, in wen ich mich verliebt habe."

Rudle wiederum bekennt, zu Beginn etwas verunsichert gewesen zu sein: "Weil sie doch die Frau Weinzettl ist, irrsinnig gescheit, wahnsinnig begehrt, total bekannt. ,Was will diese Göttin von mir?', habe ich gedacht." Angst war da, sie würde seine Macken entdecken, und dann wär's das. Nach zehn Jahren und einer Hochzeit scheint diese Gefahr gebannt. Die Verlagerung kritischer Paarthemen in mittlerweile acht Kabarettprogramme gehört vielleicht doch zum Erfolgsrezept.


Neues Programm

Weinzettl & Rudle im Kampf mit dem Alter

Wenn er ihr zum runden Geburtstag einen Katalog mit praktischen Dingen für Senioren schenkt ("Such dir was aus, Schatzi!"), folgt die Scheidung -oder im Fall des Kabarett-Traumpaars ein pointenreicher Abend. Monica Weinzettl und Gerold Rudle erkunden im neuen Programm "Dramaqueen &Couchpotato", wie gegensätzlich Mann und Frau mit tiefer werdenden Falten umgehen und wie das den Beziehungsalltag prägt. Rudle tourt außerdem mit dem Soloprogramm "Captain Rudle". Termine: www.weinzettl-rudle.at