Was steckt hinter den "Identitären"?

Nach dem Sturm auf ein Flüchtlings-Theaterstück: Wie gefährlich ist die "Bewegung"?

Wenige Wochen nach der Besetzung der grünen Parteizentrale in Graz stürmten Anhänger der "Identitären Bewegung" Donnerstag eine Aufführung von Jelineks "Die Schutzbefohlenen" im Wiener Audimax. Die seit 2012 in Österreich in Erscheinung tretende rechte Gruppierung wird zunehmend aktiver. Was steckt dahinter, und wie gefährlich sind sie wirklich?

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Fakten - Was steckt hinter den "Identitären"?

Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan führen Donnerstagabend Elfriede Jelineks "Die Schutzbefohlenen" im Audimax der Uni Wien auf. Plötzlich Schreie, Handgemenge, rund 30 Männer stürmen auf die Bühne, verschütten Kunstblut und entrollen ein Transparent. "Heuchler!", steht groß darauf. "Multikulti tötet", sagen die Flyer, die sie in die Menge werfen. Nach sieben Minuten ist die bisher letzte Störaktion der österreichischen "Identitären" wieder vorbei, bei der der Flucht werden noch acht Theaterbesucher verletzt.

Erst Anfang April "besetzten" Identitäre in Graz die Parteizentrale der steirischen Grünen. Sie kletterten auf das Dach und brachten dort ein Transparent mit der Aufschrift "Islamisierung tötet" an. Mehrere Dutzend Leute schwenkten vor dem Gebäude "identitäre" Fahnen und entzündeten bengalische Feuer. Die "neurechte" Bewegung wird zunehmend aktiver und in ihrem Auftreten offensiver. Erstmals in Erscheinung getreten sind die Identitären in Österreich 2012, als sie mit Schweine-, Gorilla- und Geistermasken eine Caritas-Veranstaltung störten. In Frankreich gibt es den "Bloc identitaire" schon seit 2003. Auch Alexander Markovics, Obmann der "Identitären Bewegung Österreichs", ließ sich vom französischen Vorbild inspirieren und besuchte vor der Gründung in Österreich deren Kongresse.

Pop-Symbole und "linke" Protestformen

Im Gegensatz zu früheren Rechtsextremen distanzieren sich die neuen Rechten offiziell deutlich vom Nationalsozialismus, sie wollen "nicht einmal mehr rechts sein", wie es das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) beschreibt. Zugleich kommen aber auch viele ihrer Führungsfiguren aus dem organisierten Neonazismus. Der Obmann der Wiener Landesgruppe etwa, Martin Sellner, trat früher mit dem heute inhaftierten Neonazi Gottfried Küssel auf. Das sei freilich "ein Fehler" gewesen, sagt Sellner heute. Die zweite wichtige "Stütze" der Bewegung sind deutschnationale Burschenschaften.

Besonders auf der Ebene der Symbole und Aktionsformen grenzen sie sich auch klar von "klassischen" rechtsextremen Organisationen ab, um so auch breitere Kreise anzusprechen, lautet die Einschätzung des DÖW weiter. Sie werden aus der Popkultur und von linken Gruppen entlehnt, um sich als "ganz neue Bewegung" zu inszenieren. Neue, positivere Formulierungen wie "kulturelle Identität" sollen ihren Rassismus überdecken. Medial auf sich aufmerksam machen die Identitären bisher vor allem mit früher den Linken vorbehaltenen Protestformen wie Besetzungen und Störungen von Veranstaltungen. Vor den beiden jüngsten Vorfällen sorgten bereits die "Gegenbesetzung" der von Flüchtlingen bewohnten Votivkirche 2013 und im Vorjahr der selbstständige "Zaunbau" an der Grenze für große Aufregung.

"Selbstverteidigung" im Sommerlager

"Lieblingsthema" der Gruppe ist die Flüchtlingskrise. Auf den am Donnerstag verteilten Flugblättern heißt es in Richtung derer, die Flüchtlinge unterstützen: "Ihr habt Vergewaltiger beklatscht und den Terror nach Europa geholt. Durch eure Ignoranz und Heuchelei mussten Menschen sterben. An euren Händen klebt das Blut von Bataclan und Brüssel". Die "Massenmigration" sei Teil der "neoliberalen Globalisierung" und bedrohe die "europäische Identität".

Der Vorfall im Audimax war auch nicht der erste, bei dem es zu Gewalt gegen Andersdenkende kam. Auch im Zuge von Demonstrationen gab es Übergriffe. Das DÖW sieht zahlreiche Anhaltspunkte, die für eine "militante Grundhaltung" der Bewegung sprechen. Sie würden sich als "letzte Generation" präsentieren, die den Untergang des Abendlandes noch aufhalten können und ausgiebig Kriegs- und Kampfmetaphern verwenden. Auf ihren Sommerlagern treiben die Identitären Sport und trainieren Selbstverteidigung, Videos zeigen Mitglieder etwa beim Boxen. Damit machen sie sich laut eigener Darstellung fit für den "Kampf gegen den inländerfeindlichen Rassismus". Das Dokumentationsarchiv ruft daher dazu auf, sie als Bedrohung ernstzunehmen.